Politbeben abgewehrt: Macron klar wiedergewählt - news
Laut Prognose des Senders France 2 von Sonntag 23.00 Uhr kam Macron auf etwa 58,8 Prozent der Stimmen, Le Pen lediglich auf 41,2 Prozent. Macrons Sieg ist vor allem als Niederlage Le Pens zu verstehen. Le Pen räumte ihre Niederlage ein. In ihrer Wahlzentrale gab es lautes Pfeifen und Buhrufe, als die Ergebnisse bekanntwurden. Etliche Parteien hatten nach der ersten Wahlrunde dazu aufgerufen, eine Mauer gegen Rechts zu bauen und eine Präsidentin Le Pen, die trotz betont gemäßigteren Auftretens weiterhin extrem rechte Positionen vertritt, durch eine Stimme für Macron zu verhindern.
Der 44-Jährige profitierte zudem angesichts des Ukraine-Krieges vom Wunsch nach Stabilität. Dennoch sind viele Franzosen mit Macrons erster Amtszeit unzufrieden und empfinden seinen Politikstil als arrogant. Bereits im Juni sind Parlamentswahlen, und es gilt derzeit als sehr unwahrscheinlich, dass Macron auch dort einen Sieg davontragen kann. Damit droht ihm und dem Land eine Cohabitation, also dass der exekutiv starke Präsident und der Regierungschef unterschiedlichen Parteien angehören.
Demut und große VersprechenRund zwei Stunden nach Wahlschluss und Bekanntwerden der Hochrechnungen äußerte sich Macron erstmals. Er kündigte an, er wolle Frankreich führend im Kampf gegen die Klimakrise positionieren. Macron betonte, man müsse die Wut derer, die für Le Pen stimmten, ernst nehmen. Die nächsten fünf Jahre würden keine Fortsetzung seiner ersten fünf Regierungsjahre sein. Der marktliberale Politiker kündigte zugleich auch eine stärkere Sozialpolitik an, wie sie Le Pen und Linkskandidat Jean-Luc Melenchon – wenn auch unterschiedlich – propagieren. Man werde niemanden zurücklassen, versprach Macron.
„Ich weiß, dass viele unserer Mitbürger heute für mich gestimmt haben, um die Ideen der Rechtsextremen zu verhindern, und nicht, um die meinen zu unterstützen“, gab sich der 44-Jährige vor dem Pariser Eiffelturm vor jubelnden Anhängern demütig. „Ich weiß, dass Ihre Stimme mich für die kommenden Jahre verpflichtet.“
Mit Blick auf diejenigen Französinnen und Franzosen, die seine rechtsnationale Konkurrentin Le Pen in der Stichwahl gewählt haben, sagte Macron: „Die Wut und der Dissens, die sie dazu gebracht haben, für dieses Vorhaben zu stimmen, muss auch eine Antwort finden. Das wird meine Verantwortung und die derjenigen sein, die mich umgeben.“
Debatte
Wohin steuert Frankreich?„Die kommenden Jahre werden sicherlich schwierig sein, aber sie werden historisch sein und gemeinsam müssen wir sie für die neuen Generationen schreiben“, sagte der 44-Jährige. Wie Macron diese Versprechen angesichts einer galoppierenden Inflation, der sich verschärfenden Klimakrise, einer tiefen politischen Spaltung im Land und der internationalen Verwerfungen rund um den Ukraine-Krieg einlösen will, ließ er freilich offen.
Aufatmen in EuropaDer Wahlsieg Macrons dürfte eine große Erleichterung für Deutschland und Europa sein, auch wenn der charismatische Liberale bei Weitem nicht überall der Wunschpartner ist. Seine Widersacherin wollte sich von der seit Jahrzehnten engen Zusammenarbeit mit Deutschland lossagen.
EU-Ratspräsident Charles Michel zeigte sich erleichtert über die Wiederwahl Macrons. „Wir können fünf weitere Jahre auf Frankreich zählen“, twitterte der Belgier Sonntagabend. „In diesen stürmischen Zeiten brauchen wir ein starkes Europa und ein Frankreich, das sich voll und ganz für eine souveränere und strategischere Europäische Union einsetzt.“ Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Europaparlamentspräsidentin Roberta Metsola gratulierten Macron auf Twitter.
Zahlreiche europäische Staats- und Regierungschefs, von Olaf Scholz über Mario Draghi und Boris Johnson bis hin zu Bundespräsident Alexander Van der Bellen und ÖVP-Kanzler Karl Nehammer, gratulierten Macron und betonten, sie freuten sich auf eine weiterhin enge Zusammenarbeit für Europa.
Für unsere gemeinsame europäische Zukunft in Frieden und Einigkeit – meine herzlichen Glückwünsche an @EmmanuelMacron zu seiner Wiederwahl als Präsident Frankreichs! (vdb)
— A. Van der Bellen (@vanderbellen) 24. April 2022
Die europaskeptische Nationalistin Le Pen strebte danach, den Einfluss der Europäischen Union in Frankreich entscheidend einzudämmen, und hätte in Brüssel etliche Vorhaben aus Eigeninteressen ausbremsen können. Nicht zuletzt ihre Nähe zu Kreml-Chef Wladimir Putin schürte Sorgen, die feste Pro-Ukraine-Front des Westens könnte unter Le Pen bröckeln.
Präsident Macron hat die Wiederwahl geschafft – auch wenn er viel umstrittener war als bei seiner ersten Wahl. Damals hat er mit 66 zu 34 Prozent auch viel deutlicher gewonnen. Was folgt daraus für das politische Frankreich? ZIB-Korrespondentin Cornelia Primosch analysiert.
Le Pen versuchte, die neuerliche Wahlniederlage noch am Wahlabend zu einem Wahlkampfauftakt für die Parlamentswahl im Juni umzumünzen. Sie werde nicht aufgeben, und sie warnte ihre Anhängerschaft, die „Gefahr“ sei groß, dass Macron auch bei der Parlamentswahl wieder einen Wahlsieg davontrage.
Laut ersten Umfragen kommt Le Pen auf etwa 42 bis 43 Prozent. Dieses Ergebnis sei ein „durchschlagender Sieg“, sagte sie in Anspielung auf das Ergebnis vor fünf Jahren. Damals hatte sie mit knapp 34 Prozent gegen Macron verloren.
Melenchon: Wahlkampf ist eröffnetSo wie Le Pen betonte auch der Linkspolitiker Melenchon, der nur knapp den Einzug in die Stichwahl verpasst hatte, dass ab sofort der Wahlkampf für die Parlamentswahl eröffnet sei. An all jene gerichtet, die nicht oder nur widerwillig für Macron gestimmt hatten, sagte Melenchon, es gebe „noch immer einen Weg, Macron mittels der Parlamentswahl im Juni zu schlagen“. Amtsinhaber Emmanuel „Macron ist der Präsident mit dem schlechtesten Ergebnis der fünften Republik“, sagte Melenchon. „Er surft auf einem Meer von Nichtwählern und Enthaltungen“, betonte er.
Die Niederlage Le Pens nannte er eine „gute Nachricht für die Einheit unseres Landes“. Melenchon bekräftigte seinen Wunsch, Premierminister zu werden, und rief seine Anhänger zum Wahlkampf für die Parlamentswahl auf. „Eine andere Welt ist noch möglich“, sagte er.
Leonie Heitz berichtet aus der Wahlzentrale von Marine Le Pen. Erwartet man dort nach der enttäuschenden Niederlage das Ende ihrer politischen Karriere – oder wird sich Marine Le Pen nun eher angestachelt fühlen zu weiteren politischen Schritten?
Der rechtsradikale Eric Zemmour wiederum kritisierte Le Pen für ihre Niederlage und forderte einen geeinten nationalistischen Block für die Parlamentswahlen.
Feiern und TränengasAnhänger von Macron feierten dessen Wiederwahl. Zu elektronischer Musik eines DJs schwenkten Hunderte auf dem Champ-de-Mars in Paris Frankreich- und Europaflaggen und tanzten. Im zentral gelegenen Viertel Chatelet kam es zu Zusammenstößen zwischen vom Wahlausgang frustrierten Demonstranten und der Polizei, die teils Tränengas einsetzte.
Le Pen verliert zweites Duell gegen MacronBereits 2017 standen sich der damalige Politjungstar Macron und die Rechte Le Pen in der Stichwahl um die Präsidentschaft gegenüber. Damals war Le Pen ihrem Kontrahenten aber viel deutlicher unterlegen – sie holte nur ein Drittel der Stimmen.
Macron, der im Wahlkampf auf wirtschaftlichen Fortschritt setzte, hatte 2017 mit seiner Bewegung La Republique en Marche den Einzug in den Elyseepalast geschafft. Damals ein eher linker Kandidat, vertritt er mittlerweile verstärkt liberal-konservative Themen. Bevor er Präsident wurde, arbeitete der Nordfranzose als Investmentbanker, beriet den sozialistischen Präsidenten Francois Hollande und war unter diesem von 2014 bis 2016 Wirtschaftsminister.