Wall Street: Dow Jones schließt fester: US-Märkte drehen nach heftigen Turbulenzen überraschend ins Plus
Börsianer brauchten am Montag starke Nerven. Die drohende Drosselung der Geldflut der US-Notenbank und die sich verschärfende Ukrainekrise sorgten zunächst für herbe Verluste am New Yorker Aktienmarkt. Der Dow-Jones-Index verlor am Montag zeitweise mehr als 1000 Punkte, schloss schließlich jedoch 0,29 Prozent fester bei 34.364 Zählern. Der marktbreite S&P endete ebenfalls knapp in der Gewinnzone bei 4410 Punkten und damit 0,27 Prozent stärker.
Der Index der Technologiebörse Nasdaq sackte zunächst um 4,9 Prozent auf 13.094 Punkte ab, drehte sich zum Handelsschluss jedoch ebenfalls und schloss ein halbes Prozent im Plus bei 14.509 Punkten.
Die Marktteilnehmer müssen sich auf eine neue Phase einstellen, die mit mehr Volatilität verbunden ist. „Wenn es nur die Ukraine allein wäre, würden die Leute es ignorieren, aber das bringt heute das Fass zum Überlaufen“, sagte Gary Black, geschäftsführender Gesellschafter des Future Fund Active ETF (FFND). „Gleichzeitig machen sich die Leute Sorgen, dass die Fed sich einen geldpolitischen Schnitzer erlaubt, und das bringt nur zusätzliche Unsicherheit.“
Bei dem am Mittwoch anstehenden Zinsentscheid der US-Notenbank werden Börsianer genau beäugen, wie besorgt die Fed über die steigende Inflation ist und wie aggressiv sie versuchen wird, diese einzudämmen. Am Geldmarkt ist eine Erhöhung der Zinsen um 25 Basispunkte im März bereits vollständig eingepreist, zudem drei weitere Zinserhöhungen bis zum Jahresende.
Top-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und per E-Mail benachrichtigt werden.
„Die Exzesse, die wir 2020 und 2021 gesehen haben, sind erst einmal vorbei“, glaubt Shortseller Jim Chanos von Kynikos Associates. Investoren müssten sich darauf einstellen, „dass sich die Fed nun viel mehr um die Wirtschaft sorgt als um die Märkte“, sagte er im US-Börsensender CNBC. Das wäre ein deutlicher Strategieschwenk. Schließlich hatte die US-Notenbank die Aktienmärkte in der Pandemie immer wieder gestützt und neue Rekorde befeuert. Chanos warnt jedoch vor zu viel Panik. Sein Fonds setze auf steigende Kurse bei den großen Indizes. Lediglich bei Aktien, die extrem hoch bewertet seien, würde er auf fallende Kurse wetten.
Die hohe Volatilität an den Märkten würde auch Fed-Chef Jerome Powell nicht kalt lassen, glaubt Art Cashin von der UBS. Zwar könne er nicht zu sehr nachgeben, weil er die hohe Inflation bekämpfen müsse. „Doch ich glaube, dass Powell und die anderen Notenbanker nervös geworden sind. Das könnte dazu führen, dass sie bei ihrer Sitzung am Mittwoch den Fuß etwas vom Gas nehmen werden.“ Gut möglich, dass die Hoffnung auf weniger aggressive Signale der Fed die Anleger zum Handelsschluss wieder etwas beruhigt hat.
Matthew Tuttle von Tuttle Capital Management geht davon aus, dass die Volatilität in den kommenden Wochen anhalten wird. „Das derzeitige Marktumfeld wurde von der Geldpolitik geschaffen. Jetzt, wo sich die Geldpolitik ändert, müssen Assets neu bewertet werden. Leider geht das an der Wall Street nicht immer so einfach“, warnt Matthew Tuttle von Tuttle Capital Management. „Hinzu kommt, dass eine Reihe von Investoren, darunter auch viele Kleinanleger, noch nicht ganz begriffen haben, dass sich das Marktumfeld ändern wird.“
Ukrainekrise belastet MärkteAuch die sich verschärfenden Spannungen zwischen Russland und dem Westen beunruhigen die Anleger. Die Kriegsgefahr sei noch nie so groß gewesen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in Moskau. Die Streitkräfte der Nato-Staaten sind nach Angaben von Generalsekretär Jens Stoltenberg in Alarmbereitschaft.
Das Thema Ukraine werde die Märkte auf absehbare Zeit belasten, „bis es eine Art Lösung und mehr Klarheit gibt, wie die Sache ausgeht“, sagte Darren Schuringa, Chef des Vermögensverwalters ASYMmetric ETFs.
Anleger flohen aus russischen Aktien, die so stark abrutschten wie seit dem coronabedingten Börsencrash vom März 2020 nicht mehr. Der Moskauer Leitindex fiel um knapp sechs Prozent. Die russische Währung geriet ebenfalls unter Druck. Im Gegenzug notierte der Dollar mit 78,67 Rubel so hoch wie zuletzt im November 2020.
Kryptowährungen flogen ebenfalls aus den Depots. Bitcoin und Ether rutschten zeitweise um bis zu 15 Prozent ab und notierten mit 33.584 und 2220 Dollar auf dem Niveau von vor einem halben Jahr. Den US-Indizes folgend drehte jedoch auch der Bitcoin wieder ins Plus und lag kurz nach Handelsschluss in New York bei über 37.000 Dollar. Belastet von einem stärkeren Dollar, verbilligte sich das Nordseeöl Brent im tagesverlauf mehr als zwei Prozent und notierte zum Handelsschluss etwa ein Prozent tiefer.
Die „Antikrisenwährung“ Gold verteuerte sich um 0,5 Prozent auf 1843 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Anleihen waren ebenfalls gefragt, wodurch die Rendite der zehnjährigen US-Treasuries zeitweise auf 1,726 Prozent fiel – zum Handelsschluss notierte sie wieder bei 1,776 Prozent.
US-Technologietitel verloren im tagesverlauf besonders stark. Mit einem Minus von rund acht Prozent führte Tesla dieser Verliererliste zeitweise an. Zum Handelsschluss lagen die Titel des E-Autobauers noch rund 1,3 Prozent im Minus. Bei vielen Tech-Titeln seien die Bewertungen hoch, wenn die Gewinne keine Rechtfertigung dafür lieferten, gebe es Raum für anhaltende und weitere Korrekturen, sagte Investmentexperte Schuringa.
Blick auf weitere EinzelwerteKohl‘s: Die Aussicht auf einen Bieterwettkampf um Kohl‘s bescherte der Kaufhauskette den größten Kurssprung seit fast zwei Jahren. Die Aktien stiegen an der Wall Street um über 36 Prozent auf 63,71 Dollar. Insidern zufolge will der Finanzinvestor Sycamore die Offerte von Acadia über 64 Dollar je Aktie überbieten. Im Raum stehe ein Angebot von 65 Dollar je Aktie oder insgesamt rund neun Milliarden Dollar. Kohl‘s bestätigte Interessensbekundungen, nannte allerdings keine Namen oder Details.
Peloton: Der aktivistische Investor Blackwells Capital hat den Fitnessgerätehersteller aufgefordert, seinen CEO zu entlassen und einen Verkauf des Unternehmens anzustreben. Die Aktie des Unternehmens ist seit ihrem Allzeithoch um mehr als 80 Prozent gefallen. Nach einer Berg-und-Tal-Fahrt notierte Peloton bei Handelsschluss 9,7 Prozent höher.
Gamestop und AMC: Im Abwärtssog der Börsen geraten auch die vor allem bei Kleinanlegern beliebten Spekulationsobjekte ins Rutschen. Die Papiere von Gamestop und AMC Entertainment fielen jeweils um bis zu zwölf Prozent, zum Handelsschluss verbesserte sich der Kurs jedoch auf 5,8 beziehungsweise 7,4 Prozent. Die Aussicht auf steigende Zinsen nehme den Zockern den Wind aus den Segeln, sagte Thomas Hayes, geschäftsführendes Mitglied bei Great Hill Capital. Im vergangenen Jahr waren Gamestop um 600 Prozent gestiegen, AMC hatten mehr als 1100 Prozent zugelegt.
Coinbase: Die Aktien der Handelsplattform für Kryptowährungen fallen um bis zu 9,7 Prozent und spiegeln damit die Abwärtsbewegung bei Kryptowährungen über das Wochenende und zu Wochenbeginn wider. Der Bitcoin erreichte den niedrigsten Stand seit Juli vergangenen Jahres. Zum Handelsschluss lag das Minus nur noch bei 0,25 Prozent.
Mehr: Was ein Jahr nach der Gamestop-Rally von den Reddit-Tradern geblieben ist