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Nobelpreisträger zweifelt: „Vielleicht haben wir das Universum falsch verstanden“

Nobelpreisträger zweifelt Vielleicht haben wir das Universum falsch 
verstanden
Die Frage, wie schnell sich das Universum ausdehnt, sorgt für Kopfzerbrechen in der Kosmologie. Auch der Nobelpreisträger Adam Riess weiß nicht weiter.
  • Tanja Banner

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Die Frage, wie schnell sich das Universum ausdehnt, sorgt für Kopfzerbrechen in der Kosmologie. Auch der Nobelpreisträger Adam Riess weiß nicht weiter.

Baltimore – Die „Hubble-Spannung“ ist eines der größten Rätsel des Universums – ausgehend von einer Frage, die eigentlich einfach klingt: Wie schnell dehnt sich das Universum aus? Doch die Antwort ist alles andere als einfach und führt zu einem Mysterium, an dem sich die Astrophysik seit vielen Jahren die Zähne ausbeißt. Misst man die Expansion des Universums auf zwei unterschiedliche Arten, erhält man nämlich zwei unterschiedliche Ergebnisse.

Verwendet man die kosmische Hintergrundstrahlung, erhält man eine Expansionsrate von etwa 67 Kilometern pro Sekunde per Megaparsec (ein Megaparsec entspricht 3,26 Millionen Lichtjahren). Nutzt man einen Sternentyp namens Cepheiden für die Entfernungsmessung, beträgt die Expansionsrate etwa 73 Kilometer pro Sekunde per Megaparsec. Die Diskrepanz zwischen den beiden Werten ist die „Hubble-Spannung“, für die bisher keine Erklärung gefunden wurde.

„Hubble“-Spannung beruht offenbar nicht auf einem Messfehler

Manche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten bisher die Hoffnung, dass ein Messfehler des „Hubble“-Weltraumteleskops hinter der „Hubble-Spannung“ steckt. Doch diese Theorie räumt ein Forschungsteam um den Physiker Adam Riess von der Johns Hopkins University in Baltimore nun aus. Riess forscht bereits seit langem auf diesem Themenfeld, 2011 erhielt er gemeinsam mit anderen Forschern den Physik-Nobelpreis für die Entdeckung, dass sich die Expansion des Universums beschleunigt.

Die Galaxie NGC 5468 ist etwa 130 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Sie ist die am weitesten entfernte Galaxie, in der das „Hubble“-Weltraumteleskop Cepheiden entdeckt hat, die zur Entfernungsbestimmung in der Astrophysik genutzt werden. Die Aufnahme entstand durch eine Kooperation der Weltraumteleskope „James Webb“ und „Hubble“.

© NASA, ESA, CSA, STScI, Adam G. Riess (JHU, STScI)

Er sagt: „Wenn man die Messfehler ausklammert, bleibt die reale und aufregende Möglichkeit, dass wir das Universum falsch verstanden haben“. Der Nobelpreisträger und sein Team nutzten das „James Webb“-Weltraumteleskop (JWST), um herauszufinden, ob „Hubble“ Messfehler produziert hat. Die Studie wurde im Fachjournal The Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.

Expansion des Universums ist das größte Rätsel der Kosmologie

Zur Berechnung der Expansion des Universums wird die sogenannte „kosmische Entfernungsleiter“ verwendet wird. Jede Stufe dieser Leiter basiert auf der vorherigen Stufe – ein Messfehler zieht sich also durch alle Stufen. Die Cepheiden, die für die Ermittlung von Distanzen im Weltall genutzt werden, könnten zudem in größeren Distanzen schwieriger zu messen sein – etwa, weil sich ihr Licht mit dem Licht eines Sterns in der Nähe vermischt und sich beides schlecht auseinanderhalten lässt.

Doch während „Hubble“Aufnahmen auf größere Distanzen undeutlicher wurden, arbeitet das JWST einwandfrei und kann mit seinem scharfen Infrarotblick durch sämtlichen Staub im Weltall hindurchschauen und Sterne besser auseinanderhalten. „Die Kombination von ‚Webb‘ und ‚Hubble‘ bietet uns das Beste aus beiden Welten. Wir stellen fest, dass die ‚Hubble‘-Messungen auch dann noch zuverlässig sind, wenn wir die kosmische Entfernungsleiter weiter hinaufsteigen“, sagt Riess und fährt fort: „Wir haben jetzt den gesamten Bereich, den ‚Hubble‘ beobachtet hat, abgedeckt und können einen Messfehler als Ursache der Hubble-Spannung mit großer Sicherheit ausschließen.“

Warum Cepheiden zur Entfernungsmessung genutzt werden

Cepheiden sind sogenannte pulsationsveränderliche Sterne. Ihre Helligkeit verändert sich periodisch – diese Periode ist sehr genau bekannt. Die Leuchtkraft und die Periode der Helligkeitsschwankung stehen bei Cepheiden in Beziehung zueinander – weshalb die Forschung aus der Helligkeit und der errechneten Leuchtkraft die Entfernung zu dem Stern herleiten kann.

JWST-Messungen reichen 130 Millionen Lichtjahre weit ins Universum

Die neuen Messungen reichen bis in eine Entfernung von 130 Millionen Lichtjahren. „Wir sind bis ans Ende der zweiten Stufe der kosmischen Entfernungsleiter gegangen“, betont Gagandeep Anand vom Space Telescope Science Institute, das die Weltraumteleskope „Hubble“ und JWST betreibt.

„Wir müssen herausfinden, ob uns etwas entgangen ist und wie wir den Beginn des Universums mit der Gegenwart verbinden können“, fasst Riess die aktuelle Situation in einer Mitteilung zusammen. Helfen könnten dabei zwei Teleskope, die den Einfluss dunkler Energie im Universum untersuchen sollen: Das Esa-Weltraumteleskop „Euclid“ ist bereits aktiv, das „Nancy Grace Roman“-Weltraumteleskop der US-Raumfahrtorganisation Nasa soll 2027 starten.

Erst kürzlich hat das deutsche Weltraumteleskop eROSITA ein anderes kosmologisches Rätsel aufgeklärt: Die Frage, wie Materie im verteilt ist und wie verklumpt sie ist. (tab)

Rubriklistenbild: © NASA, ESA, CSA, STScI, Adam G. Riess (JHU, STScI)

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