Im Waldviertel gedreht Kinostart für „Des Teufels Bad“
Gedreht wurde in Arbesbach, Groß Gerungs und Litschau. Vor zwei Wochen durfte sich das Regie-Duo über die Prämierung von „Des Teufels Bad“ auf der heurigen Berlinale freuen. Nun steht eine große Premierentour durch das Land an. In Zwettl, Gmünd und Horn werden sie unter anderem persönlich vor Ort sein. Zuvor stellten sie sich aber noch den Fragen der NÖN.
NÖN: Habt ihr den Stress der Berlinale gut überstanden?
Severin Fiala: (lacht) Das ist tatsächlich die richtige Frage. Abseits dessen, was man im Fernsehen immer mit Glamour und Partys sieht, war es für uns ein wahnsinniger Stress, den Film, an dem wir eigentlich zehn Jahre gearbeitet haben, vor 1.700 Leuten zu präsentieren. Die Erfahrung war aber eine sehr positive. Wir haben gespürt, dass das Publikum sehr berührt war und auch die Kritiken hätten wir uns nicht besser wünschen können. Es war eine schöne, aber auch anstrengende Berlinale.
Für die Kameraarbeit am Film wurde eurem Kameramann Martin Gschlacht ein Silberner Bär verliehen. Wie fühlt es sich an, mit einem prämierten Film nach Haus zu kommen, auch wenn der Preis nicht direkt an euch ging?
Veronika Franz: Ich finde schon, dass es auch ein Preis für uns ist. Schließlich wird ja ein ganzer Film ausgezeichnet und die essenzielle Arbeit daran. Martin Gschlacht ist ein Mitstreiter erster Stunde.
Fiala: Genau und wir sind ja auch ein Regie-Duo und begreifen unsere Filme als Team-Arbeit. Jeden Preis für einen Mitarbeiter sehen wir als Preis für das ganze Team an.
Franz: Wir hoffen, dass der Silberne Bär jetzt Interesse an unserem Film weckt.
Es war auch der erste Bär für einen eurer Filme, oder?
Fiala: Ja, es war auch überhaupt das erste Mal, dass einer unserer Filme im Hauptbewerb im Rennen war. Mit „Ich seh Ich seh“ waren wir zwar in Venedig aber nur im Nebenbewerb. Insofern ist ein Preis für unsere erste Teilnahme in einem Hauptbewerb besonders schön.
Mit „Des Teufels Bad“ habt ihr bereits euren vierten gemeinsamen Film gedreht. Geteilte Regie ist doch eher unüblich in der Filmbranche. Warum funktioniert es für euch so gut?
Fiala: Ich glaube es ist bei uns ein Glücksfall. Wir haben beide kein großes Ego am Set, sondern wollen gemeinsam das Beste für den Film. Wenn einer im Vordergrund stehen wollen würde, könnte es nicht funktionieren. Meiner Meinung nach ist es ein Problem vieler Regisseure, dass sie sich selbst für zu wichtig halten und im Mittelpunkt stehen müssen, obwohl das gar nicht für die Arbeit notwendig wäre. Ich hoffe, dass es uns gelingt, bescheidener zu sein.
Franz: Es hilft tatsächlich auch. Regie ist eine schwierige Aufgabe. Man arbeitet lange am Drehbuch und mit einzelnen Leuten und plötzlich steht man am Filmset vor 30 Menschen und muss jedem sagen, was er zu tun hat. Zu zweit ist das einfacher. Wenn einer von uns mal nicht weiß, was er sagen soll, weiß es hoffentlich der andere.
Gibt es trotzdem hin und wieder künstlerische Differenzen beim Entscheidungsprozess?
Fiala: Beim Drehbuchschreiben und beim Dreh eigentlich nie. Wir lieben die gleiche Art von Filmen und haben ähnliche Gefühle und Visionen. Höchstens im Schneideraum sind wir manchmal nicht einer Meinung. Da sitzt man monatelang jeden Tag vor dem Film und trifft die letzten Entscheidungen, etwa ob das letzte Bild einer Szene da oder dort sein soll. Da diskutieren wir dann manchmal schon, und das stundenlang.
Ihr habt jetzt schon mehrere Filmprojekte sowohl in Österreich als auch Amerika realisiert. Was sind die größten Unterschiede?
Fiala: In Amerika ist der Vorteil, dass die Filme privat finanziert werden und bereits im Voraus das ganze Budget zur Verfügung steht. In Österreich muss man erst zu mehreren Förderstellen gehen, um überhaupt Geld zu bekommen und auch dann kommt es nur in Raten. Da kann es dann auch passieren, dass man mit einem Kredit zwischenfinanzieren muss, wenn das Geld nicht rechtzeitig ankommt. Im Endeffekt ist die künstlerische Freiheit in Europa aber viel größer. Hier haben wir de facto den „Final Cut“. In Amerika mussten wir dagegen schon viel mit Produzenten streiten, weil sie Dinge ändern und kürzen wollten. Auch das ist ein mühsamer Prozess. Beide Seiten haben also Vor- und Nachteile.
Nach „Ich seh Ich seh“ habt ihr jetzt bereits zum zweiten Mal im Waldviertel gedreht. Kommt die Liebe zu Drehorten in der Region aufgrund Severins Horner Wurzeln?
Fiala: Sicher habe ich hier meine Wurzeln, aber das ist nicht der Grund. Wir suchen lange nach den richtigen Orten für den Film. Der wahre Fall, auf dem „Des Teufels Bad“ basiert, geschah in Oberösterreich. Deswegen suchten wir erst dort. Da der Film im Jahr 1750 spielt lag der Fokus dabei auf Gebäuden aus jener Zeit. Allerdings waren in Oberösterreich viele dieser schon renoviert und das passte einfach nicht. Im Waldviertel stießen wir dann auf entsprechende Häuser, die der damaligen Zeit getreuer erhalten sind. Wir werden jetzt auch oft gefragt, wo man überhaupt solche Gebäude noch finden kann. Lustigerweise war das ganz in der Nähe vom Haugschlager Drehort von „Ich seh Ich seh“.
Franz: Ich würde dazu gerne noch sagen, dass ich zwar eine Wienerin bin, aber viel Zeit in Drosendorf verbracht habe und eine Waldviertel-Adorantin bin. Aber das entscheidet ja nicht, wo man dreht. Wir sehen nur die beeindruckende Wald- und Naturlandschaft. Ein wunderschöner Drehort war beispielsweise auch der Höllfall bei Arbesbach. Dort haben wir vor einigen Jahren auch den Kurzfilm „The Sinful Women of Hollfall“ für den Anthologie-Film „The Field Guide to Evil“ gedreht, welcher sozusagen eine kleine Vorübung für „Des Teufels Bad“ war.
Wie wurden die weiteren Drehorte ausgewählt?
Franz: Wir haben auch nach erhaltenen Hinrichtungsstätten gesucht. In Arbesbach fanden wir einen originalen Galgen aus der damaligen Zeit, der sich mitten im Wald befindet und nun ein zentraler Ort im Film ist. Das Elternhaus von Hauptcharakter Agnes ist eine alte Mühle in Arbesbach, wo wir ebenfalls schon für den erwähnten Kurzfilm gedreht haben.
Fiala: Die ganzen Häuser im Film haben wir gewählt, weil sie visuell schön sind, ohne dass man sie übertrieben aufgehübscht hätte. Alles wirkt ursprünglich, was für so einen Film enorm wichtig ist.
Franz: Es ging uns um eine raue Stimmung, die das Waldviertel ebenfalls ausstrahlen kann. Die Drehortsuche hat zudem das Drehbuch beeinflusst. Ursprünglich war normale Feldarbeit im Drehbuch vorgesehen. In Litschau wurden wir auf die Karpfenfischerei aufmerksam, die seit dem 12. Jahrhunderte mehr oder weniger gleich gemacht wird. Wir fanden die Idee so gut, dass wir diesen Teil ausgetauscht haben und echte Fischer beschäftigten, die uns beraten und auch mitgespielt haben. Darstellerin Maria Hofstätter lernte dabei für den Film extra das Fischen und wird heute noch von den Litschauern zum Karpfenfischen eingeladen. Das war alles toll für uns, weil es so ungewöhnlich war, anders als wenn man zum hundertsten Mal jemanden sieht, der Getreide senst.
Fiala: Für einen historischen Film bietet das Waldviertel irrsinnig viel. Gott sei Dank weiß es noch keiner, sonst nimmt es uns noch jemand anderes weg (lacht).
Ihr habt aber auch Deutschland gedreht, oder?
Fiala: Ja, den letzten Teil des Films drehten wir in Nordrhein-Westfalen. Das mussten wir wegen der deutschen Fördergelder so machen. Die Sache war logistisch auch gar nicht einfach. Wir haben dafür einen Bus mit Oberösterreichern und Waldviertlern, die zu diesem Zeitpunkt schon im Film zu sehen waren, nach Deutschland geführt. Die Statisten dort durften auch kein Wort sagen, weil man sofort gehört hätte, dass es Deutsche sind. Alles war schwieriger, weil die Landschaft etwas anders aussieht.
Franz: Die Groteske ist, dass wir auch extra eine Hinrichtungsstätte aufbauen mussten, die es im Waldviertel schon gegeben hätte. Zudem mussten wir die ganze Natur anpassen und haben viel Zeit verbracht, Flecken in Nordrhein-Westfalen zu finden, die halbwegs wie das Waldviertel aussehen, damit die unterschiedlichen Drehorte im fertigen Film nicht auffallen.
War der historische Film eure bisher aufwändigster?
Fiala: In Österreich auf jeden Fall. Sonst haben wir in Amerika auch schon Serienfolgen gedreht, wo 30 Minuten dreimal so viel kosten, wie hierzulande ein ganzer Film. Die Arbeit an „Des Teufels Bad“ war jetzt aber auf andere Art aufwändig. Bei einer Serie gibt es schon Schauspieler, Kostüme und Locations. Für einen Film fängt man bei null an.
Franz: Alle Kostüme mussten erst hergestellt werden. Noch dazu ist das im Film dargestellte Bäuerliche Milieu recht unerforscht. Es gibt nur wenige historische Quellen und Bilddarstellungen. Dadurch lässt sich nur schwer erahnen, wie die Alltagskleidung damals überhaupt ausgesehen hat.
Fiala: Für die einfachen Menschen hat sich damals niemand interessiert. Deshalb gibt es darüber so wenig. Erhalten sind meist nur idealisierte Darstellungen im Festtagsgewand. Andere historische Filme nehmen sich das dann als Vorbild. Wir haben versucht, diese Abziehbilder zu umgehen und uns zu fragen: Was wäre damals praktikabel und normal gewesen?
Franz: Die Darsteller haben auch wirklich in den Häusern gewohnt und trugen durchgehend das Gewand, damit es für sie unterbewusst ganz normal wird. Dazu gibt es auch eine lustige Geschichte. Anja Plaschg und Maria Hofstätter sind während der Dreharbeiten zum Billa in Litschau gegangen und wussten nicht, warum sie so seltsam angeschaut werden, bis sie gemerkt haben, dass sie immer noch das historische Gewand anhatten. Sie waren es einfach schon so gewohnt und das ist der Sinn der Sache. Es sollte sich nicht wie ein Kostüm anfühlen.
In euren vorherigen Filmen „Ich seh Ich seh“ und „The Lodge“, als in „Des Teufels Bad“ sind psychische Probleme zentrales Handlungselement. Warum ist das Thema ein roter Faden für euch und warum ist das Horror- und Thriller-Genre die präferierte Methode der Umsetzung?
Franz: Dieser Film passt für uns eigentlich in keine Schublade. Er ist kein Kostümfilm, kein Horrorfilm und auch kein Psychothriller. Es sind zwar Stilelemente aus all diesen Genres vorhanden aber wir sehen ihn eher als „abgründigen Historienfilm“.
Fiala: Man könnte vielleicht auch „Innerer Horrorfilm“ dazu sagen. Die Hauptfigur erkrankt an einer Depression, die man in dieser Zeit nicht diagnostizieren könnte. Das, was sie an schrecklichen Dingen erlebt, versuchen wir für den Zuschauer greifbar zu machen. Als Inspiration dienten reale Verhörprotokolle. Eine einfache Bäuerin erzählt darin ihr Leben nach, nachdem sie ein schreckliches Verbrechen begangen hat. So direkt eine Stimme aus der Vergangenheit zu hören, die von ihren Ängsten und Sorgen berichte, hat uns irrsinnig berührt.
Franz: Unsere Filme handeln in gewisser Form von „inneren Höllen“. Das Konzept von Himmel und Hölle ist für mich faszinierend. Ich glaube nur nicht, dass die Hölle nachher kommt. Diese findet oft schon im Hier und Jetzt statt. Es gibt zahlreiche Gründe, durch die man unglücklich sein kann und über das machen wir Filme.
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