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Hessen wartet auf die erste S-Bahn mit Wasserstoffantrieb

Hessen wartet auf die erste SBahn mit Wasserstoffantrieb
In einem Jahr will Hersteller Alstom dem RMV den ersten Zug liefern. Gezeigt hat sich ein Vertreter der neuen S-Bahn-Generation bei einer kurzen Stippvisite in Frankfurt
  • Jutta Rippegather

    VonJutta Rippegather

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In einem Jahr will Hersteller Alstom dem RMV den ersten Zug liefern. Gezeigt hat sich ein Vertreter der neuen S-Bahn-Generation bei einer kurzen Stippvisite in Frankfurt

Der wasserblaue Zug an Gleis 21 des Frankfurter Hauptbahnhofs ist farblich ein Hingucker. „Corodia iLint“ steht auf der Anzeige. „Eine bahnbrechende Technologie.“ In eineinhalb Jahren werden dort ganz nüchtern nur noch Ortsnamen zu lesen sein: Bad Soden etwa, Königstein, Frankfurt-Höchst oder auch Friedberg: Auf insgesamt vier Linien sollen dann statt stinkender und lauter Dieselloks nur emissionsfreien leise Fahrzeuge wie dieser blaue Hingucker unterwegs sein: Die größte Flotte an Wasserstoffzügen der Welt wird dann im Rhein-Main-Gebiet verkehren.

Vom Design werden sich die neuen Fahrzeuge etwas von den Vorserienzug unterscheiden, der am Freitag an Gleis 21 des Frankfurter Hauptbahnhofs eine Stippvisite einlegte. Doch an der Technik wird sich nach jahrelangen Tests in diversen Regionen der Republik und in Österreich wohl kaum noch viel ändern, so der Tenor bei der kurzen nahezu geräuschlosen Probefahrt nach Griesheim.

Dort liegt das Werk der Deutsche Bahn (DB) Regio, dessen 220-köpfiges Team im Auftrag des französischen Konzerns Alstom die 27 Wasserstoffzüge instand halten wird. Weitere Partnerin ist Infraserv Höchst, auf deren Gelände in Höchst eine weitere Tankstelle für Wasserstoff entsteht, der dort als Abfallprodukt anfällt. Der Tank ist groß. Mit einer Reichweite von bis zu 1000 Kilometern kann ein solcher Zug aus der Alstom-Werkstatt im niedersächsischen Salzgitter auch noch im tiefsten Winter einen ganzen Tag fahren. Das Tanken ist innerhalb einer Viertelstunde erledigt.

Neue S-BAhn-Generation

Die neuen Brennstoffzellenzüge ersetzen ab Ende 2022 die bisherigen mit Diesel betriebenen Züge auf den Linien RB11 (Frankfurt-Höchst – Bad Soden), RB12 (Frankfurt – Königstein), RB15 (Frankfurt – Bad Homburg – Brandoberndorf) und RB16 (Friedrichsdorf – Friedberg).

Die Ausstattung entspricht dem Standard der neuen Zuggenerationen im RMV-Regionalverkehr: es gibt barrierefreie Toiletten, Abstellplätze für Fahrräder sowie WLAN.

Rund 2,5 Millionen Kilometer wird die 27 Fahrzeuge umfassende Flotte pro Jahr fahren. Der Wartungsvertrag zwischen Alstom und DB-Regio hat eine Laufzeit von 25 Jahren. jur

Die Flotte gehört Fahma, Tochter des Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV). Offen ist noch, wer sie betreiben wird, auf den Linien 11, 12, 15 und 16. Die europaweite Ausschreibung geht demnächst raus, sagt RMV-Geschäftsführer Knut Ringat. Bis Ende nächsten Jahres werden dort noch Dieselzüge unterwegs sein – wie auf rund 30 Prozent der Strecken im RMV, die nicht elektrifiziert sind.

Bislang gab es dazu keine Alternative. Die hat Alstom in den vergangenen Jahren bis zur Serienreife entwickelt. Gefördert von der Bundesregierung im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. Ausgezeichnet mit dem European Railway Award 2021.

In genau einem Jahr, sagt Alstom-Direktor Jörg Nikutta, soll das erste Exemplar dem RMV übergeben werden. Bei der Angabe des Preises pro Stück bleibt er wegen der Konkurrenz vage: „Ein kleinstelliger Millionen-Betrag“ - mehr verrät er nicht. Gesprächiger wird er, wenn es die „Weltsensation“ anpreist, die Technikfans begeistere, für andere Fahrgäste aber „ein ganz normaler Zug“ ist. Optisch unterscheidet sich der „Corodia iLint“ tatsächlich nur farblich von den Zügen, die üblicherweise im Hauptbahnhof stehen. Das Besondere entzieht sich den Augen. Der unter hohem Druck stehende Wasserstofftank befindet sich auf dem Dach. Am Boden ist die große Batterie untergebracht, die vor allem dem flotten Antrieb dient und beim Bremsen die Energie aufnimmt. Durch ein kleines Röhrchen können Wasserdampf und Kondenswasser entweichen. Das Steuerpult ist dem der Dieselfahrzeuge nachempfunden, so dass sich die Lokführer:innen nicht groß umstellen müssen. Ein GPS unterstützt sie dabei, möglichst energiesparend zur fahren. Das ist ein lernendes System, das die Topografie einer Strecke speichert und schon bald weiß, wann die Batterie zur Unterstützung anspringen soll.

Lernbereit ist auch das Team des Werk der DB Regio, von dem eine kleine Gruppe den blauen Hingucker am Freitag in seiner neuen Heimat begrüßt. Von Dezember an werden sie in der großen Halle mit den 13 Arbeitsgleisen neben den rot-weißen Doppelstockwaggons oder roten Regionalzügen die dunkelblau-weißen nagelneuen RMV-Züge warten. Eine Aufgabe, auf die sich Werkstattleiter Ingo Albrecht und sein Team freuen. Sie eröffnet ihnen die Möglichkeit, in engem Austausch mit Alstom den Umgang mit einer der Technologien der Zukunft zu lernen. Wie der RMV hat sich auch DB Regio das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2040 klimaneutral unterwegs zu sein. Ob mit Akku- oder Wasserstoffzügen oder anderen Antriebsformen, steht noch nicht fest, sagt Vorstand Oliver Terhaag. „Wir sind technologieoffen.“

Das Steuerpult ist kaum anders, als das der Diesellokomotive. Rolf Oeser

© ROLF OESER

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