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Ifo-Umfrage: Für Firmen wird Deutschland immer unattraktiver

IfoUmfrage Für Firmen wird Deutschland immer unattraktiver
Die Bundesrepublik driftet als Wirtschaftsstandort im europäischen Vergleich immer weiter ins Mittelfeld ab. Das zeigt eine neue Auswertung des Ifo-Instituts. Die Schweiz steht bei Wirtschaftsexperten hingegen hoch im Kurs.

Die Bundesrepublik driftet als Wirtschaftsstandort im europäischen Vergleich immer weiter ins Mittelfeld ab. Das zeigt eine neue Auswertung des Ifo-Instituts. Die Schweiz steht bei Wirtschaftsexperten hingegen hoch im Kurs.

Lieber Schweiz als Schwaben: Der deutsche Kettensägenhersteller Stihl will seine Produktion im Nachbarland ausbauen.

Lieber Schweiz als Schwaben: Der deutsche Kettensägenhersteller Stihl will seine Produktion im Nachbarland ausbauen.

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Egal, ob BASF, Miele oder Kärcher: Die Liste der deutschen Betriebe, die sich für Investitionen im Ausland und gegen einen Standortausbau im Heimatland entscheiden, wird immer länger. Mit dem schwäbischen Kettensägenhersteller Stihl hat sich am Wochenende nun ein weiteres Traditionsunternehmen zu Wort gemeldet, das mit dem Wirtschaftsstandort Deutschland hadert.

Eine Auslagerung seiner Produktion ins Ausland hat das Unternehmen zwar noch nicht beschlossen, ein Ausbau der Produktionskapazitäten allerdings in Deutschland hat Stihl vorerst gestoppt. Dabei waren die Pläne weit gediehen: Im baden-württembergischen Ludwigsburg hatte der Mittelständler bereits eine alte Halle abgerissen, um Platz für eine neue Produktionsanlage für Führungsschienen zu schaffen.

Immerhin: Sorgen um ihren Job müssen sich die deutschen Mitarbeiter vorerst nicht machen: Das Unternehmen hat für sein Werk in Waiblingen eine Standortgarantie bis 2030 gegeben. Dennoch sieht sich Stihl auch nach Optionen für den künftigen Ausbau seiner Produktion in anderen Staaten um, die bessere wirtschaftliche Voraussetzungen bieten. Nicht zuletzt die Schweiz hat es dem Unternehmen dabei angetan.

Schon heute arbeiten dort 850 Mitarbeiter am Standort Wil für das Unternehmen, dass es künftig noch mehr sein werden, ist nicht auszuschliessen. «In der Schweiz passt das Gesamtpaket aus steuerlicher Belastung, Lohnnebenkosten, Energiepreisen, Genehmigungsprozessen und den Kosten für die Arbeitsstunde», sagte Nikolas Stihl, Beiratsvorsitzender des Kettensägenherstellers, der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Und fügte hinzu: «Die Schweiz ist für uns momentan günstiger als eine Investition in Deutschland.»

Schweiz an der Spitze, Deutschland schafft es nur ins Mittelfeld

Und nicht nur Stihl, auch viele andere Experten bewerten die Schweiz im Vergleich zu Deutschland als Wirtschaftsstandort mittlerweile deutlich attraktiver – obwohl die Lohnkosten dort seit Jahren um ein Vielfaches höher liegen. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Umfrage des Münchener Ifo-Instituts und des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) unter 1500 Wirtschaftsexperten aus 128 Ländern.

Die einheimischen Befragten bewerten die Standortattraktivität Deutschlands demnach mit 61,3 von 100 möglichen Punkten, die ausländischen Befragten vergaben sogar nur 49,6 Punkte. Deutschland schafft es damit europaweit mit Mühe noch ins Mittelfeld. Lediglich die wirtschaftliche Attraktivität von Belgien (57,6 Punkte), Luxemburg (57,4), Italien (50,7), Spanien (58,5) und Portugal (51,4) wurde von den Befragten noch schlechter bewertet.

«Das ist kein besonders tolles Ergebnis für die deutsche Volkswirtschaft», fasst die Ifo-Forscherin Luisa Dörr die Ergebnisse zusammen. Zudem seien 78 Prozent der Befragten in Deutschland der Überzeugung, dass der Wirtschaftsstandort in den vergangenen zehn Jahren unattraktiver geworden sei. 48 Prozent erwarteten zudem eine weitere Verschlechterung in den kommenden zehn Jahren.

Die Standortattraktivität der Schweiz wird wiederum von den heimischen Wirtschaftsexperten mit 72,6 Punkten am höchsten bewertet. Interessant zudem: Mit 77,8 Punkten wird Deutschlands südlicher Nachbarstaat von ausländischen Unternehmen dabei sogar noch besser bewertet als von den heimischen.

Deutschland hat Reformen verschlafen

Schuld am Verlust der wirtschaftlichen Attraktivität in Deutschland sei nicht zuletzt der zögerliche Reformwille der Politik, glaubt Ifo-Präsident Clemens Fuest. Dank guten Wachstumszahlen habe sich die deutsche Politik in falscher Sicherheit gewiegt und über Jahre hinweg zu wenig für den Standort getan, sagt er. «Das rächt sich jetzt, weil das Land mit den hohen Energiepreisen, der schleppenden Digitalisierung und der sinkenden Erwerbsbevölkerung gleich an mehreren Fronten zu kämpfen hat.»

Die Bundesregierung wirke angesichts dieser Herausforderungen bisweilen überfordert: «Sie hat es bislang nicht vermocht, überzeugende und adäquate Lösungen für diese Probleme zu finden.» Stattdessen verliere sie sich noch zu häufig im Klein-Klein.

Die Schweiz auf der anderen Seite habe schon aufgrund ihrer Wirtschaftsstruktur bessere Voraussetzungen, um die aktuellen Krisen zu bewältigen. So seien die Unternehmen weniger stark von den hohen Energiepreisen betroffen, weil der energieintensive Sektor in der Industrie überschaubar sei. Im Kontrast dazu sei in Deutschland mit der Energiewende ein sehr enger Weg beschritten worden mit dem gleichzeitigen Ausstieg aus fossilen Energien und der Kernenergie. «In einem Land aber, dessen Industrie einen sehr hohen Energiebedarf hat, führt das jetzt zu Friktionen.»

Der demografische Wandel wiederum setze zwar auch der Schweiz zu, aber nicht so schwer wie ihrem Nachbarland. «Denn die Anwerbung und damit auch Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften gelingt der Schweiz deutlich besser als Deutschland», sagt Fuest.

Die höhere Standortattraktivität sei dabei nicht zuletzt aber auch Resultat des stark marktwirtschaftlichen Kurses, den die Schweizer Bundesregierung traditionell verfolge. «Dem Land ist es gelungen, sich erfolgreich als Niedrigsteuerland zu positionieren und dadurch Unternehmen anzulocken. Die letzte Unternehmenssteuerreform in Deutschland hingegen liegt mittlerweile anderthalb Dekaden zurück, dabei wäre eine Entlastung der Betriebe dringend notwendig.»

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