In Hofburg angelobt: Schallenberg übernimmt Kanzleragenden
„Eine der Aufgaben des Bundespräsidenten ist, dafür zu sorgen, dass zu jedem Zeitpunkt, zu jeder Minute eine Regierung im Amt ist, die das Land lenken kann und in der Europäischen Union vertreten kann“, so Van der Bellen. Dieser Aufgabe komme er nun nach. Er bedankte sich bei Schallenberg und dessen Vorgänger Nehammer.
Die letzten Tage seien „turbulent“ gewesen, sagte Van der Bellen weiters. Nehammer hatte am Wochenende sowohl die Parteiführung als auch das Amt des Regierungschefs zurückgelegt. Daraufhin hatte Van der Bellen FPÖ-Parteichef Herbert Kickl den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt.
Am Freitag fand auch noch ein Gespräch zwischen Schallenberg und Ex-Kanzler Nehammer statt. Dieser zeigte sich nicht mehr öffentlich, wandte sich aber in einem online verbreiteten Video an die Bevölkerung. Darin sagte er ein weiteres Mal, dass er auf die drei Jahre seiner Kanzlerschaft mit Dank und großem Respekt zurückblicke. Jeder Tag sei eine Ehre gewesen, dem Land „und Ihnen allen“ zu dienen. Was auch in Zukunft bleibe, sei seine „unerschütterliche Liebe“ zu Österreich.
Schallenberg als Bundeskanzler angelobt
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) ist am Freitag als Kanzler angelobt worden. Damit übernimmt er übergangsweise die Agenden von Karl Nehammer (ÖVP), der nach dem Scheitern der Koalitionsgespräche zurückgetreten war.
Bereits zum zweiten Mal Kanzler
Schallenberg ist nun zum zweiten Mal interimistisch Kanzler, insgesamt hat er bereits acht Angelobungen hinter sich. Er wird Außenminister bleiben, bis es eine neue Regierung gibt. Noch für den Freitag ist ein Telefonat mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz (SPD) geplant, am Wochenende soll er mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen telefonieren. Anfang kommender Woche plant er einen Antrittsbesuch bei der EU in Brüssel. Aufgrund seines Wechsels ins Kanzleramt musste er seine als Außenminister geplanten Reisen nach Syrien und in die Türkei verschieben.
Debatte
Wie geht es innenpolitisch weiter?
Der Diplomat sprang bereits nach dem Rückzug von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) infolge von Korruptionsvorwürfen von Oktober bis Dezember 2021 als Kanzler ein. Ihm folgte nach zwei Monaten Nehammer wieder in Personalunion von Parteiobmann und Regierungschef bis zu seinem Rückzug. Für Nehammer kam eine Koalition mit der FPÖ unter Kickl nicht infrage.
Schallenberg: Kein Ministeramt unter FPÖ
Auch Schallenberg schloss am Freitag erneut aus, unter einem Kanzler Kickl ein Ministeramt anzunehmen. Seine Partei wiederum nahm angesichts der neuen Entwicklungen die Einladung zu Koalitionsgesprächen mit der FPÖ an.
Der derzeitige ÖVP-Chef Christian Stocker betonte, dass es gerade bei Themen wie Pressefreiheit, Unabhängigkeit von Russland und europäischer Zusammenarbeit „ehrliche Antworten“ brauche. Wichtig sei für die ÖVP die „Souveränität Österreichs statt Einflussnahme aus dem Ausland, Partnerschaft in Europa statt Abschottung“. Kickl ließ wissen, dass es ein Bewusstsein geben müsse, „wer jetzt die Wahl gewonnen hat und wer eben Zweiter geworden ist und nicht der Sieger ist“.
FPÖ-ÖVP-Gespräche zum Budget
Bereits am Freitag wollen sich die Koalitionsverhandler der beiden Parteien zum Budget austauschen. Die ÖVP habe sich damit einverstanden gezeigt, dass für Österreich vor dem Hintergrund des bestehenden Milliardenbudgetlochs ein EU-Defizitverfahren abgewendet werden soll, hieß es dazu in einer FPÖ-Aussendung am Donnerstag.
Auch bei den gescheiterten Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS war das Budget der größte anzugehende Brocken und sorgte für viel Missstimmung. Diese Aufgabe wird auch für eine mögliche blau-schwarze Koalition nicht geringer. Dementsprechend dürften die Koalitionsverhandlungen wohl nicht so rasch über die Bühne gehen. Ausgegangen wird dem Vernehmen nach von zumindest einem Monat.