"Als wäre er beim Auslaufen": Wie Marcel Sabitzer nach einer Schelte beim BVB aufblüht
Kurz vor Weihnachten hatte es auch Marcel Sabitzer erwischt. Nicht gänzlich zu Unrecht, muss man fairerweise anmerken. Wenngleich die zu absolvierende Distanz zum Flankengeber durchaus beträchtlich war, so dass unklar bleibt, ob eine zielstrebigere Attacke das Unheil wirklich verhindert hätte.
"Ein Sabitzer hat da im Vollsprint herauszulaufen. Ich weiß gar nicht, was in dem Jungen vorgeht. Erst sind sie sich dort nicht einig, wer zum Ball geht, dann trabt er raus und bleibt acht Meter vor dem Flankengeber stehen. Das hätte er sich sparen können", lautete die Meinung von Sky-Experte Dietmar Hamann, der sich nur schwer beruhigen konnte: "Schau mal, wie der da herausläuft. Als wäre er beim Auslaufen. Wenn er im Vollsprint anläuft, kann er den Mainzer vielleicht noch an der Flanke hindern. Ohne den Gegentreffer hätte es ein anderes Spiel werden können."
Dem 50-Jährigen ging es um die Entstehung des Ausgleichs von Mainz 05 im finalen Spiel von Borussia Dortmund des Jahres 2023. Kurz vor der Pause konnte Phillipp Mwene auf dem linken Flügel unbedrängt in den Strafraum geben, dort nickte Sepp van den Berg zum 1:1-Endstand ein. Und es war eben Sabitzer, der nur halbherzig Richtung Mwene lief. Ihm deshalb den Gegentreffer ankreiden, konnte man angesichts der vielfältigen Fehlerkette aber nicht.
Doch wer weiß, vielleicht machte diese öffentliche Schelte des ehemaligen Profis für den ehemaligen Bayern-Fan Sabitzer einen Hauch der Motivation aus, mit der der Österreicher beim BVB ins neue Jahr ging. Dort zeigt der zentrale Mittelfeldspieler jedenfalls ansteigende Form, wobei er wiederum von absoluten Spitzenleistungen auch noch ein Stückchen entfernt ist.
BVB: Die Kurve bei Marcel Sabitzer zeigt nach oben
Sabitzer war nun zweimal in Folge laufstärkster Spieler der Borussia (12,2 Kilometer gegen Bochum, 12,4 Kilometer gegen Heidenheim). Dieses Arbeitsethos, der Fleiß, Intensität und Härte umfasst, ist seine größte Stärke. Direkt danach folgen seine Beiträge zur Offensive.
Gegen Darmstadt und Bochum bereitete er Tore vor, beim Abseitstreffer von Youssoufa Moukoko in Heidenheim wäre es Sabitzer gewesen, der zuvor die wichtige öffnende Spielverlagerung spielte. Beim Sieg gegen den VfL kam er auf fünf Torschussvorlagen, am vergangenen Freitag auf die meisten Tackles beim BVB. Sabitzer beweist Ruhe am Ball und eine gute Übersicht für die Mitspieler.
"Jetzt gerade fühle ich mich sehr gut und sehr fit, kann der Mannschaft sehr gut helfen. Es ist sehr gut für mich, dass wir gerade viel Trainingsarbeit haben. Ich fühle mich gerade sehr wohl auf dem Platz", sagte er jüngst. "Ich arbeite gerne für die Mannschaft und laufe gerne viel. Da kann ich der Mannschaft sicherlich auch im Defensiven helfen. Ich mache auch nach vorne viel, starte tiefe Läufe. So kommen meine Kilometer zustande, weil ich mir auch nicht zu schade bin, hinten zu helfen. So habe ich mich schon immer gesehen und diese Rolle fülle ich auch hier aus."
Marcel Sabitzer beim BVB: Mehr Licht als Schatten, aber nicht herausragend
Zupass kommt Sabitzer im Gegensatz zu seinem ersten halben Jahr in Dortmund auch, dass er derzeit eben einer der übrigen fitten Spieler ist. In der Hinrunde war der Nationalspieler aufgrund einer Adduktorenverletzung schon während der Vorbereitung nur eingeschränkt funktionsfähig, diese setzte ihn später noch über einen Monat außer Gefecht und als er richtig wieder an Bord war, ging es mit dem gesamten Team in der Liga bergab.
"Ich hatte vor Weihnachten einige gute Spiele, aber vielleicht auch einige, die nicht so gut liefen", sagte er. Es ist diese Ambivalenz, die in einer sehr ambivalenten Mannschaft freilich nicht von ungefähr kommt, die Sabitzers bisherige Zeit beim BVB gut beschreibt. Er zeigt gewiss mehr Licht als Schatten, doch für eine wirklich herausragende (Führungs-)Rolle innerhalb der Truppe von Edin Terzic hat es bislang nicht gereicht.
Auch das ist angesichts der von zahlreichen Problemen und Widrigkeiten begleitenden Dortmunder Saison nicht überraschend. Gerade als Feldspieler fällt es schwer, richtig konstant zu sein, wenn es das große Ganze nicht ist. Doch, siehe oben, der Trend der vergangenen Wochen spricht momentan für Sabitzer.
BVB-Baustelle blockiert auch Marcel Sabitzers Stärken
Noch mehr in Ballbesitz beitragen könnte er vermutlich, würden die Schwarz-Gelben endlich den trägen Spielaufbau in den Griff bekommen. Hat der BVB die Kugel, sah man zuletzt einen 3+2-Aufbau mit Salih Özcan als tiefem Sechser und Ian Maatsen, der unterstützend zentral einrückte. Sabitzer schob dann eine Reihe weiter vor, um den Gegner einerseits zu binden und die Angriffe idealerweise ins vordere Drittel zu bekommen.
Doch es gelingt Dortmund schlicht viel zu selten, sich sauber und zielgerichtet bis zu Sabitzers Ebene zu kombinieren. Die mangelnde Ballsicherheit und Pressingresistenz seiner Mitspieler in der Spielauslösung verhindern dies oft.
Diese Baustelle muss Terzic dringend und schnellstmöglich beheben, wenn in Bälde mit zunehmender Qualität der Gegner die essentielle Qualifikation zur Champions League am Saisonende gelingen soll - und auch deshalb, um unter anderem Sabitzers Stärken noch besser ins Spiel zu bekommen.
BVB-Trainer Edin Terzic lobt Marcel Sabitzer: "Hat eine tolle Saison gezeigt"
Ganz grundsätzlich ist Terzic in jedem Fall angetan vom 19 Millionen Euro teuren Neuzugang aus München: "Ich finde, seitdem er bei uns ist, hat Marcel Sabitzer eine tolle Saison gezeigt. Er wurde immer wieder durch kleinere Verletzungen zurückgeworfen. Das haben wir dank vieler Trainingseinheiten im Januar in den Begriff bekommen. Er macht es richtig gut und ist sehr häufig beteiligt an Toren und Vorbereitungen. Das hat er aber auch schon in der Hinrunde gezeigt, wo er häufig den Pfosten oder die Latte getroffen hat. Da gab es viele gute Momente von ihm."
Zwar ließe sich bei genauerem Hinsehen lediglich Torwart Gregor Kobel eine tolle Saison bescheinigen, doch ein solides Befriedigend kann man Sabitzer bislang durchaus als Zwischenzeugnis ausstellen. Gerade mit Blick auf seine Statistiken: Acht Torbeteiligungen in 23 Pflichtspielen, er hat also in jeder dritten Partie seine Füße bei einem Treffer im Spiel, sind sogar gut.