Sexuelle Gesundheit: HIV-Diagnosen stagnieren, Anstieg bei Chlamydien
401 neue Diagnosen mit HIV („Humanes Immunschwäche-Virus“) gab es 2023. „Seit Langem stagnieren die jährlichen Zahlen auf diesem relativ hohen Niveau“, sagt Hall. Um die Ziele des gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen für HIV/AIDS (UNAIDS) zu erreichen, müssen wir in den kommenden Jahren aber eine Reduktion schaffen.“
Mehr andere Infektionen:
Europaweit nehmen sexuell übertragene Infektionen wie Syphilis, Gonorrhoe und Chlamydien deutlich zu. „In Österreich ist besonders der Anstieg der Infektionen mit Chlamydien wirklich besorgniserregend“, so Hall. Denn die Langzeitfolgen können speziell für Frauen dramatisch sein: „Ein guter Teil an Problemen mit der Fruchtbarkeit geht auf nicht bemerkte Chlamydien-Infektionen zurück. „Dabei sind sie gut mit Antibiotika zu behandeln, Langzeitfolgen können bei frühzeitiger Therapie verhindert werden.“
Das Problem: „Laut Verhütungsbericht des Gesundheitsministeriums verhüten 40 Prozent der 14- bis 20-Jährigen überhaupt nicht – gerade bei Chlamydien und der Gonorrhoe sieht man aber schon im jüngeren Alter einen Erkrankungsgipfel.“ Die Verwendung eines Kondoms kann das Infektionsrisiko deutlich senken. „Und ein niederschwelliger, kostenfreier Zugang zu Tests über die E-Card könnte viele Spätfolgen verhindern, kostenfreie Verhütungsmittel deren Anwendung erhöhen.“
Anhaltende Diskriminierung:
In einer vom Pharmaunternehmen Gilead Sciences präsentierten Umfrage waren 30 Prozent der Befragten fälschlicherweise der Ansicht, dass ein Kuss zur Übertragung von HIV führen könnte. 20 Prozent halten Menschen mit HIV für eine Gefahr für die Gesellschaft.
„Diese Ängste sind unbegründet“, sagt der Infektiologe Alexander Zoufaly, Präsident der Österreichischen AIDS-Gesellschaft. „98 Prozent der Menschen, bei denen die HIV-Infektion bekannt ist, werden behandelt.“ Die Medikamente drücken das HI-Virus unter die Nachweisgrenze: „Eine Infektion ist dadurch ausgeschlossen – auch beim Sex.“ Deshalb ist in diesem Fall auch ein kondomloser Sexualverkehr möglich. Aber auch bei einem unbehandelten Infizierten werde das Virus nicht über einen Kuss weitergegeben.
„Es gibt viel Unwissen, gepaart mit alten Schreckensbildern von AIDS und Vorurteilen“, sagt Hall: „Aber im normalen Alltagsleben ist HIV nicht übertragbar.“ Trotzdem erleben viele Menschen mit HIV heute immer noch ein abwertendes Verhalten, wenn sie ihren HIV-Status bekannt geben, berichtet die Gynäkologin: "Allein schon die Angst davor, als HIV-positiver Mensch vielleicht stigmatisiert zu weren, hält Menschen von einem HIV-Test ab. Hier gibt es noch viel zu tun."
Neue Schutzmöglichkeit:
Seit 1.4. übernehmen die Krankenkassen die Kosten für ein vorbeugendes, rezeptpflichtiges HIV-Medikament. Diese Tablette wird täglich von HIV-negativen Personen mit hohem Infektionsrisiko eingenommen, um präventiv vor HIV zu schützen. „Ansteckungen werden wirkungsvoll verhindert“, sagt Zoufaly.
Konkrete Zahlen gibt es noch nicht, aber bei der Aids-Hilfe Wien geht man von mehreren Tausend Anwendern aus: „Im Rahmen dieser Präexpositionsprophylaxe (PrEP) werden regelmäßig auch Tests auf andere sexuell übertragbare Krankheiten durchgeführt, wie Syphilis, Gonorrhoe oder Chlamydien. Insgesamt führt das zu mehr Tests und könnte auch einen Teil des Anstiegs der Diagnosen erklären.“ Ausführliche Informationen zu dieser Art der Prävention gibt es auf der PrEP-Informationsseite der Österreichischen AIDS Gesellschaft: auf der PrEP-Informationsseite der Österreichischen AIDS Gesellschaft (ÖAG): https://www.hivprep.at/
Dieser Tage sorgten positive Daten zu einer halbjährlichen Injektion zum Schutz vor einer HIV-Infektion für Aufsehen. „Das ist natürlich eine einfachere Anwendung als eine tägliche Tablette“, so Zoufaly. Aber noch ist völlig unklar, wann es zu einer Zulassung kommt und zu welchem Preis diese Depotspritze auf den Markt kommen würde.
"Zentrum für sexuelle Gesundheit" geplant:
Um dem steigenden Bedarf an Gesundheits- und Beratungsleistungen gerecht werden zu können, plant die Aids Hilfe Wien die Errichtung eines "Zentrums für sexuelle Gesundheit". Dringend notwendige Angebote wie Tests, Beratung, Prävention und künftig auch die Behandlung von HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen sollen an einem Ort vereint werden.