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Neues Rammstein-Album »Zeit«: Das Ende der Schockrocker

Neues RammsteinAlbum Zeit Das Ende der Schockrocker
Mit provozierenden Auftritten sind sie bekannt geworden, geblieben sind nur Altherrenwitze über Botox und Brüste: Das neue Album von Rammstein könnte ihr letztes sein – schlimm wär’s nicht.

Schon länger wurde gemutmaßt, dass Rammstein, 1994 in Berlin gegründet, mit »Zeit« vielleicht ihr letztes Album veröffentlichen würden. Nachdem man es in Gänze gehört hat, ist diese Vorstellung nicht sehr schockierend. Die Zeit dieser großen, auch international erfolgreichen deutschen Band, scheint vorbei zu sein. Was bleibt, sind ein paar zackige Gitarrenriffs, ein paar lustig in den Mix gestreute Synthesizersounds und Höhö-Texte über Kondome, Botox und große Brüste. Die Buhmänner von einst, gefürchtet und bewundert für ihre martialischen Auftritte und ihre auf dem R rollenden Echos teutonischer Großmannssucht, schrumpfen mit ihren neuen Liedern auf Altherrenwitz-Format.

»Dicke Titten« zum Beispiel entlarvt zwar im Text den deutschen Michel als brustfixierten Simpel, eignet sich jedoch auch hervorragend zum bierseligen Mitgrölen im Stadion oder beim Oktoberfest. Ebenso »OK«, dessen griffiger Refrain »Ohne Kondom, ohne Kondo-ho-ho-hom« lautet und die eigene kreative Schlappheit mehr oder minder subtil thematisiert: »Hoch liegt die Latte, sollte stehen/ Sollte man nicht so eng sehen.« Nimmt man’s als Satire, erinnert das Lied ein wenig an den Stil der österreichischen Comedy-Popband Erste Allgemeine Verunsicherung. Endstation Klamauk.

Dazu kommt, dass der einst schroffe Industrial-Metal-Sound der Band jetzt allzu schlagerhaft klingt. Manches animiert zum Schunkeln, etwa die Dunkelmunkel-Hymne »Schwarz«, für die anscheinend der erfolgreiche deutsche Shanty-Rock von Santiano Pate stand. Santiano galten eigentlich mal als maritimer Rammstein-Ersatz, nun wirken die Zausel von der Waterkant fast grimmiger als das Original.

»Adieu«, das gemächlich in den Sonnenuntergang rollende Schlusslied, kann man sich gut als zart-hartes Requiem auf Begräbnissen verstorbener Rockfans vorstellen. »Ein letztes Mal, so singen wir/ Adieu, Goodbye, auf Wiedersehen/ Den letzten Weg musst du alleine gehen«, heißt es im Text, dazu seufzt eine Gitarre sentimental in die Ewigkeit. Das Provokanteste an Rammstein 2022 ist für Fans sicherlich dieser neue, gezähmte Musikstil.

Nonstop Nonsens gegen den Schönheits- und Jugendwahn

Vielleicht muss ein künstlerischer Zerrspiegel wie Rammstein seinen Schrecken verlieren, wenn sich in der Gegenwart realer Horror manifestiert, der Krieg in der Ukraine ebenso wie gewaltsame Übergriffe und Antisemitismus bei rechten Kundgebungen und »Spaziergängen« von sogenannten Querdenkern. Womit will man angesichts solcher Nachrichtenbilder noch provozieren?

Gegen Ende der Neunzigerjahre, als sich die Deutschen auf der sicheren Seite der Geschichte wähnten und ihren neuen Hedonismus auf Loveparades feierten, bastelten Rammstein Szenen aus Leni Riefenstahls NS-Propagandafilm »Olympia« in ein Musikvideo und sorgten mit Lindemanns germanischem Grollgesang für Unbehagen. Den immer wieder unterstellten Flirt mit Rechts haben Rammstein allerdings schon früh im Song »Links 2-3-4« ins Reich der Musikkritikerfantasie verbannt: »Sie wollen mein Herz am rechten Fleck, doch/ Seh’ ich dann nach unten weg/ Da schlägt es links«, hieß es bereits 2001.

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