Chinas Staatspartei nutzt künstliche Intelligenz für Propaganda
weltspiegel
Stand: 14.04.2024 09:30 Uhr
Ob für den Lokalsender oder die Auslandspropaganda, ob im Fernsehen, auf YouTube oder in eigenen Apps - Chinas Staatspartei setzt in den Medien zunehmend künstliche Intelligenz ein.
Ein riesiges Hochhaus ragt in den Himmel, im Vorort der 32-Millionen-Stadt Chongqing. Es ist der Sitz der staatlichen Parteizeitung. Hier geht es um Informationen für die Einwohner der Megametropole, könnte man meinen.
Doch die Etage im Erdgeschoss ist allein der ausländischen Propaganda gewidmet. Auf Englisch werden hier Artikel und Videos über Chongqing und China produziert. Das Besondere: Der Moderator vieler Nachrichtenbeiträge ist kein echter Mensch, sondern ein per künstlicher Intelligenz (KI) geschaffener Avatar. Der Inhalt seiner Beiträge: chinesische Propaganda.
Propaganda für die Welt
Insgesamt 20 staatliche Medienhäuser in China machen inzwischen Propaganda in mehreren Sprachen, die international verbreitet werden soll. Sie haben eigene Apps entwickelt - diejenige von Chongqing etwa heißt "Bridging News" -, haben eigene Websites oder Kanäle auf YouTube.
David Bandurski von der unabhängigen Forschungsgruppe China Media Project hat die Systematik dieser Propaganda-Initiative als erstes öffentlich gemacht. "Seit Jahren wird in China darüber gesprochen, wie KI besser nutzbar gemacht werden kann", sagt er. Im Bereich der Propaganda sei China jetzt schon führend darin, mithilfe dieser Technologie zu planen und sie einzusetzen.
Dutzende Sender mit KI-Moderatoren
Die globale Kommunikation und der Kampf um internationale Deutungshoheit haben hohe Priorität für Staats- und Parteichef Xi Jinping. In seiner Medienpolitikrede im Februar 2016 forderte Xi die Partei-Medien auf, "die Kapazitäten für internationale Kommunikation zu stärken und mehr den internationalen Diskurs zu prägen".
Gleichzeitig trieb die staatliche Verwaltung für Radio, Film und Fernsehen die Entwicklung von KI-Moderatoren voran. Schon in ihrem Fünfjahresplan aus dem Jahr 2021 schrieb das Gremium die "Förderung virtueller Moderatoren" vor. Inzwischen haben einige Dutzend TV-Sender in China künstliche Moderatoren.
Soll Nähe zum Publikum schaffen
Beim regionalen Parteisender in der Provinz Shandong im Osten Chinas ist beispielsweise eine interaktive KI-Moderatorin das Aushängeschild. Schon in der Eingangshalle des Medienhauses begrüßt sie auf einem großen Flachbildschirm die Besucher. Auf Knopfdruck können Interessierte ihr Outfit ändern und Fragen stellen. Sie soll Nähe zum Publikum schaffen, erklärt Nan Zhipeng, der Direktor des Programms.
Der Fernsehsender setzt Hai Lan, wie die digitale Moderatorin heißt, vor allem in den sozialen Netzwerken ein. Im Fernsehprogramm übersetzt sie Beiträge in Gebärdensprache. Hai Lan sieht eindeutig wie eine computeranimierte Figur aus. Es soll klar sein, dass die Moderatorin kein echter Mensch ist.
KI-Doubles echter Moderatoren
Aber Hai Lan ist nicht die einzige KI-Moderatorin beim regionalen Parteisender. Die Innovationsabteilung erstellt auch digitale Klone von echten Moderatoren. Su Xiaomei etwa, die vor allem Kultursendungen moderiert, sollte während der Zeit ihrer Schwangerschaft nicht aus dem Programm verschwinden. Daher produzierte der Fernsehsender ein digitales Double von ihr. Wie bei den meisten chinesischen TV-Sendern wird auch sie als KI-Klon kenntlich gemacht.
Den Erfolg der internationalen Kommunikation durch die neu aufgebauten Propaganda-Abteilungen will Bandurski von China Media Project noch nicht bewerten. Bisher haben viele der YouTube-Kanäle nur wenige Abonnenten. Unklar ist, wie oft die Apps mit englischen Informationen über China runtergeladen werden. Den Trend aber sieht Bandurski als besorgniserregend, denn durch viel Output werde letztlich auch etwas hängen bleiben. In der Zukunft sollen digitale Moderatoren öfter eingesetzt werden.
Diese und weitere Reportagen sehen Sie am Sonntag, 14.04.2024 um 18:30 Uhr im Weltspiegel.