1942–2025: Oliviero Toscani ist tot
Oliviero habe „seine nächste Reise angetreten“, hieß es in der Mitteilung seiner Familie. Der Präsident der Toskana, in der Toscani zuletzt lebte, würdigte den Fotografen als „Meister der Fotografie und Freigeist“. „Sein Genie wird uns weiterhin inspirieren“, schrieb Eugenio Giani in sozialen Netzwerken.
Im August offenbarte Toscani in einem Interview, an der Krankheit Amyloidose erkrankt zu sein – einer seltenen Krankheit, die zu Organversagen führt. „Praktisch lagern sich Proteine an bestimmten lebenswichtigen Punkten ab und blockieren den Körper. Und man stirbt. Es gibt keine Heilung“, sagte der Fotograf. Zuletzt habe er sich einer experimentellen Behandlung unterzogen.
Arbeiten für „Elle“ und „Vogue“
Toscani, in Mailand geboren und aufgewachsen, blieb nach der Schule nicht lange in Italien. Er studierte von 1961 bis 1965 Fotografie und Grafik an der Kunstgewerbeschule in Zürich. Anschließend arbeitete er für Modezeitschriften wie „Elle“ und „Vogue“. Der erste Preis für eine Schwarz-Weiß-Studie über den Zürcher Flughafen brachte ihn Mitte der 60er Jahre nach New York, wo er sich im Kreis um den Pop-Art-Künstler Andy Warhol (1928–1987) bewegte. Es war die große Zeit von Disco, Schwulenbewegung und schwarzer Subkultur.
Mit einer Werbekampagne für die Marke Jesus Jeans erregte er 1973 erstmals Aufmerksamkeit: Sein Plakat zeigte den Hintern eine Frau in einer Hotpant mit dem Spruch „Wer mich liebt, der folgt mir“, einem Jesus-Zitat. Als die italienische Modemarke Benetton Anfang der 1980er Jahre ihre internationale Expansion plante, wurde Toscani als Gestalter engagiert.
Legendäre Werbekampagnen für Benetton
Mehr als 15 Jahre lang fotografierte er schließlich Werbekampagnen für Benetton. Für Aufsehen und Debatten sorgten etwa seine Abbildungen eines Priesters und einer Nonne, im Kuss vereint, eines blutverschmierten Neugeborenen noch an der Nabelschnur und eines Aids-Kranken auf dem Sterbebett.
Nachdem er für eine neue Kampagne in US-Gefängnissen zum Tode verurteilte Häftlinge in fast schon heiliger Pose fotografiert hatte, nahmen Filialen in den USA Benetton aus dem Sortiment. Die Firma setzte ihn vor die Tür. Nach einer kurzen Rückkehr beendete der Konzern 2020 die Zusammenarbeit mit Toscani endgültig.
Mit dem Mitbegründer und langjährigen Chef des Benetton-Konzerns, Luciano Benetton, verband Toscani eine anhaltende Freundschaft. Er habe mit Toscani verrückte Dinge gemacht, so Benetton. Unter anderem habe er sich nackt für eine Kampagne zur Wiederverwertung gebrauchten Gewandes fotografieren lassen, schrieb Benetton im Februar 2022 anlässlich von Toscanis 80. Geburtstag in einem ganzseitigen Inserat in der Mailänder Tageszeitung „Corriere della sera“.
Toscani habe jahrelang gegen jegliche Form von Intoleranz gekämpft und den globalen Dialog über heikle Themen wie Aids, Krieg, Rassismus und Umwelt gefördert, schrieb Benetton über seinen „genialen Freund“.