Kruse-Transfer spaltet die Meinungen
Mo 31.01.22 | 22:47 Uhr
Nach nur eineinhalb Jahren hat Union Berlin seinen Topscorer Max Kruse an den VfL Wolfsburg verloren. Der Stürmer hinterlässt eine Lücke in Köpenick. Sein Wechsel erhitzt die Gemüter - und spaltet die Fans in ihren Meinungen.
Nach 45 Plichtspielen verabschiedet sich Stürmer Max Kruse aus Köpenick. Das klingt im ersten Moment nach einer alltäglichen Meldung, auch wenn die 19 Tore und ein Dutzend Torvorlagen durchaus beachtlich sind, darunter auch einige wichtige.
Doch hinter den Zahlen stand noch mehr: Der 33-jährige Kruse, ehemaliger Nationalspieler, war im Sommer 2020 überraschend zu Union Berlin gewechselt - und wurde schnell zum Publikumsliebling und einem Aushängeschild der Eisernen. Nun kehrt er zurück zu seiner alten Wirkungsstätte beim VfL Wolfsburg, für den er bereits 2015/16 auflief. Angeblich für eine Ablösesumme von fünf Millionen Euro und einem hoch dotierten Gehalt. Kruse hätte noch bis zum Sommer einen Vertrag bei den Köpenickern gehabt. In Wolfsburg unterschrieb er nun bis Juni 2023.
Nicht alle können die Entscheidung von Kruse für den gutbezahlten Vertrag und gegen das Abenteuer Union Berlin nachvollziehen. Schließlich wird der 33-Jährige künftig statt um Europa gegen den Abstieg, Wolfsburg steht derzeit auf Tabellenplatz 15, kämpfen.
"Dadurch, dass wir das freie Wochenende hatten, kam es dann schon relativ überraschend", erzählt Unions Mittelfeldmann Rani Khedira am Montag beim Training. Der Wechsel von Max Kruse traf seine bisherigen Mitspieler unerwartet.
Trotz der riesigen Lücke, die der 33-jährige Topscorer in Köpenick hinterlässt, ist die Stimmung bei der Vorbereitung auf das Auswärtsspiel in Augsburg am kommenden Sonnabend überraschend gut. "Ich glaube, wir sind so ein gutes Kollektiv, dass wir das auffangen werden", erklärt Khedira. Nicht nur auf dem Platz gilt es, Max Kruse zu ersetzen. Auch abseits vom Rasen war er ein echter Führungsspieler und Gesicht der Mannschaft. "Es ist wirklich sehr schade und bitter für uns, weil er wirklich ein spezieller Charakter ist", sagt Khedira.
Während der Mittelfeldspieler seinen Ex-Stürmer vermissen wird, aber optimistisch in die Zukunft blickt, schwingt im Statement von Unions Präsident Dirk Zingler durchaus auch Kritik an Kruses Entscheidung mit. Immerhin liegt Union aktuell auf einem Champions-League-Platz. "Wenn er sich nun jedoch ganz bewusst gegen die Chance entscheidet, mit Union in dieser Saison Geschichte zu schreiben, akzeptieren wir das", kommentiert Zingler den Transfer. Eine Geschichte, an der Kruse offenbar nicht interessiert ist. Schließlich hätte er durchaus auch seinen Vertrag bis zum Ende erfüllen können - und es mit Union vielleicht sogar in den höchsten europäischen Wettbewerb schaffen können. "Er wollte diesen Wechsel jedoch unbedingt jetzt vollziehen, daher haben wir uns mit dem VfL Wolfsburg entsprechend geeinigt," teilt Unions Geschäftsführer Sport Oliver Ruhnert trocken mit.
Die Fans von Union Berlin schmerzt der Verlust ihres Top-Stürmers da stärker. Kruse war nicht nur Leistungsträger, sondern auch Publikumsliebling im Stadion an der Alten Försterei. Zudem widerspricht der Wechsel auch so manchen Werten, für die Fans und Verein stehen. "Für mich ist er ein Söldner", erzählt ein Passant. "Ich bin sauer. Erst der Friedrich und jetzt ausgerechnet noch Kruse", sagt Helmuth, der schon seit Jahrzehnten Fan der Eisernen ist, auch mit Verweis auf Abwehrchef Marvin Friedrich, der im Winter ebenfalls weiter ab in der Tabelle gewechselt war, zu Borussia Mönchengladbach.
Ein junger Mann namens Jakob zeigt sich verständnisvoller bezüglich Max Kruse: "Man muss auch sehen, dass er am Ende seiner Karriere ist und noch einmal das Maximale rausholen will." Außerdem hätte Kruse ja sowieso nur noch ein halbes Jahr Vertrag gehabt, dafür seien fünf Millionen Euro Ablöse ganz vernünftig. "So ist der Sport nun mal heutzutage. Wenn jemand woanders mehr Geld kriegt, warum soll man ihm das dann nicht gönnen", findet ein Passant namens Gino.
Bei den Fans ist man sich also uneinig. Worüber sich aber wohl alle einig sind ist, dass man Kruse schmerzlich vermissen wird. "Ich bin traurig. Weil er ja ein guter Fußballer ist und gut zu Union gepasst hat", erzählt Simone. "Es wird ganz schwer werden, ihn zu ersetzen. Aber ich traue Herrn Fischer und Union allerhand zu", sagt Union-Fan Helmuth optimistisch.
Nicht nur auf den Straßen von Köpenick und im Verein hat der Kruse-Transfer Wellen geschlagen. Auch in den sozialen Netzwerken diskutieren die Leute ausgelassen. Vom Kampf um die Champions League zu dem gegen den Abstieg - dafür aber zum Ende der Karriere noch einmal richtig viel Geld verdienen. Sollte ein Spieler das so machen? Ähnlich wie bei den Union-Fans auf den Straßen ist auch das Netz bei der Frage, wie sinnvoll Kruses Wechsel denn nun war, sehr gespalten.
So mancher sieht Kruses Wechsel als Gesamt-Kunstwerk.
Andere loben Kruse für seine Aufrichtigkeit.
Am wichtigsten ist es aber für viele, optimistisch nach vorne zu blicken.
Max Kruse hat den Verein aber natürlich nicht verlassen, ohne sich bei den Fans zu verabschieden. Dabei bittet er vor allem um Verständnis für seinen Wechsel. Kruse wird auf der Webseite von Union Berlin [fc-union-berlin.de] wie folgt zitiert: "An alle von meinem Verein, den ich nun verlasse: Ich bin vor anderthalb Jahren nach Berlin gekommen, weil ich zu diesem Verein - dem 1. FC Union Berlin - wollte. Das hatte bei meinem damaligen Wechsel auch kaum einer verstanden oder geglaubt.
Ich habe hier immer alles so gut ich kann gegeben und bin auch sehr stolz und froh, wo wir jetzt in der Tabelle stehen. Ich danke euch allen für euer Vertrauen in mich - und jetzt bitte ich euch um euer Verständnis für meine Entscheidung, ein Angebot das langfristig und hoch dotiert ist, anzunehmen. Dazu geht es um einen Verein, bei dem ich noch ein Kapitel offen habe, das ich nun zu Ende schreiben kann.
Keine Entscheidung ist leicht und ich weiß was jetzt auf mich zu kommt - aber es ist meine Entscheidung. Ich drücke allen Unionern weiter die Daumen und bin mir sicher, dass die Mannschaft die Saison erfolgreich zu Ende spielen wird."
Sendung: rbb24, 31.01.2022, 18 Uhr