Warum es so schwer ist, Proben vom Mars auf die Erde zu bringen
16.04.2024
Franziska Bechtold
Zu teuer, zu langwierig: Die NASA kann es sich nicht mehr leisten, die wertvollen Bodenproben abzuholen und sucht Alternativen.
Über den Roten Planeten rollt seit 2021 der NASA-Rover Perseverance. Eines seiner wichtigsten Ziele ist das Entnehmen von Bodenproben. In Sand und Steinchen vom Jezero-Krater, einem ausgetrockneten See, könnten die Hinweise auf Leben schlummern, auf die Forscher*innen weltweit gespannt warten.
Doch die Proben müssen irgendwie auf die Erde gelangen. Mit dem „Mars Sample Return“-Programm hat die NASA zusammen mit der europäischen Weltraumagentur ESA ein Konzept ausgearbeitet, wie dieses Unterfangen gelingen kann. Doch das gerät jetzt ins Wanken.
Dauert zu lange, ist zu teuer
Im September 2023 brachte ein unabhängiger Bericht im Auftrag der NASA 2 ernüchternde Fakten zutage. Mit erwarteten Kosten zwischen 8 und 11 Milliarden Dollar statt der geplanten 4 Milliarden ist die Mission viel zu teuer.
Außerdem werden die Proben nach aktuellem Plan frühestens 2040 auf der Erde ankommen und das ist den Verantwortlichen zu spät. NASA-Chef Bill Nelson erklärte in einer Pressekonferenz, dass die Mission in ihrer jetzigen Form nicht durchführbar ist. 2040 solle bereits das Jahrzehnt der bemannten Marsmissionen beginnen.
3 Missionen für einen Probenkanister
Doch was war eigentlich der Plan? Aktuell sammelt Perseverance bei Mission Nummer 1 jeweils 2 Proben auf dem Mars. Eine Probe wird eingesteckt, eine wird liegen gelassen. Der Plan ist es, sie bei Mission Nummer 2 gleichzeitig mit einem weiteren, kleineren Rover oder 2 Helikoptern im Stil von Ingenuity abzuholen. Je nach Landeplatz werden die liegengelassenen Proben eingesammelt oder das Gesamtpaket von Perseverance abgeholt.
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In den kommenden Jahren sollen Rover bzw. Helikopter zusammen mit der Rakete „Mars Ascent Vehicle“ (MAV) im „Mars Sample Retrieval Lander“ zum Roten Planeten fliegen. Es wäre der größte Lander, der je auf dem Mars aufsetzen würde. „Das ist nicht trivial. Eine Marslandung ist immer ein Risiko“, beschreibt der Planetologe Ralf Jaumann von der FU Berlin der futurezone die erste große Hürde dieser Mission. Er war für das Deutsche Institut für Luft- und Raumfahrt an der Marsmission beteiligt.
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Die nächste Herausforderung sei es, die Proben zu finden. „Man kann einen Rover nicht einfach von der Erde aus mit einem Joystick steuern. Die Signalverzögerung beträgt 10 bis 20 Minuten“, erklärt Jaumann. Gelingt das Einsammeln, werden sie in einem Zylinder ins MAV verfrachtet. Die Rakete schießt sie dann ins All und entlässt sie in den Marsorbit.
Einfangen soll das Probenpaket der Earth Return Orbiter (ERO) der ESA bei der dritten und letzten Mission. ERO soll die größte Sonde sein, die jemals um den Roten Planeten gekreist ist. Die Sonde soll den Probenkanister sicher verstauen, damit er unterwegs nicht beschädigt wird. ERO setzt die Proben auf der Erde ab und fliegt schließlich weiter, um in der Sonne zu verglühen.
Warten auf den richtigen Moment
Allerdings kann man nicht jederzeit wieder vom Mars losfliegen. Der Mars braucht für das Umkreisen der Sonne 687 Tage. Damit man die kürzeste Reisezeit von 6 Monaten zwischen Erde und Mars erreicht, muss man warten, bis Mars und Erde am nächsten beieinander sind - also im schlimmsten Fall jeweils 2 Jahre für Hin- und Rückflug.
Ursprünglich hoffte man, die Proben im Jahr 2033 im US-Bundesstaat Utah in Empfang nehmen zu können. Doch die Mission verzögert sich immer weiter und je länger man wartet, desto höher schießen auch die Kosten.
Gleichzeitig musste die NASA in den vergangenen Jahren immer mehr Budgetkürzungen hinnehmen. Das Fazit der Angelegenheit: Es gibt auch noch andere Wissenschaftsprojekte und es sei nicht vertretbar, dass Mars Sample Return das gesamte Budget schluckt.
Suche nach Alternativen
Deswegen hat die NASA dazu aufgerufen, Alternativvorschläge einzureichen, um die Proben billiger und schneller abzuholen. „Das ist definitiv ein sehr ambitioniertes Ziel und wir müssen nach innovativen neuen Möglichkeiten und Designs suchen“, sagte die NASA-Wissenschaftsdirektorin Nicola Fox bei der Pressekonferenz. Möglich sei etwa, eine kompaktere und einfacherer Rakete als MAV einzusetzen. Ziel sei es, die Kosten zwischen 5 und 7 Milliarden Dollar zu halten.
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„Die NASA könnte kommerzielle Anbieter finden, die eine billigere Rakete zur Verfügung stellen. Man kann hier auch kein großes Risiko eingehen“, schätzt Jaumann die Lage ein. „Vom Mars zurück zur Erde zu fliegen, das wurde noch nie gemacht“. Es muss also wohlüberlegt sein, welche Rakete man zum Roten Planeten schickt und ob sie den anderen Bedingungen – geringere Schwerkraft, extreme Temperaturen, geringerer Luftdruck und Staubstürme – dort gewachsen ist. Ein Fehlschlag könnte die Mission weit zurückwerfen.
Die NASA hat mit privaten Unternehmen wie SpaceX, Boeing, Lockheed Martin, Northrop Grumman bereits einige verlässliche Vertragsnehmer. Auch einige Start-ups wie Astrobotic gewinnen derzeit für Mondmissionen das Vertrauen der Weltraumagentur.
Außer einer billigeren Rakete sieht Jaumann kaum Möglichkeiten, die Mission zuneu zugestalten. Selbst wenn die NASA eine geeignete Alternative findet und sie früher als 2030 auf den Weg bringen kann, lässt sich die 2-jährige Wartezeit am Mars nicht reduzieren. Wirklich verkürzen lässt sich die Mission also schwer.
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Europa hält an der Mars-Mission fest
Doch was bedeutet das für den europäischen Beitrag? Immerhin geht es nicht um lose Absprachen, sondern vertraglich festgelegte Vereinbarungen. Deshalb zeigen sich sowohl NASA als auch ESA bezüglich des Starts von ERO zuversichtlich.
„Unsere Priorität ist es, weiterhin den besten Weg für die bahnbrechenden wissenschaftlichen Ziele von Mars Sample Return zu finden und damit auch den Grundstein für bemannte Missionen zum Mars zu legen“, erklärt Gruppenleiter der Mars-Erforschung bei der ESA, Orson Sutherland, in einem Statement gegenüber der futurezone.
Die Proben können warten
Schafft es die NASA nicht, die Kosten zu drücken, könnten die Proben einfach auf dem Mars bleiben. „Denen passiert nichts, die kann man auch in 20 Jahren noch abholen“, so Jaumann. Doch dann fehlt für eine solche Mission die Erfahrung jener Personen, die aktuell am Projekt arbeiten. Die könne man nicht einfach für die nächste Generation niederschreiben, man müsste wieder von neuem beginnen. Das wird teuer.
Gescheitert ist die Mars-Mission nicht, wenn die Proben auf dem Roten Planeten bleiben. Perseverance hat ein eigenes Labor an Bord, das rudimentäre chemische und geologische Untersuchungen machen kann. „Ich freue mich über jedes Bild und jede Messung. Aber nur auf der Erde kann man die Signaturen von Leben finden“, erklärt Jaumann die immense Wichtigkeit der Mission für die Forschung.
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Nur im irdischen Labor lässt sich aber eine Isotopenverteilung machen. Damit würde man nicht nur erfahren, ob es einmal Leben auf dem Mars gab, sondern auch wann und wie es aussah. Dieses Wissen würde gänzlich neue Perspektiven auf die Entwicklung des Sonnensystems und auf die Vergangenheit und Zukunft der Erde eröffnen.