Unter Segeln zu den Sternen, NASA testet neues Sonnensegel als Antriebssystem
Das am 23. April von Neuseeland aus gestartete Advanced Composite Solar Sail System (ACS3) ist gerade einmal so groß wie ein Mikrowellenherd, könnte die Raumfahrt aber dank treibstoffsparende Segeltechnik revolutionieren und bisher unmögliche Langzeitmissionen ermöglichen. Um die Erdanziehungskraft mit herkömmlicher Raketentechnik zu überwinden ist jeden Menge Treibstoff nötig. Rund 90 Prozent der Startmasse einer Rakete nimmt der für den Start nötige Treibstoff ein. Um im Weltraum selbst weiter zu beschleunigen, stehen daher kaum noch Reserven zur Verfügung. Außerdem verringert jedes zusätzliche Gramm Treibstoff die Nutzlast. NASA und andere Weltraumagenturen arbeiten daher seit Jahren daran Raumfahrzeuge mit Hilfe des Sonnenwindes anzutreiben. Die Idee ist simpel: Die Sonne sendet einen kontinuierliche Teilchenstrom ins All, stattet man das Raumfahrzeug mit einem Reflektor aus, so lässt sich der Impuls der Photonen für den Vortrieb nutzen. Die Energie der einzelnen Photonen ist zwar winzig klein, mit einem entsprechend großen Reflektor und genügend Zeit lassen sich aber enorme Geschwindigkeiten erreichen - und das ganz ohne Treibstoff zu verbrauchen.
Die Segelstellung steuert die Umlaufbahn
Genau mit dieser Technik ist das Advanced Composite Solar Sail System der NASA ausgestattet. Für den Start benötigt der Satellit eine konventionelle Rakete, im Orbit in 1000 Kilometern Höhe angekommen, soll ein 80 Quadratmeter großes Solarsegel ausgerollt werden. Anschließende soll das ACS3 seine Umlaufbahn allein durch Verändern der Segelstellung beeinflussen können. Die Mission zielt darauf ab, die Effizienz und Zuverlässigkeit von Sonnensegeln durch den Einsatz neuer Materialien zu verbessern. Dazu gehören vor allem die rollbaren Kohlefaserausleger, gegenüber traditionellen aus Metallen gefertigten Konstruktionen sind sie leichter, flexibler und widerstandsfähiger gegen die extremen Temperaturschwankungen im Weltraum.
Ein weiterer Vorteil der CFK-Ausleger liegt in ihrer Kompaktheit vor dem Start. Wie Alan Rhodes, leitender Systemingenieur der Mission am Ames Research Center der NASA, betonte: "Sieben Meter der entfaltbaren Ausleger können in eine Form zusammengerollt werden, die in die Hand passt." Diese Eigenschaft macht sie ideal für den Transport ins All und eröffnet neue Möglichkeiten für zukünftige Missionen. Beispielsweise zu eisbedeckten Monden wie Europa oder Enceladus, wo Bedingungen herrschen könnten, die außerirdisches Leben ermöglichen. Bisher waren solche Ziele nur schwer zu erreichen, da die Raumsonden viel Treibstoff mitnehmen mussten und die nötigen Manöver auszuführen.
Ein besonders faszinierender Aspekt dieser Mission ist die Sichtbarkeit des Sonnensegels von der Erde aus. Nach seiner vollständigen Entfaltung wird das Segel so hell glänzen wie Sirius – der hellste Stern am Nachthimmel.
Segellatten nach dem gleichen Prinzip
Seglern dürfte die Idee mit aufrollbaren Profilen bekannt vorkommen, beispielsweise funktionieren die von Harken und Rutgerson entwickelten Roller-Battens nach einem ähnlichen Prinzip. Die Segellatten für Rollvorsegel nutzen allerdings kein Kohlefaserlaminat, sondern lediglich einen gewölbten Edelstahlstreifen. Eine weitere Anwendung sind der aufrollbare Bootshaken und die UKW-Notantenne von Revolve.