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Analyse der Inflation im Oktober: Die Eurozone kann das Inflationsziel schneller erreichen, als die EZB erwartet

Analyse der Inflation im Oktober Die Eurozone kann das Inflationsziel 
schneller erreichen als die EZB erwartet
Die Euroteuerung zieht im Oktober stärker an, als Ökonomen vorhergesagt hatten. Das Ziel von 2% kann aber im Frühjahr erreicht werden – die Aussicht auf eine Zinssenkung im Dezember ist intakt.

AboAnalyse der Inflation im Oktober

Die Eurozone kann das Inflationsziel schneller erreichen, als die EZB erwartet

Die Euroteuerung zieht im Oktober stärker an, als Ökonomen vorhergesagt hatten. Das Ziel von 2% kann aber im Frühjahr erreicht werden – die Aussicht auf eine Zinssenkung im Dezember ist intakt.

André Kühnlenz
Publiziert: 31.10.2024, 16:24

Im Oktober sind die Energiepreise wie etwa für Benzin stärker gestiegen.

Bild: mladenbalinovac/Getty Images

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In Kürze:
  • Die Inflation im Euroraum bleibt im Oktober auf Kurs für das 2%-Ziel.
  • Energiepreise trugen im Oktober massgeblich zum Anstieg der Inflationsrate bei.
  • Die EZB erwägt im Dezember eine Zinssenkung, gestützt durch das Inflationsmomentum.
  • Deutschlands Wirtschaft kämpft mit Stagnation, beeinflusst durch die Energiekrise.

Die Inflation im Euroraum ist auch im Oktober auf Kurs, das Ziel von 2% der Eurowährungshüter im Frühjahr zu erreichen. Das wäre deutlich früher, als die Notenbankökonomen noch im September mit dem vierten Quartal 2025 vorhergesagt hatten. Einer Zinssenkung Ende dieses Jahres dürfte damit nach jetzigem Stand nichts entgegenstehen. Allerdings werden bis zum Sitzungstermin am 12. Dezember noch eine Reihe wichtiger Daten veröffentlicht, die für die Europäische Zentralbank wichtig sein werden: auch bei der Frage, ob sie 0,25 oder 0,5 Prozentpunkte senken wird.

Die Aussicht auf ein schnelleres Erreichen des Inflationsziels wird auch durch die vorläufigen Daten des Statistikamts Eurostat für den Oktober nicht zunichtegemacht. Im Vormonat war die Jahresrate der Inflation noch von 2,2 auf 1,7% erheblich schneller gesunken als von Ökonomen erwartet. Allerdings war damals bereits klar, dass die Teuerung nur vorübergehend auf weniger als 2% gefallen ist. Im Oktober sprang sie nun zurück auf 2%. Dies ist allerdings etwas mehr, als Ökonomen mit 1,9% zuvor erwartet hatten.

Dass die Teuerungsrate in den letzten Monaten 2024 ohnehin wieder zulegen würde, liegt vor allem daran, dass die Preise für Energie und Dienstleistungen Ende 2023 stark gesunken sind. Damit verzerrt also die Vergleichsbasis im Vorjahr den tatsächlichen Inflationstrend. Seit der September-Sitzung waren viele Währungshüter im EZB-Rat zum Schluss gekommen, dass nach dem eher technischen Rückprall bis Ende 2024 die Teuerung deutlich früher als im Schlussquartal des nächsten Jahres auf das Ziel von 2% zurückkehren wird.

Energie wird wieder teurer

Das war mit ein Grund dafür, dass die Notenbanker im Oktober die Leitzinsen gesenkt hatten. Hatten sie die Märkte vorher doch allein auf den Dezemberschritt vorbereitet. Aktuell liegt der wichtigste EZB-Leitzins auf die Einlagen der Banken bei 3,25%. Bislang ist noch unklar, ob es im Dezember einen Rückgang auf 3 oder sogar auf 2,75% geben wird.

Im Oktober gab es aber nicht nur einen Basiseffekt, der die Teuerung stärker anziehen liess. In der Jahresrate trug vor allem Energie mit einem Plus von 0,15 zum Gesamtanstieg von 0,26 Prozentpunkten bei, 0,10 kamen von den Lebensmitteln. Die Kernpreise für Dienstleistungen und Industriegüter ohne Energie hatten mit 0,01 Prozentpunkten keinen Effekt. Dieses Muster zeigte sich auch in der monatlichen Veränderung, wie aus saisonbereinigten Daten der EZB hervorgeht.

Nach zwei Rückgängen in Folge stiegen die Energiepreise im Oktober wieder auf Monatssicht (vgl. Grafik). Dies dürfte darauf zurückgehen, dass sich Öl und Gas im Zuge des Nahostkonflikts verteuert haben. Der Kurs für Öl der Sorte Brent stieg um 2,4% im Vergleich zu September. Europäisches Gas mit Lieferung im nächsten Jahr wurde 5,7% teurer. Allerdings trugen auch Dienstleistungspreissteigerungen stärker zum Preisanstieg im Oktober bei. Dies änderte jedoch nichts daran, dass die Kernrate im Dreimonatsschnitt (Momentum) weiterhin einen Rückgang der Jahresrate signalisiert.

Inflationsziel im Frühjahr bleibt in Sichtweite

Die Notenbanker achten besonders auf die Kernpreise, weil sie weniger schwanken und damit bessere Aussagen über den Inflationstrend erlauben. Zudem sind hier die Wirkungen der Lohnsteigerungen am schnellsten zu spüren, die den Währungshütern aktuell noch Sorgen bereiten. Daher stützt der weitere Rückgang des Momentums die Aussicht, dass die EZB im Dezember ihre Zinsen senken wird.

Eine rechnerische Fortschreibung durch «Finanz und Wirtschaft» zeigt zudem, dass die Gesamtrate der Inflation im Februar auf weniger als 2% sinkt; für die Kernrate könnte es demnach im Juli der Fall sein (vgl. Grafik). Dies bestätigt die Erwartungen, dass die Notenbankökonomen im Dezember ihre Vorhersage für das Erreichen des Inflationsziels zurücknehmen werden.

Die Wahrscheinlichkeit, dass der EZB-Rat im Dezember die Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte senkt, ging diese Woche allerdings von 42% am Montag auf 15% am Donnerstag zurück. Dazu hatte auch beigetragen, dass der monatliche Anstieg der Konsumentenpreise in Deutschland im Oktober besonders stark war. Auf das Jahr hochgerechnet steht in EU-harmonisierter Rechnung ein Plus von 5,7% zu Buche, wie saisonbereinigte Daten der Bundesbank zeigen. Im gesamten Euroraum waren es nur 3,8%.

Deutsche Währungshüter dämpfen Zinserwartungen

Dabei bleibt abzuwarten, ob ein Monatswert das gesamte Inflationsbild grundlegend verändert. Die deutschen Ratsmitglieder, EZB-Direktorin Isabel Schnabel und Bundesbankchef Joachim Nagel, dämpfen jedenfalls diese Woche Erwartungen an einen grossen Zinsschritt im Dezember. Bis dahin werden auch mehr Details zum Wachstum in der Eurozone im dritten Quartal vorliegen.

Bis jetzt ist bekannt, dass die gesamte Eurozone im dritten Quartal immerhin ein Plus des Bruttoinlandprodukts von 0,4% erzielte; mit derselben Rate legte auch das französische BIP zu. Italien kam dagegen nur auf eine rote Null. Deutschlands BIP legte zwar um 0,2% zu, das war jedoch noch nicht einmal genug, um den stärkeren Rückgang im Frühjahr auszugleichen, der von –0,1 auf –0,3% revidiert wurde. Deutschlands Wirtschaftsleistung liegt noch immer 0,1% unter dem Niveau des ersten Quartals und gerade einmal 0,15% über dem Stand Ende 2019.

Das dritte Jahr der deutschen Stagnation in Folge der Totalinvasion Russlands in die Ukraine und der Energiekrise drückt sich in Zahlen wie folgt aus: Seit Ende 2019 liegt Spaniens BIP 6,5% über dem deutschen, die USA sind 11,3% voraus, Italien 5,4% und Frankreich 3,9%. Hinzu kommt, dass sich die Krise auf dem deutschen Arbeitsmarkt verschärft. Mittlerweile dürfte der Stellenabbau bereits branchenübergreifend, also nicht nur in der Industrie, begonnen haben.

Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland, der Arbeitnehmer und Selbständigen, schrumpfte bereits im dritten Quartal im Vergleich zu den drei Monaten zuvor. Am Ende des Jahres dürfte wohl ein Minus übrig bleiben. Auch wenn das Arbeitskräftehorten der Unternehmen zuletzt nur wenig nachgelassen hat, wie Umfragen der EU-Kommission zeigen. Die Arbeitsmarktkrise in Deutschland könnte das Pendel im Dezember wieder in Richtung einer Zinssenkung um 0,5 Prozentpunkte schlagen lassen.

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André Kühnlenz ist Redaktor im Märkteteam, er schreibt über Anleihenmärkte, Notenbanken und andere Makrofinanzthemen.Mehr Infos@KeineWunder

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