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30 Jahre PlayStation: Sony übernimmt das Steuer

30 Jahre PlayStation Sony übernimmt das Steuer
Am 3. Dezember 1994 erscheint in Japan die PlayStation. Sony verweist Nintendo und Sega auf die Plätze – und gibt bis heute den Ton an.

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Was sich in 30 Jahren so ansammelt – die PlayStation kreeirte ein eigenes Spiele-Ökosystem samt Medien und Zubehör.

(Bild: René Meyer)

Am 3. Dezember 1994 erscheint in Japan die PlayStation. Sony verweist Nintendo und Sega auf die Plätze – und gibt bis heute den Ton an.

Während man in diesen Tagen vielleicht überlegt, ob man sich die sündteure PS5 Pro [1] unter den Weihnachtsbaum legt, so ist die Entscheidung vor 30 Jahren noch viel einfacher: Wenn Konsole, dann bitte Sonys brandneue PlayStation! Jedes Jahrzehnt hatte in den ersten dreißig Jahren digitaler Spiele die eine Konsole, die eine Marke, die es ausmacht. In den Siebzigern ist es das Atari. In den Achtzigern ist es das Nintendo. Und in den Neunzigern ist es die Playsi. Die PSX. Der Codename, einem Schlachtruf gleich.

Es ist die erste Konsole, die sich 100 Millionen Mal verkauft. Der Außenseiter Sony zieht mit Spielen wie "Ridge Racer" an den Veteranen Nintendo und Sega vorbei und übernimmt die Marktführerschaft, was später auch Microsoft ermuntert, eine Konsole zu entwickeln. Die Generation Nintendo der achtziger Jahre ist erwachsen geworden; und sie findet mit der PlayStation eine erwachsene Konsole. Mit schnellen 3D-Grafiken und einem fetzigen Sound.

Sony Computer Entertainment

Animes und Mangas wie "Sailor Moon", "Dragonball" und "One Piece" werden in den neunziger Jahren international erfolgreich – und wecken die Neugierde, mehr über japanische Kultur zu erfahren.

Viele wollten nicht darauf warten, bis die PlayStation im September 1995 nach Deutschland kommt. Manche fliegen gar nach Japan, um sich eine Konsole und Spiele zu besorgen. Das Internet macht es später leichter: Versandhändler wie Lik-Sang mit Sitz in Hongkong verschicken in die ganze Welt. Es gibt so viele Gründe für einen Import: Die amerikanische und japanische TV-Norm NTSC läuft mit 60 Hertz, das europäische PAL mit 50. Viele Spiele kommen erst viel später oder gar nicht oder schlecht umgesetzt oder geschnitten oder werden indiziert (wie "Resident Evil 2"). Import-Profis haben Spiele eher und besser – und machen sich über die "Palis" lustig, was für das europäische Fernsehsystem "PAL" steht.

Playstation One – Hardware und Screnshots (0 Bilder) [2]

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Klingende Silberscheiben

Die PlayStation ist eigentlich nicht besonders innovativ, denn nur wenige Tage zuvor erscheint der gleichwertige Sega Saturn. Sie macht nur alles richtig. Sie wird zu einem Kampfpreis angeboten – 299 Dollar in den USA; in Deutschland zunächst 599 Mark, später 399. Sie ist eine reine Spielmaschine, keiner der vielen Multimedia-Player, die zu jener Zeit vorgestellt werden, für Fotos, Spielfilme und Lexika.

Sony Computer Entertainment

Der berauschende Platz einer CD-ROM, die sich zu jener Zeit erst langsam auf dem PC etabliert, mit Vorzeige-Titeln wie "Rebel Assault", wird für anderes eingesetzt: für bessere und schönere Spiele. Mit Sprachausgabe, Video-Sequenzen und Audio-Tracks. Viele Discs kann man in einen CD-Player einlegen und unabhängig von der Konsole anhören. Und das lohnt sich, denn zum ersten Mal kann man bekannte Künstler originalgetreu in die Spiele einbetten. Etwa die Chemical Brothers und The Prodigy in der "WipeOut"-Serie. Dabei ist es praktisch, dass der Sony-Konzern auch eine Plattenfirma besitzt.

Musikspiele werden erst auf der PlayStation zu einem eigenen Genre. Man denke an das putzige "Parappa the Rapper", an "Beatmania" mit seinem Plattenteller-Controller und natürlich an "Dance Dance Revolution" mit einer Tanzmatte. "Guitar Hero" und "DrumMania" fügen Gitarre und Schlagzeug hinzu.

(Bild: Sony Computer Entertainment)

Den entscheidenden Vorteil einer CD-ROM gegenüber einem Steckmodul für die Spieler darf man nicht unter den Tisch kehren: Sie lässt sich leicht kopieren. Wohl prüft die Konsole, ob ein Spiel ein Original ist, doch man findet schnell Lösungen, um den Test zu überlisten. Bei der ersten Revision mit dem "Swap-Trick": Man legt ein Original in die Konsole und ersetzt es nach dem Check durch eine Kopie. Später mit einem "Mod-Chip", den zahlreiche Dienstleister für wenig Geld einbauen und der dafür sorgt, dass die Konsole Kopien liest. Es ist Fluch und Segen zugleich, dass sich viele eine PlayStation wohl auch deswegen anschaffen, weil die Spiele, nun ja, weil die Spiele umsonst sind. Vorausgesetzt, man hat Zugriff auf einen der damals noch sündteuren CD-Brenner samt PC.

Die Spiele

Und was es für Spiele gibt! Sony verbündet sich mit Namco, um dessen 3D-Arcade-Hits wie "Ridge Racer" und "Tekken" in die Wohnzimmer zu bringen. 1993, ein Jahr vor der Veröffentlichung der PlayStation, übernehmen sie das britische Studio Psygnosis ("Lemmings"). Noch mehr Signalwirkung hat das Abwerben von Square. Die sind mit der Rollenspiel-Serie "Final Fantasy" auf dem NES erfolgreich geworden, finden aber die Möglichkeiten der CD-ROM zu verlockend. "Final Fantasy VII" (auf drei Discs) wird das zweiterfolgreichste Spiel der PlayStation. Das erfolgreichste? Nicht überraschend: "Gran Turismo" mit knapp 10 Millionen Verkäufen.

Wie viele PlayStation-Spiele es gibt, kann niemand genau sagen. Winnie Forster schreibt in seinem Buch "Gameplan" von 3.000. Das sind mehr als bei jeder anderen Konsole; doch andere Schätzungen gehen bis zu 8.000. Für jeden ist etwas dabei: viel Japan wie Konami, viele große amerikanische Publisher wie Electronic Arts und Activision, viele europäische Hersteller wie Ubi Soft - und sogar, und das ist neu, deutsche. Wie das "Moorhuhn".

(Bild: Sony Computer Entertainment)

Viele Spiele-Serien sind mit der PlayStation verbunden und wachsen mit ihr:

"Tomb Raider" mit der tapferen Lara Croft, mittlerweile 100 Millionen Mal verkauft und bisher dreimal verfilmt.

"Resident Evil" von Capcom, die das (eigentlich von "Alone in the Dark" begründete) Genre des Survival Horrors populär macht, Vorbild für Spiele wie "Silent Hill" und "Clock Tower" und ebenfalls vielfach verfilmt.

Auch "Grand Theft Auto" startet auf der PlayStation (und dem PC), zunächst noch in der Vogelperspektive, bevor die Serie auf der PlayStation 2 ihren Durchbruch hat: Drei der fünf meistverkauften Spiele für die Konsole sind "GTA"-Teile.

Ikonische Charaktere wie Nintendo hat Sony zunächst noch nicht, aber der Beuteldachs "Crash Bandicoot", der freilich mit Blick auf Mario und Sonic erdacht wird, schlägt sich als eines der ersten 3D-Jump'n'Run-Spiele bestens: Die Trilogie ist auf Platz 7, 8 und 11 der meistverkauften Spiele für die Konsole.

(Bild: Sony Computer Entertainment)

Platz 6 nicht vergessen: "Harry Potter und der Stein der Weisen". Das ist erstaunlich, weil zum Zeitpunkt des Erscheinens die PlayStation 2 bereits seit einem Jahr auf dem Markt ist. Andererseits ist es der erfolgreichste Spielfilm 2001, noch vor "Der Herr der Ringe". Die Spiele zur Filmreihe von Peter Jackson kommen erst für die PlayStation 2.

Entwickler-Version Net Yaroze

Während heute selbst kleine Indie-Entwickler für die großen Konsolen Spiele entwickeln dürfen, ist das dreißig Jahre zuvor praktisch unmöglich. Eine erste Tür öffnet Sony 1996 mit einer speziellen Version der PlayStation für Hobby-Entwickler: Net Yaroze. Sie ist mit Einschränkungen verbunden; so müssen Spiele in den RAM passen, dürfen also nicht auf die CD zugreifen, und sie laufen nur auf einer Net Yaroze, von der es in Europa ungefähr 1.000 gibt. Aber man kann sich in speziellen Foren untereinander austauschen; und im Einzelfall schaffen es Spiele auf die Cover-Disc von Zeitschriften oder erhalten eine reguläre Veröffentlichung.

Cheats, Cheats, Cheats

Es ist auch die große Zeit der Cheats. Viele PlayStation-Spiele haben Schummel-Codes eingebaut. Es gibt die ersten Websites mit Cheats, Tricks und Lösungen. Das ist eine ganz neue Qualität im Vergleich zu Zeitschriften, die nur für einige wenige Spiele helfen können. Aber vor allem gibt es die Cheat-Module wie GameBuster und Xploder. Sie überschreiben die Speicherzellen, in denen Werte wie Anzahl der Leben oder das Guthaben gespeichert sind, fügen Gegenstände zum Inventar und schalten Orte frei. Eine Aufgabe, die beim Heimcomputer bis hin zum PC sogenannte Trainer lösen. Manche Code-Ermittler sind wahre Zauberkünstler, lassen etwa Lara Croft durch die Lüfte schweben und durch Wände laufen.

Auch die Spielstände sind vor Mogelei nicht sicher. Mit Geräten wie dem DexDrive werden die Dateien am PC ausgelesen. Das spart nicht nur Geld für weitere Memory Cards. Man kann sich Rundum-glücklich-Spielstände aus dem Netz laden, mit Freunden tauschen oder mit einem Hex-Editor manipulieren.

Die Entstehung der PlayStation

Wie Sony zu einer Spielkonsole kommt, ist Stoff für Legenden. Während Nintendo mit der NES-Konsole groß wird, konzentriert sich Sony auf die Heimcomputer-Plattform MSX, die man in Europa kaum kennt, aber die in Japan populär ist. Die Idee: Die Rechner sind von verschiedenen Herstellern, aber kompatibel miteinander. Sony baut einen MSX-Rechner namens Hit-Bit (mit überschaubaren Erfolg) und veröffentlicht eine ganze Reihe von Spielen. Ende der achtziger Jahre entwirft Sony den Sound-Chip für das Super Nintendo und vereinbart 1988 eine Zusammenarbeit rund um das kommende Super Nintendo: Sony soll ein CD-Laufwerk für das NES und das Super Nintendo entwickeln – will aber parallel ein eigenes Gerät auf den Markt bringen, das Nintendo-Spiele ablaufen lassen kann.

Kurz vor der Ankündigung auf der CES 1991 bekommt Nintendo kalte Füße. Man will nicht die Kontrolle aus der Hand geben und womöglich einen Konkurrenten heranzüchten. Da Nintendo USA parallel mit Philips zu einem ähnlichen Thema verhandelt, kommt es zu einem Eklat: Sony kündigt eine "Play Station" als Kooperation zwischen Sony und Nintendo an – und am nächsten Tag gibt Nintendo auf der Messe bekannt, mit Philips rund ums Thema CD-ROM zusammenzuarbeiten.

Nintendo stellt sich selbst ein Bein

Der Rest ist Geschichte. Ein CD-ROM-Laufwerk für das NES und das Super Nintendo erscheint nie; Philips veröffentlicht einige Spiele von fragwürdiger Qualität mit Mario und Zelda für das CD-i. Und Sony arbeitet an einer eigenen Konsole ohne Nintendo. Viele im Unternehmen sind davon nicht begeistert. Die einen weisen darauf, dass Sony bisher in allen Sparten profitabel ist – außer bei Computern. Die anderen verstehen nicht, wieso eine seriöse Firma nun "Spielzeug" veröffentlichen soll.

(Bild: Sony Computer Entertainment)

Vater der Konsole ist Ken Kutaragi, der bereits den Sound-Chip für das Super Nintendo entworfen hat und sich seit Jahren mit 3D-Grafik beschäftigt. Ein Schlüsselmoment ist, als Sega 1993 "Virtua Fighter" als Spielautomat veröffentlicht: Schnelle 3D-Animation, in Echtzeit in der Spiele-Engine gerendert, das ist die Zukunft. Den Controller schaut man sich von Nintendo ab. Genau wie die Farbe des Gehäuses. Manche bei Sony hätten lieber schwarz gehabt.

(Bild: Sony Computer Entertainment)

Das Werbebudget ist beim Start vergleichsweise niedrig. Es sind eher die schlauen Ideen, wie der skurrile Spot mit dem "Alien-Mädchen", der weder die Konsole noch Spiele zeigt (gleich dem "1984"-Spot von Apple); nur übertroffen durch den verstörenden PS2-Spot von David Lynch einige Jahr später. Der tut dem Nachfolger keinen Abbruch: Die PlayStation 2 wird deutlich erfolgreicher und mit 160 Millionen Geräten die erfolgreichste Konsole aller Zeiten, wenngleich Nintendo Switch dicht auf den Fersen ist. Mit der PlayStation 3 gibt es einen kleinen Knick: Microsoft hat mit seiner zweiten Xbox dazugelernt und schließt auf. Mit der PlayStation 4 und der 5 macht Sony wieder Boden gut: Das Verhältnis zur Xbox ist heute nach Verkaufszahlen 2:1.

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