630 Insolvenzen bisher – Immobilien-Unternehmen gehen reihenweise pleite
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Stand: 28.04.2024, 05:19 Uhr
Von: Amy Walker
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Die Immobilienbranche kämpft ums Überleben. Mit steigenden Insolvenzzahlen wächst die Unsicherheit: Wer ist als Nächstes dran?
Berlin - Die Baubranche in Deutschland steht unter enormem Druck. Die Anspannung ist in allen Bereichen spürbar. Nachdem im Vorjahr erste Projektentwickler aufgrund mangelnder Aufträge den Gang zum Insolvenzgericht antreten mussten, sind nun auch die nachgelagerten Bereiche betroffen. Insbesondere die im März publik gewordene Insolvenz des großen Immobilienunternehmens Deutsche Invest Immobilien (D.i.i.) hat die Branche erschüttert und zusätzliche Verunsicherung geschaffen. Die Frage, die sich alle stellen: Sind wir die Nächsten?
Eine aktuelle Analyse der Unternehmensberatung Falkensteg, die exklusiv IPPEN.MEDIA vorliegt, zeigt, dass allein im ersten Quartal des Jahres 2024 bereits 630 Unternehmen in der Immobilienbranche Insolvenz anmelden mussten. Dies entspricht einem Anstieg von 18,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und 17,3 Prozent mehr als im vorherigen Quartal. Im gesamten Jahr 2023 mussten in Deutschland 1997 Immobilienfirmen Insolvenz anmelden.
Baukrise geht noch bis 2026: Insolvenzen werden „zweistellig“ ansteigen
Christian Alpers, Leiter des Geschäftsbereichs Real Estate bei Falkensteg, prognostiziert: „Ich rechne für dieses Jahr mit einem mindestens zweistelligen Anstieg der Insolvenzen“. Er fügt hinzu: „‘Survive until 25‘ war das Wort des Jahres 2023 in der Immobilienbranche. Doch die Durchhalteparole könnte länger gelten als die Branche erwartet. Die Krise wird sich bis weit ins Jahr 2026 hineinziehen, bevor sich eine Trendwende abzeichnet.“
Besonders betroffen von der Pleitewelle sind laut Falkensteg die Großunternehmen mit Jahresumsätzen über zehn Millionen Euro. Im gesamten Jahr 2023 gab es in der Immobilienbranche 31 Großinsolvenzen. Im ersten Quartal 2024 waren es bereits 21, im ersten Quartal 2023 hingegen nur sechs. Alpers stellt fest: „Derzeit stellt sich die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, in Deutschland zu investieren, da die Rahmenbedingungen für langfristige Projekte zu unsicher sind“.
Er erklärt weiter: „Der Auftragsrückgang wird die Bauunternehmen hart treffen, da sie ihr Personal nicht mehr auslasten und ihre Strukturkosten nicht mehr zeitnah anpassen können, um profitabel zu arbeiten. Die Krise hat damit weitere Stufen der Immobilien- und Bauwirtschaft erreicht und ein Ende ist weiterhin nicht in Sicht“.
Ampel hat Investoren in der Baubranche verunsichert
Die aktuelle Baukrise gleicht einem perfekten Sturm: Seit 2020 sind die Kosten für den Wohnungsbau um 45 Prozent gestiegen, was die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum nahezu unmöglich macht, es sei denn, der Bau wird subventioniert. Die Ampel-Regierung hat jedoch wichtige Förderprogramme wie die KfW 55-Förderung kurzfristig auslaufen lassen und keinen rechtzeitigen Ersatz bereitgestellt. Dies hat Investoren abgeschreckt und sorgt bis heute für extreme Unsicherheit. Hinzu kommt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die Inflation die Leitzinsen deutlich erhöht hat, was den Kauf eines Einfamilienhauses für die meisten Menschen unrealistisch macht. All dies führt dazu, dass vorerst nichts mehr passiert.
Thomas Reimann, Vorstandsvorsitzender der ALEA Hoch- und Industriebau GmbH, äußerte sich dazu in seiner Rede beim Branchentreffen Immotalk in Bad Vilbel in der vergangenen Woche: „Wir können und wollen die Fülle an schlechten Nachrichten nicht weiter ertragen“. Er fügte hinzu: „Im Februar haben wir gegenüber dem Vorjahresmonat einen Rückgang der Baugenehmigungen um gut 18 Prozent. Bis zum Februar wurden nur noch 35.000 Wohnungen genehmigt. Januar und Februar 2023 waren es noch 44.200, in den Jahren zuvor knapp 58.000 Wohnungen.“
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Wärmepumpen und Solarunternehmen sorgen für Aufschwung
Christian Alpers sieht die Hoffnung für die Immobilienwirtschaft in den Unternehmen im Bereich der energetischen Sanierung, wie Heizungsbauer, Solarunternehmen und Handwerksbetriebe in diesen Bereichen. Auch im Lager- und Logistikbau sowie im Industriebau gab es in den letzten zwölf Monaten „so gut wie keine Insolvenzen“, sagt er.
Die Analyse von Falkensteg zeigt auch, dass die Insolvenzen über die Immobilienwirtschaft hinaus zugenommen haben. Über alle Branchen und Unternehmensgrößen hinweg gab es im ersten Quartal 2024 insgesamt 4520 Insolvenzen, das waren 12,6 Prozent mehr als im Vorquartal und 25,8 Prozent mehr als im Vorjahr.