Peter Klimek: Komplexitätsforscher und Corona-Erklärer • NEWS.AT
Steckbrief
- Name: Peter Klimek
- Geboren am: 17. August 1982, Österreich
- Ausbildung: Studium der theoretischen Physik an der Uni Wien, 2010 Promotion zum Doktor der Physik; 2018 Habilitation in "Computational Science" (Computerwissenschaften).
- Beruf: Physiker und Komplexitätsforscher
- Familienstand: liiert, Vater zweier Kinder
Der Komplexitätsforscher Peter Klimek ist im Laufe der Corona-Krise zu einem der wichtigsten Berater avanciert. Seit 2021 gehört er dem Covid-Krisenkoordination "GECKO" - unter der Leitung von Rudolf Striedinger und Katharina Reich - an. Der studierte Physiker ist assoziierter Professor an der Medizinischen Universität Wien und hat bereits über 60 Publikationen verfasst. Seit 2017 ist er Fakultätsmitglied des "Complexity Science Hub Vienna" (CSH). Dieser wurde 2015 als "Verein zur wissenschaftlichen Erforschung komplexer Systeme" gegründet und wird von Universitäten und Forschungseinrichtungen als Mitglieder getragen.
"Ehrenringträger" und kritische StimmeAls Mitglied von CSH haben er - beziehungsweise das ganze Team - die Modellrechnungen zur Covid-19-Pandemie erstellt. Der Forschungsschwerpunkt von Klimek liegt auch genau dort: nämlich in Bezug auf die Medizin neue Methoden zur komplexen Analyse und Modellierung riesiger Datenmengen, den sogenannten "Big Data", zu entwickeln. Seine Expertise in Physik, Statistik, Komplexitätswissenschaft und Datenwissenschaft soll die Vorhersagen zu komplexen sozioökonomischen Systemen wie etwa dem Gesundheitssystem, Wirtschafts- oder Finanzsystemen verbessern. Klimek ist zudem Teil des Covid-Prognose-Konsortiums im Bundesministerium für Gesundheit.
Das Buch "Introduction to the Theory of Complex Systems" mit Peter Klimek als Co-Autor können Sie hier erwerben.*
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Für seine Arbeit wurde er im Oktober 2021 mit dem "Paul-Watzlawick-Ehrenring" der Ärztekammer Wien ausgezeichnet. In seiner Dankesrede kritisierte der Ehrenringträger die vorhandene Impfskepsis und Resistenz. Er sagte aber auch: "Die gute Nachricht ist, und damit komme ich zurück zu Paul Watzlawick: Solche Kreisläufe können durchbrochen werden. Hier ein paar neue Self-Fulfilling-Prophecies: Eindämmungsmaßnahmen wirken. Elimination kann sehr wohl eine Pandemie-Option sein. Und wir schaffen Digitalisierung! Wenn wir daran glauben, wird es viel einfacher werden, eine nächste Pandemie zu bewältigen."
Kritisiert hatte Klimek in Bezug auf die Corona-Maßnahmen auch den für ihn nur "schwer nachvollziehbaren" Länder-"Fleckerlteppich". Dass Regionen mit höheren Inzidenzen mit weniger strengen Regelungen öffnen, sei aus epidemiologischer Sicht unlogisch. Die große Unbekannte sei laut Klimek die Corona-Variante Omikron. Gemeinsam mit einer Reihe von Experten berät er immer wieder die politische Spitze zur aktuellen Corona-Situation.
Auszeichnung als "Wissenschaftler des Jahres 2021"Nun wurde er auch als "Wissenschaftler des Jahres 2021" ausgezeichnet. Gewählt haben den unermüdlichen Covid-19-Prognostiker und -Mahner die Mitglieder des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten. Mit der übergebenen Auszeichnung wird u.a. seine Vermittlungsarbeit rund um die Pandemie gewürdigt. Klimek habe sich kaum träumen lassen, die Auszeichnung zu erhalten: "Wie sich das in den letzten Jahren beschleunigt und entwickelt hat, macht mich eigentlich sprach- und fassungslos", sagte der Wissenschafter im Gespräch mit der APA.
Erklären "warum Wissenschaft etwas Cooles und Sinnvolles ist""Ich habe die Aufgabe des Wissenschafters immer schon so verstanden, dass Kommunikation ein großer Teil davon ist." Es gehe auch darum, weniger wissenschaftsaffinen Menschen erklären zu können, "warum das etwas Cooles und Sinnvolles ist", sagte der Forscher, der seine Vermittlungsarbeit nun auch viel mehr in den politischen Kontext einbetten musste und seine Aussagen mitunter plötzlich auch politisch verwendet sieht: "Das war sicher eine neue Herausforderung."
Plötzlich bekannt - und sein Umgang damitSich auf einmal in den meistgesehenen Nachrichtensendungen wiederzufinden, war für Klimek ebenso neu. Er habe sich früher oft darüber "innerlich extrem aufgeregt", dass dort Menschen auftraten, "die zehn Minuten reden und nichts sagen. Da habe ich mir vorgenommen: Sollte ich einmal dort sitzen, sage ich einfach, was los ist". Er schätze es, dass man als Wissenschafter vielfach freier sprechen könne als so mancher Politiker - "selbstverständlich immer verankert in der Evidenz, wo es unser Tagesgeschäft ist, diese aufzubereiten".
FamilienvaterSein Privatleben hält der Wissenschaftler weitgehend bedeckt. Abseits der Arbeit ist er Familienvater von zwei kleinen Kindern. Viel Freizeit bliebt dem Komplexitätsforscher in Zeiten der Pandemie wohl nicht: "Die Arbeitslast korreliert stark mit den Infektionszahlen. Je höher die Zahlen, desto mehr habe ich zu tun. Dann muss man halt auch am Abend und an den Wochenenden arbeiten", sagte er 2021 in einem Interview mit noe.ORF.at. Für seine Kinder, die noch den Kindergarten besuchen, versuche er sich trotz Arbeitslast Zeit freizuhalten. Wenn er zuhause sei, verwende er kein Smartphone mehr, "sondern ein Handy, mit dem ich nicht im Internet surfen kann. Dann hat man gleich viel mehr Zeit für die Familie", sagt Klimek.
Seine eigene KindheitSelbst ist Klimek in einer niederösterreichischen Weinbauernfamilie aufgewachsen und war der erste in seiner Familie, der die Matura abgelegt und studiert hat. Schon als Kind hat er im familieneigenen Heurigenbetrieb mitgeholfen. Als Jugendlichen faszinierten ihn die Quantenteleportations-Experimente Zeilingers und er machte sich daran, die Hintergründe zu verstehen. Nach der Übersiedlung der Familie nach Wien war für den sehr guten Schüler, der seine Hausübungen gerne schon in der Schule erledigte, um Zeit für andere Aktivitäten zu sparen, klar, dass er Physiker werden wollte.
Sein ErfolgswegSo startete er sein Physikstudium an der Universität Wien. Im Gegensatz zur Schule musste der nach eigenen Angaben auch stark an den Vorzügen des Studentenlebens interessierte Student hier zu Beginn härter arbeiten, um mitzukommen. Seine Diplomarbeit schrieb er auf dem Gebiet der theoretischen Quanteninformation am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Dann wandte sich sein Interesse jedoch der Chaos-Forschung zu.
Abseits der Physik befasste sich Klimek auch schon früh mit Philosophie, deren Studium er bis zum ersten Abschnitt absolvierte, und geisteswissenschaftlichen Themen. Diese Offenheit für Themen und die Suche nach Erkenntnissen sollte ihm so schnell nicht abhandenkommen.
Der Physiker wird KomplexitätsforscherAls PhD-Student heuerte Klimek bei Stefan Thurner an, mit dem er heute am Complexity Science Hub (CSH) Vienna und an der Medizinischen Universität (MedUni) Wien zusammenarbeitet. In der Forschungsgruppe für Komplexe Systeme der MedUni näherte sich Klimek verschiedensten Forschungsfragen an. Darunter waren auch Arbeiten zu gesellschaftlichen Problemen, wie der Bürokratie. Die Basis waren immer Daten, die er mittels computergestützter methodischer Zugänge analysierte. Der Physiker wurde zum Komplexitätsforscher.
Inhaltlich beschäftigt sich Klimek bereits seit ungefähr zehn Jahren sehr stark mit medizinischen Fragestellungen. Dafür ausschlaggebend war auch eine Krebserkrankung in der Familie. So trieb Klimek u.a. die Frage an, warum junge und sportliche Menschen derart erkranken.
Pläne für die Zeit nach der PandemieLetztlich habe sich gezeigt, dass man mit Datenforschung einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen kann, so Klimek. Das tut der nunmehrige Preisträger auch im Zusammenhang mit der Coronapandemie. Sollte die Pandemie abebben, wolle er weiter an der bei weitem nicht trivialen Frage arbeiten, "wie gesund wir Österreicherinnen und Österreicher eigentlich sind", so Klimek.