Heiße Themen Schließen

Die Seuche aus dem Eis ist für Menschen ungefährlich - vorerst

Die Seuche aus dem Eis ist für Menschen ungefährlich  vorerst
Wenn Permafrost taut, kommen Geheimnisse aus der Vergangenheit zum Vorschein - nicht immer gute. In Sibirien haben Forscher uralte Viren aus dem Winterschlaf aufgeweckt. Ansteckend sind sie allerdings nicht für jeden.

Wenn Permafrost taut, kommen Geheimnisse aus der Vergangenheit zum Vorschein - nicht immer gute. In Sibirien haben Forscher uralte Viren aus dem Winterschlaf aufgeweckt. Ansteckend sind sie allerdings nicht für jeden.

Fast 17 Prozent unserer Erdoberfläche sind dauerhaft gefroren. Diese Teile der Erde heißen Permafrostböden. Es gibt sie hauptsächlich in den Polarregionen, aber auch in hohen Gebirgen - zum Beispiel auf der Zugspitze. Die meisten Böden sind in der letzten Eiszeit entstanden.

Man kann sich Permafrostböden wie eine riesige Gefriertruhe vorstellen. Darin ist es permanent unter null Grad kalt. Sie bestehen aus Stein, Sedimenten, Erde und riesigen Mengen an abgestorbenen Pflanzen- und Tierresten. Das Eis hält alles zusammen.

In den Böden sind auch uralte Erreger, unter anderem Viren. Einige, die die Welt bisher nicht kannte, hat ein Forscherteam um Jean-Marie Alempic von der Aix-Marseille-Universität in Frankreich in Sibirien entdeckt. Dazu gehört auch der Geologe Jens Strauss vom Alfred-Wegener-Institut in Potsdam, er leitet dort die Arbeitsgruppe Permafrost-Biogeochemie.

*Datenschutz

Viren mit Wärme aufgeweckt

Die Erreger seien eher zufällig gefunden worden, berichtet Strauss im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Das Team habe 2017 mit vier langen Bohrern zwanzig Meter tief im Permafrost gebohrt, mit dem Ziel herauszufinden, "wie viel davon gefroren und wie viel Kohlenstoff drin ist". "Dann kam die Überraschung, gefunden von unseren französischen Kollegen, dass dort auch wieder Riesenviren drin sind. Die haben die Kollegen in Frankreich sogar wiederbeleben können, das war das Spannende an diesen Proben."

Die Viren haben im Eis eine Art Winterschlaf gemacht. So konnten sie Zehntausende Jahre überleben. In den Proben aus dem Permafrost hat das Team 13 bisher unbekannte Virenarten entdeckt, alles Riesenviren. Das jüngste war 27.000 Jahre alt, das älteste über 48.000 Jahre. Mit Wärme seien sie wieder "aufgeweckt" worden.

Das Team habe den neu entdeckten Erregern vorläufige Namen gegeben: "Pacman-Viren, Mega-Viren oder sogar Pandora-Viren", berichtet der Geologe im Podcast. "Da ging ein bisschen die Kreativität mit den Wissenschaftlern durch." Die neuen Viren-Gattungen seien so groß, "dass sie zum Teil auch schon mit einem normalen Lichtmikroskop gesehen werden können". So habe man diese klassifizieren können.

Unentdeckte Erreger schlummern noch im Eis

Um die uralten Viren im Permafrost wieder zu aktivieren, haben die Forscher sie mit Amöben "gefüttert" - sie also im Labor mit in die Petrischale gegeben. Für diese Einzeller sind die Viren gefährlich. Für uns Menschen gibt Strauss aber Entwarnung - vorerst. "Diese Viren sind nicht gefährlich für den Menschen. Das heißt aber nicht, dass im Permafrost nicht auch gefährliche Viren für den Menschen drin sein könnten. Aber wir haben diese nicht gefunden."

Was allerdings erwiesenermaßen gefährlich werden kann, ist, wenn im Permafrost eingefrorene Bakterien wieder auftauen. So wie 2016 in Sibirien. Eine ungewöhnliche Hitzewelle aktivierte Milzbrand-Bakterien. Der Erreger infizierte Rentierherden und sprang auf etliche Menschen über. 2300 Rentiere und ein Junge starben. In Gräbern in Alaska wurden in der Vergangenheit zudem DNA-Fragmente des Virus gefunden, der 1918 die Spanische Grippe ausgelöst haben soll.

Auch eigentlich ausgerottete Krankheiten schlummern noch im Eis. In aufgetauten menschlichen Überresten aus dem 17. bis 19. Jahrhundert wurden Pocken-Erreger entdeckt. Ein Ausbruch wäre laut der Helmholtz-Gemeinschaft verheerend: Die Menschen werden seit Jahrzehnten nicht mehr gegen Pocken geimpft - ein Ausbruch würde auf schutzlose Opfer treffen.

Gefriertruhe funktioniert bislang noch

Die Gefahr einer Pandemie sieht Strauss bislang dennoch nicht. Das Virus sei nicht die Hauptgefahr im Eis. Wenn es durch den Klimawandel auftaut, könnten noch viel gefährlichere Dinge in die Umwelt gelangen. "Wir vermuten schon, dass diese Gefriertruhe sehr gut funktioniert. Und das ist auch unser Glück, weil dort sehr viel Kohlenstoff eingefroren ist. Dieser Kohlenstoff kann sonst als die Klimagase CO2 und CH4 (Methan) wieder herauskommen."

Mehr zum Thema

Neben dem Kohlenstoff könnten auch Schwermetalle im Eis sein, gibt der Experte im "Wieder was gelernt"-Podcast zu bedenken, insbesondere Quecksilber. "Das wiederum geht in die Gewässer, in die Fische. Und diese Fische gehen dann wieder in den Menschen durch Fischfang. Das kann natürlich so auch zur Anreicherung von Schwermetallen im Körper führen, was nicht gesund ist."

Wenn das Eis in den Permafrostböden schmilzt, zerstört das auch ganze Regionen: Riesige Krater und Schmelzwasserseen entstehen, Straßen und Häuser zerfallen, Friedhöfe werden weggeschwemmt. Hoch im Norden Kanadas verschwindet gerade eine ganze Gemeinde im Meer.

Der Stecker der natürlichen Gefriertruhe Permafrost ist längst gezogen. Helfen kann jetzt nur noch, den Klimawandel zu verlangsamen.

"Wieder was gelernt"-Podcast

"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige: Warum wäre ein Waffenstillstand für Wladimir Putin vermutlich nur eine Pause? Warum fürchtet die NATO die Suwalki-Lücke? Wieso hat Russland wieder iPhones? Mit welchen kleinen Verhaltensänderungen kann man 15 Prozent Energie sparen? Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein wenig schlauer.

Alle Folgen finden Sie in der ntv App, bei RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts und Spotify. Für alle anderen Podcast-Apps können Sie den RSS-Feed verwenden.

Sie haben eine Frage? Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an podcasts@ntv.de

*Datenschutz
Ähnliche Nachrichten
Nachrichtenarchiv