50 Jahre Karat: Ostrock-Band – ein Fan der ersten Stunde erinnert ...
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Karat macht seit 50 Jahren Musik. Manch ein Fan der Ostrock-Band ist von Beginn an dabei – so wie Steven Reinfeld. Was waren für ihn die besten Konzerte?
15. Februar 2025 um 12:00 UhrBerlin
Ein Artikel von
Michael Heider
In fünf Jahrzehnten als Karat-Fan kommt einiges zusammen: Eine Auswahl der Autogrammkarten, die Steven Reinfeld über die Jahre von den Mitgliedern der Ostrock-Band gesammelt hat.
Steven ReinfeldNatürlich weiß Steven Reinfeld noch, wann und wo er sie zum ersten Mal gehört hat. „Mitte der Siebziger war das, in Werdau. Ich war mit meiner Schwester vor dem Radio“, sagt er. Im heimischen Kinderzimmer hörten die beiden DT64. Der Jugendsender des DDR-Rundfunks nahm damals eine noch unbekannte Berliner Band ins Programm, die wenig später zu einer der erfolgreichsten des Landes werden sollte: Karat.
Noch heute, knapp 50 Jahre später, erinnert sich Reinfeld deutlich daran, was ihm durch den Kopf ging, als „König der Welt“ aus den Radiolautsprechern durch die elterliche Wohnung schallte. „Ich dachte mir: Das ist perfekt!“, sagt er am Telefon mit sächsischem Dialekt und Aufregung in der Stimme.
Mit dem Tonbandgerät saß der Karat-Fan vor dem Radio
5 Minuten und 39 Sekunden, mehr waren es nicht. Doch sie reichten aus, um das Leben von Steven Reinfeld in ein Davor und Danach zu teilen – vor und nach Karat. „‚König der Welt‘ ist bei mir eingeschlagen“, so drückt es der 63-Jährige selbst aus. „Ich habe DT64 den ganzen Tag rauf und runter gedudelt.“ Mit einem Tonbandgerät saß er daneben und bespielte Kassetten mit den Karat-Liedern. Wieder und wieder hörte er sie sich an, sang mit. „Bis es drin war“, sagt Reinfeld. „Bis ich jeden Text draufhatte.“
Die Begeisterung von damals hat sich Steven Reinfeld erhalten. Heute hat er nicht nur den Text zu „König der Welt“ drauf, sondern kann so gut wie jeden Song von Karat mitsingen. Er hat Dutzende ihrer Konzerte besucht, hat seine Idole mehrfach auch abseits der Bühne getroffen und über alle Höhen und Tiefen hinweg ihre Karriere verfolgt. Auch im 50. Jahr seit ihrer Gründung darf sich die Band der Treue von Steven Reinfeld sicher sein. Eine Treue, für die der heutige Rentner, der mittlerweile in der Nähe von Limburg lebt, früh viel investierte.
Karat-Fan der ersten Stunde: Steven Reinfeld heute
Steven ReinfeldLos ging das im Jahr 1978, als Karat ihr erstes Album auf den Markt brachten. Die Popularität der noch jungen Band um Sänger Herbert Dreilich war bereits enorm. Kurz zuvor hatte sie den Kunstpreis der FDJ hatte erhalten, auch den Grand Prix beim Internationalen Schlagerfestival hatte sie gewonnen. Entsprechend begehrt war ihre Debütplatte. Doch Steven Reinfeld war vorbereitet. „Der Plattenladen hat um 8 oder 9 aufgemacht, da musste ich spätestens um 6 dort sein“, sagt er und klingt noch heute sehr ernst dabei.
20 Ostmark für das erste Karat-Album
„Ich musste einfach wissen, was auf dem Album noch drauf ist“, erklärt er seine Entschlossenheit vor 47 Jahren. Nicht nur das Warten vor dem Plattenladen nahm er in Kauf. Auch die 20 Mark, die eine LP damals kostete, waren es ihm wert. Nicht gerade wenig für einen Auszubildenden der Reichsbahn mit einem Monatsgehalt von 120 Mark. Um an Poster von Karat zu kommen, abonnierte Reinfeld die Musikzeitschrift „Melodie und Rhythmus“. „Die habe ich dann gleich an die Wand getackert. Irgendwann war die komplett zu damit.“
Karat, sagt der Fan der ersten Stunde, sei eben nicht 08/15. „Das hat alles Sinn. Alles!“, betont er. Die Musik der Band vermittelte vom ersten Ton an eine Sachlichkeit, „die man gebrauchen konnte“, wie Reinfeld es ausdrückt. Leichtigkeit und Schwere zugleich. „Die haben es geschafft, das alles in ihre Melodien zu packen. Das findest du ganz, ganz selten.“
Bis zum ersten Konzert hat es allerdings etwas gedauert. Erst 1985 war es so weit. Darauf angesprochen, legt Reinfeld das Telefon beiseite. Man hört ihn in Papier kramen, es raschelt. Dann nimmt er den Hörer wieder zur Hand: „28. Juni 1985, wenn Sie es genau wissen wollen.“ Auf der Freilichtbühne am Schwanenteich nahe Zwickau habe Karat damals gespielt. „10 Mark und 5 Pfennig“, fügt Reinfeld an. So viel kostete die Eintrittskarte. Er hat sie bis heute aufgehoben.
Über 40 Karat-Konzerte – doch eines war besonders
Überhaupt hat der einstige Fahrdienstleiter der Deutschen Bahn eine beachtliche Sammel-Leidenschaft rund um Karat entwickelt. Dutzende Autogrammkarten und signierte Fotos hat er im Laufe der Jahre zusammengetragen. Dass er jede Platte der Band hat, versteht sich fast von selbst.
Das Karat-Konzert in Zwickau damals war das erste von über 40, die Steven Reinfeld seither besucht hat. Aus gutem Grund, wie er findet: „Das war ja das Ding: Die waren live besser als auf der Schallplatte!“, sagt er über die Band, die am 22. Februar 1975 in Heidenau bei Dresden ihr erstes Konzert gab. Diese Live-Qualitäten haben ihn überzeugt, „dranzubleiben und weiterzumachen“, wie Reinfeld sein Fan-Dasein umschreibt.
Natürlich auch mit Autogramm: ein Foto, das Steven Reinfeld (Mitte) mit Karat-Sänger Herbert Dreilich (l., stehend) zeigt
Steven ReinfeldOb es ein Konzert gibt, dass ihm besonders in Erinnerung geblieben ist? Der Karat-Fan überlegt nicht lange: „Erfurt, Alte Oper, 2010.“ Nicht nur der Sound, die ganze Aufmachung habe damals gestimmt. Auch weil Ed Swillms dabei war, erklärt Reinfeld. Der 2023 verstorbene Keyboarder schrieb fast alle großen Hits der Band, auf der Bühne stand er in späteren Jahren allerdings nur für besondere Konzerte. Und Erfurt 2010 war eines davon. Karat feierte dort seinen 35. Geburtstag. Am Ende gab es sogar eine Torte für die Musiker und ihre Fans – und viel Zeit für Autogramme.
Diese Nahbarkeit zwischen den Ostrockern und ihren Anhängern wusste Reinfeld stets sehr zu schätzen. Zuletzt sei die Beziehung allerdings distanzierter geworden. Gesprächs- und Autogramm-Möglichkeiten nach dem Konzert gebe es immer seltener, beklagt der Fan der ersten Stunde. „Das war jahrzehntelanges Brauchtum, Tradition. Ich verstehe das nicht.“
Er hatte Karat bereits am Ende gewähnt
Trotzdem ist Steven Reinfeld froh, dass es Karat überhaupt noch gibt. Als Frontmann Herbert Dreilich 2004 verstarb, hatte er die Band bereits am Ende gewähnt. „Das war es jetzt, dachte ich. Wo willst du eine solche Stimme herkriegen? Wer soll den ‚Schwanenkönig‘, den ‚Blauen Planeten‘ oder ‚Sieben Wunder der Welt‘ singen? Wer soll das können?“
Dreilichs Sohn Claudius hatte Reinfeld indes nicht auf dem Schirm. Der damalige Ikea-Manager übernahm bereits 2005 die Rolle als Nachfolger seines verstorbenen Vaters. Und als Steven Reinfeld ihn zum ersten Mal singen hörte, traute er seinen Ohren kaum. „Das war fast dasselbe. Da hatte ich Tränen in die Augen. Ich hab gesagt: Jetzt geht es weiter.“
Und das tut es bis heute. In wenigen Tagen veröffentlicht Karat ein neues Album und startet auf die Jubiläums-Tour „Karat 50“. Sogar eine Kreuzfahrt zusammen mit Fans ist geplant. Ein Ende ist vorerst also nicht in Sicht. Doch wie soll es für Karat weitergehen? „Einen vorderen Chartplatz könnte es schon mal wieder geben“, findet Steven Reinfeld. Udo Lindenberg habe das schließlich auch geschafft – einer Zusammenarbeit mit Apache 207 sei Dank. „Aber ich will denen ja nicht reinreden“, meint er. Nur eines weiß der Fan der ersten Stunde: „Ich bleibe Karat treu.“
Sie sind ebenfalls Karat-Fan der ersten Stunde?
Sie können jeden Song der Ostrocker mitsingen? Sie wissen selbst nicht mehr, auf wie vielen Konzerten von Karat sie schon waren? Wenn ja, würden wir gerne mehr über Ihre Leidenschaft für Karat erfahren!
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