Tote und bis zu 80 Verletzte bei Anschlag mit SUV auf ...
Magdeburg – Im deutschen Magdeburg ist am Freitagabend – kurz nach 19.00 Uhr – ein Auto in eine Menschenmenge auf einem Weihnachtsmarkt gerast. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sprach von mindestens zwei Toten. Darunter sei ein Kleinkind. Die Stadt Magdeburg sprach von 70 – 15 davon schwer – Verletzten. Sehr rasch wurden an Ort und Stelle Zelte für die ärztliche Notbehandlung aufgestellt, Spitäler in mehreren Städten im Umkreis nahmen Verletzte auf. Weitere Todesopfer seien nicht auszuschließen. Berichte der Bild-Zeitung über mindestens elf Tote nannte Haseloff "Spekulation": Er könne diese Angaben nicht bestätigen.
Arzt aus Saudi-Arabien als Täter
Der Lenker des Fahrzeuges, mit dem die Tat verübt wurde, wurde direkt am Tatort gefasst und verhaftet. Laut Volksstimme.de wurde er beim Versuch, seinen Wagen zu wenden, von Polizisten gestoppt und festgenommen.
Haseloff sagte in einem persönlichen Statement kurz nach 22.00 Uhr, der 50-Jährige aus Saudi-Arabien habe seit 2006 mit "unbefristetem Aufenthaltstitel" in Deutschland gewohnt und zuletzt in der 30.000-Einwohner-Stadt Bernburg – eine halbe Fahrstunde südlich von Magdeburg – als Arzt gearbeitet. Er sei bisher nicht als Islamist aufgefallen. Man gehe davon aus, dass er als Einzeltäter gehandelt habe. Für die Bevölkerung bestehe derzeit keine Gefahr. Am Wohnort des Festgenommenen gab es ab Abend laut Bild-Zeitung eine Polizei-Aktion, nähere Details dazu gab es vorerst nicht.
Das Auto, mit dem die Tat verübt wurde, sei laut Medienberichten ein erst kurz vor der Tat gemieteter dunkler SUV der Marke BMW mit Münchner Kennzeichen. Der festgenommene Verdächtige hatte Berichten zufolge ein Gepäckstück auf dem Beifahrersitz mitgeführt – auf dieses konzentrierten sich in den Nachtstunden die Sprengstoffuntersuchungen der Polizei-Ermittler.
Laut Bild-Zeitung gaben die Behörden auch Stunden nach dem Vorfall noch keine Entwarnung: Anwohner durften demnach vorerst nicht zurück in ihre Häuser am Breiten Weg, unmittelbar beim Anschlagsort. Es gebe Überlegungen, so hieß es, noch weitere Anwohner zu evakuieren. Es werde auch im weiteren Umkreis noch nach Sprengstoff gesucht, berichteten mehrere Medien.
Eine Sprecherin des Innenministeriums von Sachsen-Anhalt sagte, die Behörden gingen "davon aus, dass es ein Anschlag" gewesen sei. Auch Stadtsprecher Michael Reif sprach laut n.tv von einem "Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt". Der Hintergrund des Vorfalls oder das Motiv des Täters blieb vorerst noch unklar.
Die Polizei bat am späten Freitagabend Augenzeugen, Fotos und Videos der Todesfahrt im Hinweisportal der Polizei Sachsen-Anhalt hochzuladen.
Laut Augenzeugen war das Auto direkt auf die Menschenmenge zugesteuert. Der Fahrer soll bis zu 400 Meter lang über das Gelände des Marktes gefahren sein und dabei im offenbar absichtlichen Zickzack-Kurs versucht haben, mit seinem SUV möglichst viele Menschen zu erfassen. Ein in sozialen Medien verbreitetes Video scheint den Eindruck einer absichtlichen Tat ebenfalls zu bestätigen. Auf diesem ist zu sehen, wie das Auto mit sehr hoher Geschwindigkeit durch die Gasse zwischen den Weihnachtsmarktständen rast und dabei zahlreiche Menschen erfasst.
Umfangreiche Erste-Hilfe-Maßnahmen
Es wimmelte auf dem Weihnachtsmarkt nur Minuten nach dem Vorfall von Rettungswagen und Sanitätern, berichtete ein Augenzeuge. Der Magdeburger Weihnachtsmarkt befindet sich auf dem Alten Markt, direkt am Magdeburger Rathaus in der Nähe der Elbe. In der Nähe des Weihnachtsmarkts liegt ein großes Einkaufszentrum. Auf der Plattform X waren am Abend Videos zu sehen, in denen zahlreiche Einsatzfahrzeuge zu sehen waren.
Eine Augenzeugin sagte der Mitteldeutschen Zeitung, der Täter sei "ausgerechnet in den Märchen-Bereich des Magdeburger Weihnachtsmarktes gefahren". Dort seien besonders viele Familien unterwegs gewesen. Sie selbst habe mit ihrem Kind gerade noch zur Seite springen können. Ein Gastronom berichtete, dass der Täter direkt an seinem Burger-Stand vorbeigerast sei.
Weihnachtsmärkte in Deutschland waren nach – vorerst unspezifischen – Warnungen vor möglichen Anschlägen islamistischer Gruppen zuletzt unter erhöhter Bewachung der Behörden gestanden.
Terrorismusexperte Hans-Jakob Schindler wunderte sich in einer Live-Schaltung der ZDF-Sendung heute journal über offenkundige Sicherheitsmängel in Magdeburg: "Zunächst mal ist die Überraschung, dass ein Fahrzeug jeglicher Größe überhaupt noch auf einen deutschen Weihnachtsmarkt in einer Großstadt fahren kann." Dass ein Anschlag mit einem Auto gelungen sei, deute auf einen Fehler im Sicherheitskonzept hin.
Scholz am Samstag nach Magdeburg
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich entsetzt. "Die Vorfreude auf ein friedliches Weihnachtsfest wurde durch die Meldungen aus Magdeburg jäh unterbrochen", zitierte ihn n-tv.
Deutschlands Kanzler Olaf Scholz teilte am Abend mit, er sei mit den Gedanken bei den Opfern und deren Angehörigen. Die Bilder aus Magdeburg würden "Schlimmes erahnen lassen". Der Regierungschef, der wie viele andere Spitzenpolitiker mitten im Wahlkampf steht, hat verlauten lassen, Samstagvormittag persönlich nach Magdeburg fahren zu wollen – das erfuhr t-online aus deutschen Regierungskreisen. Gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser und dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, wird er eine offizielle Stellungnahme abgeben, hieß es am späten Freitagabend.
Am späten Abend sprach Landesinnenministerin Tamara Zieschang im Rahmen einer eilig einberufenen Pressekonferenz von "einem der schwärzesten Tage für Magdeburg". Oberbürgermeisterin Simone Borris trat laut n-tv sichtlich schockiert vor die Presse, stockte beim Reden und brach zwischendurch in Tränen aus. Sie habe sich nicht vorstellen können, dass so etwas in Magdeburg passieren könne, sagte sie.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner zeigte sich laut t-online bestürzt: "Die Bilder haben mich schockiert. Ich denke an die Opfer, ihre Familien und die Einsatzkräfte vor Ort", schrieb er auf X.
Keine Berichte über betroffene Österreicher
Auch der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg äußerte sich zum Anschlag: „Ich bin schockiert über die Nachrichten aus #Magdeburg. Menschen, die mit ihren Lieben die Weihnachtszeit genießen wollten, wurden heute Abend Opfer eines feigen Anschlags und werden nie mehr zu ihren Familien zurückkehren. Wir stehen eng an der Seite unserer deutschen Freunde!“ – das schrieb er auf X.
Die österreichische Botschaft in Berlin beobachtet nach Auskunft von Außenamtssprecher Clemens Mantl vom Freitagabend die Lage permanent und stehe in engem Kontakt mit den zuständigen Behörden. "Derzeit gibt es keine Hinweise auf betroffene Österreicherinnen und Österreicher. Für besorgte Bürgerinnen und Bürger ist der Bereitschaftsdienst der österreichischen Botschaft rund um die Uhr unter der Nummer (+49) 172 98 44 066 erreichbar."
Noch am Freitagabend wurde der Weihnachtsmarkt in Erfurt, 170 Kilometer südlich von Magdeburg, vorsorglich geschlossen und geräumt. Der Innenminister des Bundeslandes Thüringen, Georg Maier (SPD), erklärte, dass diese Maßnahme auf Wunsch des Veranstalters getroffen worden sei. Hinweise auf eine konkrete Gefahr habe es aber nicht gegeben. Ein Weihnachtmarkt in Halle – 100 Kilometer südöstlich – wurde Medienberichten zufolge hingegen nicht geschlossen.
Am späten Abend gab die Stadtverwaltung die Johanneskirche als Ort des öffentlichen Trauerns bekannt. Zudem wird es am Samstag ab 19 Uhr eine Gedenkstunde im Magdeburger Dom geben.
Fast auf den Tag genau vor acht Jahren, am 19. Dezember 2016, war in Berlin ein islamistischer Terrorist mit einem entführten Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gerast. Dabei wurden zwölf Menschen getötet, das 13. Opfer starb Jahre später, 2021, an den Langzeitfolgen dieser Tat. Mehr als 70 Menschen wurden damals verletzt. Der Attentäter floh nach Italien, wo er allerdings nur einen Tag später in Mailand von der Polizei auf einem Parkplatz gestellt und erschossen wurde. (red, APA, 20./21.12.2024)