Präventionsmediziner klärt auf: Ist Nase hochziehen ungesund und hilft Vitamin C wirklich?
Nasskaltes Wetter, trockene Heizungsluft und volle Arztpraxen: Mit dem Herbst startet auch die Erkältungszeit. Wer Linderung sucht, wird meist schnell fündig. Ob von Oma oder im Internet - es gibt unzählige Tipps, was bei einem Schnupfen am besten hilft und wie man sich vor fiesen Erregern schützen kann. Doch stimmen diese Weisheiten wirklich oder sind es doch nur Mythen? Ein Mediziner klärt auf.
Behauptung: Kälte verursacht Schnupfen.
Stimmt so nicht! Zwar steckt das Wort "Kälte" in Erkältung. Verantwortlich für einen Infekt sind jedoch Viren oder manchmal auch Bakterien - und nicht das kühle Wetter. "Ohne Erreger kommt es auch nicht zu einer Erkältung", sagt Präventionsmediziner und Medizinjournalist Christoph Specht im Gespräch mit ntv.de. "Wenn man sich mit nacktem Hintern auf eine einsame Eisscholle bei minus 45 Grad setzt, passiert sicherlich vieles, aber man bekommt keinen Infekt." Denn in diesem Szenario fehle ein Organismus, der die Erreger übertragen könnte.
Auch wenn also niedrige Temperaturen per se keinen Schnupfen auslösen - eine Rolle kann Kälte laut Specht dennoch spielen. "Bei Kälte werden unsere Schleimhäute schlechter durchblutet", erklärt der Experte. "Das bedeutet, dass es dort dann auch weniger Abwehrzellen gibt." Die Immunbarriere sei geschwächt und könne dadurch schlechter Erreger abwehren.
Behauptung: Händewaschen schützt vor Ansteckung.
Stimmt! Viren sind winzig kleine Teilchen, die beim Niesen, Husten oder einfach beim Ausatmen in die Umgebung geschleudert werden. "Dieses Aerosol regnet auf eine Oberfläche ab und ist dann noch eine Weile infektiös", sagt Specht. Wenn nun jemand in Kontakt mit diesen Oberflächen kommt und sich anschließend die Augen reibt oder sich an die Nase oder den Mund fasst, können die Erreger in die Schleimhäute gelangen. Experten sprechen in diesem Fall von einer Schmierinfektion. Regelmäßiges Händewaschen könne die Verbreitung von Viren und die Ansteckungsgefahr senken, so Specht. Dafür sollten die Hände gründlich für 20 bis 30 Sekunden eingeseift werden - auch zwischen den Fingern.
Behauptung: Viel Vitamin C und Zink helfen gegen Erkältungen.
Stimmt nicht! "Wenn man einen echten Mangel hat, helfen Vitaminpräparate natürlich", sagt Specht. Aber auch nur dann. Alle Studien zu Vitamin-C-Präparaten zeigten eindeutig, dass die tägliche, vorbeugende Einnahme selbst hoher Dosen eine Erkältung nicht verhindern könne, so der Mediziner.
Eine Ausnahme scheine es jedoch zu geben: Extremsportler. Bei ihnen hätten Untersuchungen gezeigt, dass die prophylaktische Einnahme von hochdosiertem Vitamin C die Häufigkeit von Erkrankungen tatsächlich reduzieren könne. Auf Menschen im echten Leben seien die Ergebnisse aber kaum übertragbar, so Specht. "Und im Akutfall bringt zusätzliches Vitamin C ohnehin nichts."
Bei Zink ist die Studienlage dem Experten zufolge etwas uneindeutiger. So gebe es Hinweise, dass Zink die Krankheitsdauer tatsächlich verkürzen könne - von einem halben bis zu vier Tagen. "Bei einer so großen Spannbreite sinkt allerdings die Signifikanz der Studie", sagt Specht. "Sicherlich liegt die verkürzte Zeit, wenn überhaupt, aber eher bei 0,5 als bei 4 Tagen im Schnitt." Außerdem rät der Mediziner von einer regelmäßigen und hochdosierten Einnahme ab. Zink habe Nebenwirkungen, die mehr schaden als helfen.
Behauptung: Nase hochziehen ist ungesund.
Stimmt nicht ganz! "Zwar kann es beim Hochziehen passieren, dass der Schleim zum Teil in die Nasennebenhöhlen gelangt, wo er nicht hingehört", sagt Specht. Das meiste Sekret wird aber in den Rachen befördert und runtergeschluckt. Die Magensäure macht die Erreger darin dann unschädlich. Schlecht ist es dagegen, die Nase mit Aufbau von viel Druck zu putzen, denn dann gelangt viel Schleim in die Nebenhöhlen. "Im schlimmsten Fall setzt sich eine bakterielle Superinfektion rauf und man bekommt eine Nasennebenhöhlenentzündung." Der Experte empfiehlt stattdessen, sich vorsichtig die Nase zu schnäuzen, ohne viel Druck aufzubauen.
Behauptung: Kalte Duschen härten ab.
Stimmt nur zum Teil! Wissenschaftler aus den Niederlanden gingen dieser These nach. Dabei kam heraus, dass Menschen, die anfingen, auch kalt zu duschen, sich seltener und weniger heftig krank fühlten. Bei den tatsächlichen Krankheitstagen pro Jahr gab es dagegen keine großen Unterschiede zu den Testpersonen, die weiter warm duschten.
Beim kalten Duschen geht es weniger um das kalte Wasser als den Wechsel zwischen kalt und warm, erklärt Specht. Wegen der Kälte ziehen sich die Blutgefäße der Haut zusammen. Wenn es anschließend wieder warm wird, weiten sich die Blutgefäße wieder und es fließt mehr Blut durch als zuvor. "Man konnte beobachten, dass dabei mehr Lymphozyten, also bestimmte weiße Blutkörperchen, die für die Immunabwehr wichtig sind, ins Gewebe transportiert worden sind", erklärt Specht. Ob das aber auch tatsächlich einen Effekt auf die Abwehr von Erkältungen hat, sei nicht eindeutig nachgewiesen. Fest steht: "Wenn überhaupt bringt kalt duschen nur etwas, wenn man es regelmäßig über einen langen Zeitraum macht", so Specht.
Behauptung: In der Sauna kann man eine Erkältung ausschwitzen.
Stimmt nicht! Wer erkältet ist, sollte auf keinen Fall in die Sauna gehen. "Ein Infekt fordert Höchstleistungen vom Körper", sagt Specht. Denn er müsse in kurzer Zeit viele Antikörper produzieren. Das bedeute Stress für den Körper. Ein Saunagang mit den starken Temperaturschwankungen zwischen Heiß und Kalt belaste ihn zusätzlich. "Kapazitäten von der Immunarbeit werden sozusagen abgezogen, um die Körpertemperatur zu regulieren", sagt der Mediziner. Im schlimmsten Fall könne das eine Erkältung sogar verlängern. Gegen Saunieren als Prophylaxe sei hingegen nichts einzuwenden.
Das beste Mittel bei einer Erkältung ist gleichermaßen simpel und erfolgversprechend: Schlaf. Im Schlaf kommen bestimmte Abwehrzellen, die T-Zellen, richtig auf Touren. Sie aktivieren Rezeptoren, mit denen sie mit Viren befallene Zellen ausfindig machen, kapern und vernichten. "Mit Schlaf lassen sich Infekte am besten bekämpfen", versichert Specht. Außerdem hat Bettruhe einen weiteren Vorteil: Wer erkältet im Bett bleibt, kann niemanden anstecken.