Attacken im Roten Meer: Huthi-Miliz bedroht Welthandel - n-tv.de
Attacken im Roten Meer Huthi-Miliz bedroht Welthandel
29.01.2024, 09:53 Uhr Artikel anhörenFertigungsteile und Hilfsmittel aus Asien kommen nicht oder sehr verspätet an. In Autofabriken stehen Produktionsbänder still und für europäische Kaufhäuser bestimmte Frühjahrskollektionen stecken fest. Mit ihrem Beschuss von Frachtschiffen im Roten Meer erzwingen die Huthis höhere Handelskosten.
Die Angriffe der Huthi-Kämpfer im Roten Meer sind nach Pandemie und Ukraine-Krieg ein weiterer Schock für den Welthandel. Mit dem erklärten Ziel, die Hamas im Gazastreifen zu unterstützen und Israel zu schwächen, attackiert die Miliz Schiffe auf dem Weg von Asien nach Europa und weiter Richtung Ostküste der USA. So drängt sie den Frachtverkehr vom Suezkanal ab und um die Südspitze Afrikas herum. Das bedeutet einen viel längeren Weg, mehr Zeit, hohe Kosten.
Je länger der Krieg im Gazastreifen dauert, desto stärker die Bedrohung für den Welthandel: Eine einjährige Störung des Verkehrs durchs Rote Meer könnte die Warenpreise um zusätzliche zwei Prozent in die Höhe treiben, erklärt Ryan Petersen vom Logistik-Unternehmen Flexport. Derzeit seien die Verbraucher ohnehin mit steigenden Preisen für Leben und Wohnen belastet. Petersen spricht zudem von Chaos, das damit verursacht werde. "Und Chaos führt zu höheren Kosten", sagt er. "Jedes Schiff, das umgeleitet wird, hat 10.000 Container an Bord. Es fallen viele E-Mails und Telefonanrufe an, um jede dieser Containerrouten neu zu planen."
Das Unternehmen "Man & Machine" stellt in Maryland Hilfsmittel für Krankenhäuser her und wartet auf eine Lieferung aus Fernost, die längst hätte eintreffen sollen. Normalerweise kommen die nötigen Komponenten im Monatsrhythmus, nachdem sie über die Suez-Route drei Wochen auf See waren, wie Firmenchef Clifton Broumand sagt. Eine Umleitung über den Pazifik und durch den Panamakanal sei nun auch nicht möglich gewesen, da die Passage in Mittelamerika wegen Dürre und geringen Wasserstands behindert war. Jetzt muss die Fracht möglicherweise über den Pazifik bis Los Angeles reisen und dann per Zug oder LKW nach Maryland an die Ostküste der USA transportiert werden. Wann die Ware eintrifft, kann Broumand überhaupt nicht einschätzen.
Tesla, Volvo, Suzuki: Bänder stehen still
Auswirkungen zeigen sich bereits quer durch die Branchen. Der Autobauer Volvo fuhr seine Produktion in Gent, wo Kombis und SUVs hergestellt werden, für mehrere Tage herunter, weil ein wichtiges Teil für die Getriebe fehlte. Auch Tesla musste in seinem Werk Grünheide in Brandenburg die Bänder weitgehend stilllegen, ebenso Suzuki in Ungarn.
Ein anderes Beispiel ist die Modeindustrie. So meldete etwa die britische Kaufhauskette "Marks & Spencer" Verzögerungen bei ihrer Frühjahrskollektion, die im Februar und März in den Verkauf gehen sollte. "Alle sind davon betroffen", beklagt Geschäftsführer Stuart Machin.
Etwa 40 Prozent der Kleidung und 50 Prozent der Schuhe, die nach Europa importiert werden, kommen nach Angaben aus der Branche normalerweise über das Rote Meer. In den USA seien es 20 Prozent, sagt der Präsident des amerikanischen Handelsverbands AAFA, Steve Lamar. "Dies ist eine Krise mit globalen Auswirkungen auf die Handelsschifffahrt", betont er.
Nächster Schock für Welthandel?
Laut Flexport sind die Kosten für den Transport eines rund zwölf Meter langen Standardcontainers von Asien nach Nordeuropa seit Mitte Dezember von weniger als 1500 US-Dollar (knapp 1400 Euro) auf fast 5500 US-Dollar gestiegen. Für den Mittelmeerraum schnellten die Kosten der Frachtbuchungsplattform Freightos zufolge von 2400 US-Dollar Mitte Dezember auf fast 6800 US-Dollar hoch.
Die enormen Preise von vor zwei Jahren, inmitten der massiven Lieferkettenprobleme, sind allerdings noch nicht erreicht. Damals kostete der Containertransport das Doppelte bis Dreifache des jetzigen Preises. "In Bezug auf Lieferkettenunterbrechungen sind wir nicht einmal annähernd auf dem Stand dessen, was während der Pandemie passierte", sagt die Ökonomin Katheryn Russ von der University of California.
Bislang melden viele Unternehmen noch, dass ihre Lieferungen nicht oder kaum betroffen seien. Für Flexport-Chef Petersen ist letztlich für die Verbraucherpreise entscheidend, wie lange die Bedrohung im Roten Meer anhält. Wenn die Reedereien den Suezkanal ein Jahr lang meiden müssten, wäre das "wirklich eine große Sache".