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Actionspiel zum Langweilen: "Stellar Blade" fehlt es an guten Ideen - n-tv.de

Actionspiel zum Langweilen Stellar Blade fehlt es an guten Ideen  
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Eigentlich entwickelt das südkoreanische Studio Shift Up ausschließlich Handyspiele mit simplen Mechaniken und Figuren in knappen Outfits. Nun soll es ein ernstzunehmendes Actionspiel auf den Markt bringen. Leider geht das Projekt in die Hose -trotz ein

Eigentlich entwickelt das südkoreanische Studio Shift Up ausschließlich Handyspiele mit simplen Mechaniken und Figuren in knappen Outfits. Nun soll es ein ernstzunehmendes Actionspiel auf den Markt bringen. Leider geht das Projekt in die Hose -trotz eines großartigen Vorbilds.

Folgender Treppenwitz: Ein Studio, das bisher lediglich dafür bekannt ist, Teenagern mittels Langfinger-Handyspielen im Anime-Design das Geld aus der Tasche zu ziehen, soll plötzlich für den Branchenriesen Sony ein Actionepos für die Playstation 5 entwickeln. Nun kann besagtes Studio über sich hinauswachsen und mal eben die Videospielwelt auf den Kopf stellen. Soll es ja geben. Doch "Stellar Blade" von Shift Up, mehr Produkt als Werk, entpuppt sich als traurige wie auch ziemlich vorhersehbare Pointe, findet unser Tester.

Beeindruckend sind die Monster allemal.

Beeindruckend sind die Monster allemal.

(Foto: Screenshot/Shift Up)

Lange vor Erscheinen sorgt "Stellar Blade" bereits für viel Diskussionsstoff. Vor allem die Darstellung der weiblichen Figuren, allen voran der Protagonistin, löst eine Sexismus-Debatte aus. Während es bereits viele Spiele gibt, die sich von übersexualisierten weiblichen Körpern und verqueren Schönheitsidealen verabschiedet haben, etwa "Last of Us 2", macht "Stellar Blade" einen Sprint zurück, heißt: Frauen mit anatomisch fragwürdigen Rundungen und Quetschoutfits flik-flaken über Schlachtfelder und schmettern ihren Begleitern abseits davon bedeutungsschwangere Dialogzeilen um die Ohren.

Um Shift Up erstmal zu verteidigen: Das Studio hat nie irgendwas anderes gemacht. Alles aus der Feder des Entwicklers ähnelt mehr Masturbationsfantasien eines schrägen 13-Jährigen denn ernstzunehmenden Videospielwelten. Dennoch: Die Darstellung steht dem Studio frei, wichtig ist, ob ein gutes Spiel zustande gekommen ist. Und ja, während andere Spiele des Entwicklers grafisch und spielerisch stark reduziert sind, bietet "Stellar Blade" eine moderne Optik, so etwas Ähnliches wie eine Handlung und ein richtiges Kampfsystem. Gut ist allerdings nichts davon.

Lahme Geschichte

Angefangen bei der Handlung. Nach einem verlorenen Krieg mit den Naytibas, monströse Kreaturen mit monströsem Zerstörungsdrang, flüchten die Menschen ins Weltall. Protagonistin Eve soll nun zurück zur Erde, den Planeten von der Plage befreien und wieder bewohnbar machen. Schon im Voraus fielen die Parallelen zu "Nier: Automata" auf, ein Actionspiel, bei dem Roboter die Menschen von der Erde vertreiben und die Protagonisten im Namen der Menschheit losziehen, um … der Rest sollte klar sein.

In

In "Stellar Blade" herrscht ein schräger Dresscode.

(Foto: Screenshot/Stellar Blade)

Creative Director Hyung-Tae Kim macht keinen Hehl aus der Nähe, spricht in Interviews offen über die Inspiration, die er aus "Nier: Automata" gezogen hat. Blöd nur, dass der geistige Vater sich durch eine nuancierte Geschichte, existenzialistische Fragen und cleveren Antimilitarismus auszeichnet. "Stellar Blade" versucht sich gelegentlich auch daran, stolpert dabei aber regelmäßig ins Phrasenschwein. Kim hat die Ideologiekritik des Originals abgeschabt, um ein entpolitisiertes "Nier: Automata" zu schaffen - mit mehr nackter Haut.

Lahme Spielmechaniken

Hinsichtlich der Spielmechaniken sieht es auf den ersten Blick besser aus. Eve steuert sich geschmeidig und die Kämpfe gegen die mitunter offensichtlich von Horrorklassikern wie "Silent Hill" und "The Forest" inspirierten Monster fühlen sich wuchtig an. Pflügt Eve mit dem Schwert durch Gegner, rummst es; schießt sie aus der Ferne, knallt es. Timingbasierte Aktionen wie Parieren und Ausweichen sorgen nicht nur für Dynamik, sondern erfordern auch ein wenig Geschick. Fehler werden häufig mit dem Tod bestraft. Die Kämpfe sind schwer, jedoch weit von der nervenschindenden "Souls"-Reihe entfernt. Natürlich gibt es auch ein Hauch Progression in Form von Talentbäumen, die die Angriffspalette erweitern. Die Mindeststandards eines modernen Actionspiels erfüllt "Stellar Blade" also. Doch genau da ist der Haken.

Es mangelt an eigenen Ideen. Stattdessen schnappt sich Shift Up Funktionen, die andere Spiele deutlich besser umgesetzt haben, etwa das perfekte Parieren in "Sekiro: Shadows Die Twice", um sie lieblos zu verwursten. Alles funktioniert, aber nichts wirklich gut. Die wuchtigen Kämpfe verlieren mit der Zeit ihren Reiz, die Block-Parade-Reaktionstests nutzen sich recht schnell ab, sind zudem unstet - mal ist das Zeitfenster riesig, mal winzig. Es fehlt schlicht an Tiefe. "Stellar Blade" ist zwar ein Medley aus allen Hits der letzten Jahre, ja, aber ein schief gesungenes.

Lahme Spielwelt

Innerhalb der Spielwelt gibt es wiederum nichts Einzigartiges zu entdecken. Überall zerstörte Gebäude, an denen sich Efeu hochschlängelt, kahle Wüsten, bisschen graublaues Gewässer, viele verfallene Industriehallen, wirklich alles ist völlig leblos. Offenbar folgt "Stellar Blade" einer Binse: Sind die Landschaften tot und die Häuser leer und schief, dann ist das wohl 'ne Dystopie.

Alles ist meist grau und düster.

Alles ist meist grau und düster.

(Foto: Screenshot/Stellar Blade)

Schade, dabei hat es sich Shift Up leicht gemacht. Das Studio verzichtet auf ein Open-World-Korsett, das Entwickler zwingt, eine vollkommen schlüssige Spielwelt zu schaffen. Doch die teiloffenen Areale sind völlig frei von originellen Designideen, was spätestens beim fünften Mal stressigem Rumsuchens nach einem Schalter, Hebel oder Zugangskarte fürs Weiterkommen klar wird. Alles sieht gleich aus und ist darüber hinaus so öde, dass der Forscherdrang irgendwo in den grauen Staubwüsten versandet. Nie stellt sich die Frage, wie das Leben zuvor ausgesehen haben könnte. Eine Antwort darauf gibt es trotzdem – und hier zeigt sich nicht nur mangelnder Einfallsreichtum, sondern auch eine technophile Ideologie.

Noch vor Auftauchen der Monster, trieb der Klimawandel den Planeten an seine Belastungsgrenzen. Bevor aber steigende Hitze, zunehmende UV-Strahlung, übersäuerte Gewässer alles Leben auslöschen konnten, sorgte ein Unternehmen mittels genetischer Eingriffe für deutlich resilientere Menschen. Technologieoffenheit und das Innovationsstreben entpuppten sich als Rettung, eine Vision im Geiste Elon Musks. Als wäre das nicht genug, gibt es noch überdrehten Militarismus.

Lahme Kriegspropaganda

"Stellar Blade" greift auf das abgenutzte Bild eines gerechten Krieges zurück. Die Monster erinnern entfernt an humanoide Wesen, sind aber in ihrem auf Kampf getrimmten Design, etwa Kettensägenköpfe und Schwertarme, reine Tötungsmaschinen ohne Motive. Die müssen natürlich bekämpft werden, allein zur Rettung der Menschheit, des Planeten und so weiter.

"Nier Automata" zeigte vor Jahren, dass es auch anders geht. Die vermeintlich bösartigen Roboter sind mit süßen Kugelkörpern knuffig gestaltet, manche bezeichnen sich sogar als Pazifisten. Mit der Zeit verschwimmen die Grenzen zwischen Angreifer und Angegriffenem und es wird für die Spieler sowie die Protagonisten unklar, warum man eigentlich kämpft. Mehrere Hauptfiguren mit mehreren Perspektiven verhindern zudem, dass sich die Spieler mit einer Figur identifizieren. In "Nier Automata" gibt es weder Helden noch Gut und Böse; in "Stellar Blade" gibt es eine Heldin und einen Feind.

Es ist nicht schlimm, dass Shift Up ideologischen Murks liefert und sich dafür fleißig bei einigen Spielen bedient. Im Kultursektor ist gerade letzteres völlig normal, immerhin steckt hinter jedem Fantasy-Epos auch ein wenig Tolkien, hinter jeder Cyber-Dystopie Gibson. In Videospielen sind Anleihen sogar nötig. Mit jeder neuen und gelungenen Mechanik wächst das Repertoire, mit dem sich Spiele noch abwechslungsreicher, noch immersiver, noch besser gestalten lassen. "Stellar Blade" bedient sich allerdings nur, ohne etwas draus zu machen. Nein, eigene Ideen fehlen, Tiefe fehlt, es ist Schund, nicht weit entfernt von Shift Ups Smartphone-Irrsinn.

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