Ansarollah-Attacken: Der teure Umweg ums Kap, Tageszeitung junge Welt, 01.02.2024
Mehr als drei Dutzend Angriffe der jemenitischen Ansarollah (»Huthis«) auf Schiffe im Roten Meer haben den interkontinentalen Seehandel seit Mitte November getroffen. Wie berichtet, geben die Ansarollah an, es auf Schiffe mit Fracht von und nach Israel abgesehen zu haben, um so die Palästinenser in Gaza zu unterstützen. Aber sie halten sich nicht immer daran; auch Schiffe mit anderen Ausgangs- oder Zielhäfen waren bereits betroffen. In den vergangenen Wochen scheinen die Angriffe etwas abgenommen zu haben – kein Wunder, mittlerweile haben mehr als 2.000 Handelsschiffe zwischen Asien und Europa den zeitaufwendigen und teuren Umweg um das Kap der Guten Hoffnung genommen. Die durchs Rote Meer und den Suezkanal transportierten Frachtmengen sind entsprechend drastisch eingebrochen. Was die militärischen Attacken insbesondere der USA und Großbritanniens – die EU will sich ja ebenfalls beteiligen – zu dieser Entwicklung beigetragen haben, ist offen.
Ende voriger Woche berichtete Reuters, chinesische Offizielle seien in Teheran vorstellig geworden und hätten »gebeten, bei der Eindämmung der Angriffe der vom Iran unterstützten ›Huthis‹ auf Schiffe im Roten Meer zu helfen«; andernfalls könnten die Geschäftsbeziehungen mit Beijing gefährdet sein. Anonym bleibende iranische Quellen sollen dies an Reuters herangetragen haben, das chinesische Außenministerium habe allerdings auf Anfrage der Agentur bislang nichts bestätigt. Unwahrscheinlich klingt das ganze nicht, schließlich sind erhebliche Teile des Seehandels zwischen Europa und Ostasien, also auch China, betroffen – klar, dass eine Beeinträchtigung dieses Warenaustauschs in Beijing nicht gern gesehen wird. Und dabei ist die Volksrepublik – mit deutlichem Handelsbilanzüberschuss – Irans größter Handelspartner, also in starker Position.
Laut aktueller Seefrachtratenindexangaben haben die Angriffe der Ansarollah die Transportkosten auf der wichtigen Handelsroute zwischen Asien und Europa massiv in die Höhe getrieben. Noch weitaus drastischer als der vor knapp drei Wochen veröffentlichte »Shanghai Containerized Freight Index« (SCFI) drückte dies Ende vergangener Woche der »World Container Index« (WCI) von Drewry aus: Die Londoner Consultingfirma bezifferte die Raten für einen 40-Fuß-Container auf der Route Shanghai–Rotterdam aktuell auf 4.984 US-Dollar, Ende Oktober vergangenen Jahres waren es noch rund 1.000 US-Dollar.
Die Umwege um das Kap der Guten Hoffnung stören die nach der Pandemie mühsam wiederhergestellte Verlässlichkeit der Lieferketten. Während der bündnisgrüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor rund zwei Wochen auf dem Jahrestreffen des »Weltwirtschaftsforums« in Davos die Verzögerungen noch abtat (»Alle sagen mir, das renkt sich wieder ein«), hat der US-Elektroautobauer Tesla seine Produktion im Werk Grünheide bei Berlin bis zum 12. Februar aufgrund einer »Lücke in den Lieferketten« weitgehend gestoppt. Weitere derartige Meldungen werden vermutlich in Kürze folgen. Das kapitalnahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) konstatierte jüngst bereits, dass 90 Prozent der Unternehmen in NRW mit anhaltenden Lieferstörungen rechneten.
Die Verbraucher dürften die jetzige Verfünffachung der Transportkosten in den nächsten Monaten im Portemonnaie spüren. Habeck soll in Davos zwar beschwichtigt haben, die Transportkosten spielten hier »keine so große Rolle«. Doch laut Bloomberg haben britische Supermarktketten bereits auf das Risiko steigender Preise hingewiesen.
Logistikexperten rechnen schon bald mit erheblichen Schwierigkeiten: Das bevorstehende chinesische Neujahrsfest – am 10. Februar wird das »Jahr des Holzdrachen« beginnen – führt traditionell zu erhöhtem Frachtaufkommen und Kapazitätsengpässen. Die Schiffahrt müsse auf Umleitungen und Verspätungen mit zusätzlicher Tonnage reagieren. Das sei nicht unbedingt effizient, aber nur so könnten die Fahrpläne einigermaßen eingehalten werden, so die Drewry-Analysten in London. Sie erwarteten Staus, verstopfte Häfen, Containerknappheit und verstärkte Probleme beim Einhalten von Zeitplänen.