1930–2025: Otto Schenk ist tot
Jene Exzellenz, der er seine Popularität verdankte, erwarb er im schwierigsten Fach: dem Humor, den er zeitlebens sehr ernst nahm. Mit Wortwitz und – selbst in jungen Jahren – Lebensweisheit reklamierte er sich in die Herzen der Menschen, seit er unter Karl Farkas im Kabarett debütierte. Klassiker wurden die „Lacherfolge“ in Doppelconference mit Helmut Lohner und sein Requisiteursmonolog „Die Sternstunde des Josef Bieder“. Ein spätes Highlight war auch „Zu blöd, um alt zu sein“ mit Michael Niavarani. Selbst wenn nur seine Stimme zu hören war, brachte er das Publikum zum Lachen und berührte zugleich tief.
Seine Synchronisation des Animationsfilms „Oben“ mit österreichischem Idiom wurde viel beachtet. In der österreichischen Version des Disney-Films von 2009 lieh er dem liebenswerten Misanthropen Carl Federicksen seine Stimme. Damit gelang ihm in hohem Alter das Kunststück, auch bei den Jüngsten zu punkten. Ein anspruchsvolles Publikum, das ernst zu nehmen sei, so Schenk: Kinder, sagte er, solle man „nie für Trottel halten“. Für sie müsse man Geschichten besonders spannend erzählen.
Österreich
Große Trauer um Otto Schenk
Startschuss für ein Bühnenleben
Schenk, am 12. Juni 1930 in Wien geboren, war Sohn eines österreichischen Notars und einer italienischen Mutter, beide katholisch. Die Großeltern väterlicherseits waren zwar getauft, aber jüdischer Herkunft. Die Nazi-Rassengesetze stuften ihn daher als „Mischling“ ein, so entkam er dem Terror und überlebte die Zeit der Barbarei, wenn auch nur knapp. Nach der Matura an der Stubenbastei – einer seiner Kommilitonen war Friedrich Gulda – wechselte er nach zwei Semestern Rechts- und Staatswissenschaften an der Wiener Uni ans Max-Reinhardt-Seminar.
Seine Theaterkarriere begann in den 1950er Jahren im Theater der Jugend in Wien. Am Volkstheater und in der Josefstadt als Schauspieler, später auch als Regisseur aktiv, etablierte er das Theater des „Absurden“ mit Stücken von Samuel Beckett und Eugene Ionesco. Und er erwies sich früh als Meister jener Komödie, der Tragik innewohnt. Als Kabarettist trat er im Simpl auf. 1956 heiratete er die Kollegin Renee Michaelis, die er am Reinhardt-Seminar kennengelernt hatte – eine Verbindung fürs Leben, die nach über sieben Jahrzehnten durch Renee Schenks Dahinscheiden getrennt wurde. Sie starb nach langer Krankheit im April 2022.
Zunächst war sie, die von ihrem Ehemann liebevoll „Mika“ genannt wurde, selbst noch als Schauspielerin aktiv, bevor sie die eigene Karriere auch zugunsten ihres Otto aufgab. So war sie etwa in der legendären ORF-Serie „Familie Leitner“ als Maria zu erleben. Und an der Josefstadt war sie etwa in der Saison 1955/56 als Ida in „Bei Kerzenlicht“ von Karl Farkas und Siegfried Geyer, 1958/59 als Daisy Delahay in der Boulevardkomödie „Charleys Tante“ und zuletzt 1968/69 als Yvonne in „Herzliches Beileid“ von Georges Feydeau zu sehen. Da war bereits der gemeinsame Sohn Konstantin der Schenks auf der Welt, der 1957 geboren wurde. Im selben Jahr gab Otto Schenk sein Debüt als Opernregisseur mit Mozarts „Zauberflöte“ am Salzburger Landestheater.
Bockerer und Bernhard
Schenk spielte und inszenierte an den bedeutendsten Opernhäusern der Welt: an der Wiener Burg und großen deutschen Bühnen ebenso wie an der Mailänder Scala. 30 verschiedene Opern allein an der Wiener Staatsoper, 15 an der Metropolitan Opera New York: „Ich weiß gar nicht, wann das war und wie man das überhaupt kann. Wenn man mich vorher gefragt hätte: ‚Willst du 30 Opern an der Staatsoper machen?‘, hätte ich ihn für wahnsinnig erklärt. Ich hab’s auch nicht geglaubt, bis man mir die Liste vorgelegt hat“, notierte Schenk in seiner Biografie „Ich bleib noch ein bissl“.
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Für ihn sei Musik eine Sprache, oder – wie der Dirigent Nikolaus Harnoncourt zu sagen pflegte – Sätze, die komponiert werden, „nur halt in Tönen“, fasste er sein Credo in seinen Erinnerungen zusammen. Spielend begeisterte er im „Bockerer“, in „Der Bauer als Millionär“ und in Thomas Bernhards „Theatermacher“. Peter Turrini schrieb ihm Rollen auf den Leib: in „Josef und Maria“, „Grillparzer im Pornoladen“ oder „Liebe in Madagaskar“.
In den 1980ern war er zwei Jahre lang Direktoriumsmitglied bei den Salzburger Festspielen, 1988 bis 1997 Direktor an der Josefstadt. Er war Kammerschauspieler und Ehrenmitglied von Wiener Staatsoper und Theater in der Josefstadt, zum 80er wurde er „Bürger von Wien“.
Lachen gegen die Angst
„Die Kunst, zum Lachen zu bringen, ist Otto Schenk wie kaum einem anderen gegeben. Weil dieses Lachen aber mit dem geheimen Erkennen menschlicher Fehlbarkeit verbunden ist, lieben ihn die Menschen“, lautete im Jahr 2000 die Begründung für den „Nestroy“ für sein Lebenswerk. „Otto Schenk hilft ihnen, im Lachen für Augenblicke ihre Ängste aufzulösen. Und tröstet sie damit über eigenes Missgeschick, eigene Schwächen hinweg. So ist er zum populärsten Schauspieler Österreichs geworden.“
„Das größte Abenteuer“, hat Schenk einmal gesagt, sei „das Leben selbst“. Das Schrecklichste seien „Krieg und Verfolgung durch die Nazis“ gewesen und das Schönste, dass man das überlebt habe. Zu sehen, dass der Friede wieder eingekehrt sei.
Das Abenteuer ist gelebt, die Geschichte zu Ende erzählt. Zu ersetzen ist er nicht. Hinterlassen hat er viel. „Leben“, notierte er in seinen Erinnerungen, „tut man doch nur, solange man lebt. Und bleiben tut man manchmal länger, als man lebt. Und dann will ich auch nicht nur ein bissl bleiben, wenn ich nicht mehr lebe. Also bleib ich noch ein bissl.“