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CDU-Vorsitz - Späte Genugtuung für Friedrich Merz

CDUVorsitz  Späte Genugtuung für Friedrich Merz
Der prononcierte Konservative schafft es doch an die CDU-Spitze. Er muss künftig verbinden und weniger polarisieren.
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Zwei Vorsitzende hat die CDU mit Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet in den vergangenen drei Jahren verschlissen. Welch Kontrast zu Angela Merkel, die zuvor 18 Jahre die deutschen Konservativen anführte, von 2000 bis 2018. Am Beginn ihrer Amtszeit war Friedrich Merz ihr größter parteiinterner Widersacher. Merkel setzte sich um den Fraktionsvorsitz durch. Merz, der sich stets für fähiger als Merkel hielt, legte 2009 sein Bundestagsmandat nieder – und kehrte nach der Wahl diesen September wieder ins Parlament zurück.

Nach zwei gescheiterten Anläufen 2018 und zu Beginn dieses Jahres erobert der 66-Jährige nun den CDU-Vorsitz. Merz deklassierte mit 62,1 Prozent der Stimmen seine Konkurrenten. Norbert Röttgen, Ex-Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, erhielt 25,8 Prozent. Auf Merkels einstigen Kanzleramtschef Helge Braun entfielen lediglich 12,1 Prozent. Seinen wahlkämpfenden Anhängern richtete Merz am Freitag aus: "Es hat sich gelohnt." Späte Genugtuung auch für ihn.

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Das Ergebnis überrascht nur in der Höhe, Merz ging als klarer Favorit in die Abstimmung. Denn erstmals entschieden die rund 400.000 Mitglieder, wer CDU-Chef wird. Die Basis – Durchschnittsalter über 60 Jahre – gilt als konservativer als die Delegierten, die bisher über den Vorsitz votiert haben. Das kam dem wirtschaftsliberalen und gesellschaftspolitisch konservativen Merz entgegen. Röttgen und Braun stehen für einen Mitte-Kurs – wie auch die gescheiterten Kurzzeit-Vorsitzenden Kramp-Karrenbauer und Laschet.

Die Zukunft mit alten Rezepten kann aber auch Merz nicht bestreiten. Zwar ist er ein klassicher Vertreter der CDU: männlich, westdeutsch, katholisch. Doch die Gesellschaft ist nicht mehr jene des Jahres 1989, als Friedrich Merz zum ersten Mal ein Abgeordnetenmandat innehatte; als Mitglied des Europäischen Parlaments. Er bedient aber die Sehnsucht nach Beständigkeit in einer Partei, die unter Merkel konservative Kernwerte aufgab. Der sprunghafte Ausstieg der von 2005 bis Anfang Dezember dieses Jahres amtierenden Kanzlerin aus der Kernenergie, die Aussetzung der Wehrpflicht und die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare sind gern zitierte Beispiele. All dies geschah jedoch in Einklang mit dem Zeitgeist und sicherte Merkel die Sympathien von Bürgern, die sonst für die CDU unempfänglich gewesen wären. Heute sehen selbst die meisten Konservativen die Atomkraft nicht als vermeintlich "grüne" Energie, wie es beim Nachbarn Frankreich gang und gäbe ist.

AfD weiterhin stark

An die Substanz gehen CDU und ihrer bayerischen Schwester CSU die rechts von ihnen etablierte AfD. Sie hat mit Hartwährungspolitik und Euro-Kritik angefangen, urkonservativen Themen. Und profitierte von Merkels Entscheidung im Sommer 2015, die Grenzen offenzuhalten. Der zeitweise Kontrollverlust über das Staatsgebiet stand in eminentem Gegensatz zum CDU-Selbstbild als der Partei der inneren Sicherheit und hat entscheidend zur Stabilisierung einer stets intern zerstrittenen AfD beigetragen. Zwar verschiebt sich deren innerparteiliches Kräfteverhältnis zugunsten der Rechtsextremen, und auch die Leugner der Pandemie-Folgen werden bedient. Fraktionschefin Alice Weidel bestreitet etwa, dass die meisten Patienten auf deutschen Intensivstationen ungeimpft seien. Dennoch würde derzeit jeder zehnte Deutsche die AfD wählen.

Ein Drittel von ihnen wäre bereits genug, um CDU/CSU zur stärksten Kraft zu machen. Derzeit liegt die Union bei 23 Prozent, drei Prozentpunkte hinter der SPD. Negativ betrachtet: Merz übernimmt eine Partei auf dem Tiefstand, die den Namen Volkspartei nicht verdient. Positiv gesehen: Trotz aller Miseren der vergangenen Monate, allen voran das Wahlkampf-Desaster unter Armin Laschet, ist der erste Platz nahe.

Nur auf die AfD-Sympathisanten kann Merz aber nicht schielen. Zwar würde das der CDU im Osten helfen, wo die Nationalpopulisten in allen Bundesländern mit Ausnahme von Berlin über 20 Prozent bei Landtagswahlen erzielt haben. Dafür ist die AfD im Westen marginalisiert, CDU und CSU kämpfen dort primär mit SPD und Grünen um Stimmen. Zudem muss Merz Mitte-Wähler Merkels halten und darf die Frauen-Union nicht verprellen. Auch den Arbeitnehmerflügel gilt es einzubinden für Merz, der einst für die Abschaffung des Kündigungsschutzes für über 53-jährige Neuangestellte plädierte, Aufsichtsratschef des umstrittenen Vermögensverwalters Blackrock war und sich trotz Millionenvermögens zur "gehobenen Mittelschicht" zählt.

Unterschiedliche Interessen zwischen Wertkonservativen, Wirtschaftsliberalen und Christlich-Sozialen zu vereinen, wird die große Aufgabe von Merz sein. An Selbstbewusstsein mangelt es ihm nicht. Bei seiner Kandidatur 2018 traute er sich zu, die Union wieder über 40 Prozent zu bringen. Fundamentalopposition im Bundestag strebe er nicht an, erklärte Merz am Freitag. Das Parlament könnte unter dem talentierten Redner erleben, was in der Merkel-Ära oft vermisst wurde: das Wiederaufleben der Debattenkultur im Bundestag.

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