„Krone“-Interview Jan Delay: 25 Jahre solo im Dienste der Musik
„Krone“-Interview
Die Zeit vergeht unerbittlich, das ist auch dem deutschen Hip-Hop-, Reggae- und Dancehall-Kultmusiker Jan Delay bewusst. Mit „Forever Jan“ veröffentlicht er nun zum 25-jährigen Solojubiläum eine Best-Of-Scheibe mit zwei neuen Songs. Dazu kommt er im Sommer für vier Gigs nach Österreich. Ein Gespräch über Hits, Heino und Homophobie.
„Krone“: Jan, dieser Tag erscheint mit „Forever Jan“ deine erste Best-Of-Scheibe, die 25 Jahre Jan Delay als Solokünstler zelebriert. Ein Vierteljahrhundert ist nicht nichts. Was kommt da so alles an Gedanken, Erinnerungen und Emotionen hoch?Jan Delay: Ich bin überhaupt nicht so ein Typ, der groß darüber nachdenkt und wurde quasi dazu berufen, weil das Projekt anstand. Es ist schön und toll, sich diese alten Videos anzukucken, aber hätte ich kein Best-Of gemacht, hätte ich das auch nicht getan. Ich wäre dann nicht in der Zeit zurückgegangen – das kam nur mit dieser Platte.
Fragst du dich nicht, wo die Zeit geblieben ist?Doch, das schon. Das habe ich vor 20 Jahren aber auch schon gemacht. (lacht) Es ist ein Phänomen der Welt und der Zeit. Man hat aber das Gefühl, dass es immer schneller geht, je älter man wird. Mit 15 habe ich mich schon gewundert, wie schnell ein Schuljahr zu Ende ging, aber was ich mit 15 als krass empfand, ist heute von einem Jahr gefühlt auf eine Woche heruntergebrochen.
Welche Highlights oder auch Tiefschläge sind dir denn aus diesen 25 Jahren ganz besonders in Erinnerung geblieben?Das mit den Highlights ist schwierig. Es gab zum Glück sehr viele und sehr tolle und wenn ich jetzt eines herauspicke, bedeutet das, dass alle anderen Sachen nicht so geil waren. (lacht) Auf jeden Fall müsste ich den Gig auf der Trabrennbahn 2011 in Hamburg nennen. Ich habe damals mit meiner Band Disko No. 1 quasi fünf Jahre ohne Pause durchgespielt. Wir haben die Platten „Mercedes-Dance“ (2006) und „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ (2009) präsentiert und es gab dazwischen auch keine Beginner-Platte. Der Gig in Hamburg war das große Finale und das war mein bis dahin größtes Konzert. Wir haben das Konzert Gott sei Dank mitgeschnitten und auf DVD herausgebracht.
Auch großartig war zwei Jahre davor erstmals in Hamburg die große Arena auszuverkaufen. Das war die Zeit, wo deutsche Acts Hallen eroberten und es war immer mein Traum, diese seelenlosen Betonklötze mit Musik und Leben zu füllen. Das sind zwei ganz große Highlights. Die Tiefschläge gab es dann 2014 innerhalb von einem Monat. Ein paar Monate nach der Geburt meiner Tochter kam meine Platte „Hammer & Michel“ raus, die rundum nicht so wirklich abgefeiert wurde. Vor allem die Presse war sehr streng damit. Obendrauf kam dann das Interview bei euch in Österreich mit der Heino-Nazi-Geschichte, die ziemlich hohe Wellen schlug. All das war ziemlich hart für mich.
Das war ein ausgemachter Shitstorm zu einer Zeit, als Shitstorms noch nicht so Usus waren, wie sie es jetzt sind. Hast du deine Lehren aus dieser Causa gezogen? Bist du gestählt daraus hervorgegangen?Ich muss wohl immer noch aufpassen, was ich sage, aber es ist nicht so, dass ich danach gesagt hätte „Huch, oh Gott! Warum habe ich denn das gesagt?“ – so war es ja nicht. Es lief Scheiße und ist passiert, aber man muss nicht mehr darüber reden. Ich bin natürlich gestärkt daraus hervorgegangen, weil man das aus jeder Krise und aus jedem Rückschlag macht.
Man kann es außerdem nicht jedem recht machen. Ist eine Lehre aus der Causa, dass du mit deiner direkten Offenheit und deiner Meinung dadurch zurückhältst?Nein, das nicht. Mit meiner Meinung halte ich jedenfalls nicht hinterm Berg.
Du bist ja nicht nur selbst ein ausgezeichneter Musiker, sondern auch ein Fan von Musik im Generellen und unzähligen Acts im Speziellen. Hat dieses klare Zusammenspiel aus eigenem Talent und Fansein deine Karriere entscheidend geprägt?Das Fansein ist tierisch wichtig dafür, dass man das Feuer immer am Brennen hält, inspiriert bleibt und Lust auf Neues hat. Ich muss Sachen hören, die ich geil finde, damit ich dazu gepusht werde, selbst was Tolles auf die Beine zu stellen. Gäbe es das nicht, dann würde bei mir kein Feuer entzündet werden. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich noch Fan bin und kriege das Gegenteil bei anderen Leuten mit, die so alt sind wie ich oder älter. Sie hören auf, sich für neue Sachen zu interessieren und man merkt, dass bei ihnen die Leidenschaft fehlt und kein konstanter Output mehr resultieren kann. Am Ende wird man so wie die normalen Leute aus dem Freundeskreis, die nur noch das hören, was sie mit 15 und 20 hörten, ansonsten aber andere Prioritäten in ihrem Leben haben. Bei mir hat die Musik schon noch einen sehr hohen Stellenwert.
Best-Ofs wirken immer ein bisschen so, als würde der Künstler ein Kapitel abschließen und sich erst einmal zurücklehnen.Das Kompilieren war überhaupt nicht mühsam und hat mir großen Spaß gemacht. Ich schaue ja normal nie zurück und in dem Fall war das wie eine Kur. Ich habe in mich selbst hineingeschaut und ein Produkt aus den Dingen generiert, die ich schon lange nicht mehr gehört und oft noch länger nicht mehr gespielt habe. Ein Albtraum wäre für mich nur die Vorstellung, wenn ich jedes Jahr ein Best-Of machen müsste. (lacht) Wenn ich mich nur noch mit meinen alten Kamellen beschäftigen müsste und zu einer Art Archivar werden würde – das fände ich wirklich schrecklich.