Der Streit um Voltaren & Co. lässt Novartis alt aussehen
Pharmaindustrie
Voltaren & Co.: Unilevers Milliardengebot für GSK-Hausapotheke bringt Novartis in VerlegenheitDen Niederländern ist das ehemalige Geschäft von Novartis viele Milliarden mehr wert, als es den Baslern 2018 noch war.
Der niederländisch-britische Konsumgütermulti Unilever hat ein notorisches Wachstumsproblem. Die Entwicklung des Aktienkurses spricht Bände: Seit fünf Jahren ist der Wert der inzwischen nur noch an der Amsterdamer Börse kotierten Titel um rund 11 Prozent gefallen, während der niederländische Aktienmarktindex um über 60 Prozent gestiegen ist.
Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen. Ein Wichtiger ist, dass das Konsumentenvertrauen in die Überlegenheit globaler Markenprodukte generell abnimmt. Damit sind auch andere Konsumgütermultis wie Nestlé konfrontiert. Die Konzerne suchen deshalb nach Wegen, ihre Markenportefeuilles in geeigneter Weise umzubauen.
Schmerzmittel statt MargarineNestlé hat in den vergangenen Jahren etliche Marken etwa im Bereich der Tiefkühlkost veräussert, um sich stärker in der Welt der gesunden Ernährung zu positionieren. Unilever verkaufte 2017 das traditionsreiche Margarinegeschäft mit den Marken Rama und Becel für 6,8 Milliarden Dollar an den Finanzinvestor KKR, um einen Schwerpunkt bei Kosmetika und Körperpflegeprodukten zu setzen.
Vor diesem Hintergrund ist auch das kurz vor Weihnachten angekündigte Angebot zu sehen, das Unilever den Aktionären des britischen Pharmakonzerns GlaxoSmithKline (GSK) für deren Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten (OTC) versprochen hatte. Unilever will 50 Milliarden Pfund bezahlen. GSK hat das Angebot am Montag als ungenügend zurückgewiesen. Über den richtigen Preis lässt sich bekanntlich immer streiten. Die GSK-Führung vertritt die Ansicht, dass die geplante Abspaltung des OTC-Geschäfts vom restlichen Pharmabereich mit einer jeweils separaten Börsennotierung der Aktien einen höheren Mehrwert für die Aktionäre bringt als ein direkter Verkauf.
Der amerikanische Hedgefonds Elliott will GSK dagegen zu einem Verkauf drängen. Umgekehrt wollen Grossaktionäre von Unilever wie der britische Fondsmanager Terry Smith ihre Firma vor einer überteuerten Akquisition bewahren und vor allem eine Kapitalerhöhung verhindern.
Novartis hat das OTC-Geschäft für gut 12 Milliarden Franken verkauftDer schottische Unilever-Chef Alan Jope will sich derweil noch nicht geschlagen geben und erwägt, sein Angebot um 10 Prozent hochzuschrauben. Über diese astronomischen Zahlen werden sich Novartis-Chef Vasant Narasimhan und dessen Verwaltungsratspräsident Jörg Reinhardt am Hauptsitz von Novartis so ihre Gedanken machen.
Der Basler Pharmakonzern Novartis hatte seine Hausapotheke mit bekannten Marken wie Voltaren oder Neocitran 2015 in ein Joint Venture mit GSK eingebracht und dafür einen Anteil von 36,5 Prozent erhalten. 2018 verkaufte Novartis seinen Anteil an dem Gemeinschaftsunternehmen für gut 12 Milliarden Franken an GSK.
Jetzt wären für die Novartis-Aktionäre etliche Milliarden Franken mehr drinDas Übernahmeangebot von Unilever bewertet das OTC-Geschäft von GSK nun mit mindestens 62 Milliarden Franken. Würde dieses Geschäft immer noch zu 36,5 Prozent Novartis gehören, könnten die Basler für den Verkauf jetzt 10 Milliarden Franken mehr lösen als damals. Diese Rechnung ist zwar etwas allzu einfach, weil zum OTC-Geschäft von GSK 2019 auch das OTC-Geschäft von Pfizer hinzugekommen ist. Dennoch würden für Novartis aus heutiger Sicht wohl gegen 8 Milliarden Franken mehr drin liegen, zumal Voltaren unter den zehn umsatzstärksten globalen OTC-Marken jene mit dem grössten Wachstum ist.
Das Novartis-Management muss sich schon seit einiger Zeit mit dem Vorwurf von Aktionären herumschlagen, das Geld aus den vielen Firmenverkäufen der vergangenen Jahre in wenig aussichtsreiche Zukäufe gesteckt zu haben. Jetzt kommt auch noch der Verdacht hinzu, dass man das Tafelsilber einfach zu billig verscherbelt hat.
GSK hat der Fabrik in Nyon Sorge getragenImmerhin hat GSK dem Schweizer Produktionswerk in Nyon aber Sorge getragen. Während der frühere Novartis-Chef Joe Jimenez die Fabrik vor rund zehn Jahren noch schliessen wollte und nur auf Intervention des damaligen Novartis-Präsidenten Daniel Vasella davon Abstand nahm, ist die Zahl der Beschäftigten in der Waadtländer Betriebsstätte inzwischen auf über 1200 Mitarbeitende angewachsen. Wenn es nach den Plänen von GSK geht und das OTC-Geschäft verselbstständigt wird, solle der Standort Nyon sogar noch aufgewertet werden, weiss ein lokaler Unia-Mann.