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Warum schreibt man „mutmaßlicher Täter“?

Warum schreibt man mutmaßlicher Täter
Bei Vorfällen wie dem Terror-Attentat in Villach stößt man mit medienrechtlichen Grenzen oft auf Unverständnis. Ein Überblick.

Der Sachverhalt scheint auf den ersten Blick klar: Es gab einen Anschlag, eine Person wurde rasch festgenommen. Videos zeigen seine Verhaftung, man kennt bereits Hintergründe seiner Radikalisierung. Und dennoch: Man schreibt von einem mutmaßlichen Täter. Warum - wo der Sachverhalt doch eindeutig scheint? „Die Unschuldsvermutung ist ein absoluter Schutz, unabhängig davon, ob der Vorwurf wahr ist oder nicht. Theoretisch könnte die Person ja auch unzurechnungsfähig und damit auch nicht schuldfähig im juristischen Sinn gewesen sein“, erklärt der aus Villach stammende Grazer Rechtsanwalt Stefan Lausegger, der auch die Kleine Zeitung medienrechtlich berät.

Das unverpixelte Zeigen des Täters sei hingegen eine Abwägung, die Redaktionen treffen müssten. Hier obliegt es jeder Redaktion selbst zu beurteilen, wen und welche Szenen sie zeigt. Wobei im Fall des Attentats von Villach die Polizei Privatpersonen und Medien um Zurückhaltung ersucht hat. Auch um Ermittlungen nicht zu gefährden.

Eine redaktionelle und keine medienrechtliche Abwägung: Zeigt man Personen verpixelt oder nicht? © KK

Erlittene Kränkung

Theoretisch könnte ein Täter - auch wenn hinterher seine Verurteilung rechtskräftig wird - sogar auf medienrechtliche Entschädigung klagen. Dann nämlich, wenn vor Rechtskraft eines Urteils auf die Erwähnung der Unschuldsvermutung verzichtet oder auch nur leichtfertig vergessen wird. „Die Entschädigung soll dann eine erlittene Kränkung abdecken“, erklärt Lausegger. Tatsächlich kommen solche Klagen in der Praxis auch vor.

Stefan Lausegger ist Medienrechtsexperte © Nikolai Hasenhütl

Der medienrechtliche Schutz gilt aber nicht nur für Täter, sondern freilich auch für Opfer und deren Familien. „Wer - und das gilt auch für soziale Netzwerke - Bilder der Opfer teilt und dadurch deren Identität enthüllt, kann sich auch strafbar machen“, betont Lausegger. Ebenso könne man sich mit Kommentaren auf sozialen Medien zivil- und strafrechtlich haftbar machen. „Da geht es zum Beispiel auch um den Tatbestand der Verhetzung“, sagt Lausegger.

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