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Demenz-Chefarzt verrät: Das tut er selbst, um sich vor der Erkrankung zu schützen

DemenzChefarzt verrät Das tut er selbst um sich vor der Erkrankung zu 
schützen
Ein Chefarzt für Demenzerkrankungen erklärt, welche Maßnahmen er zur Vorbeugung ergreift und welche Tipps er jedem ans Herz legt. Die Details.
Demenz vorbeugen: Mit diesen Maßnahmen können Sie das Risiko senken
Ein Chefarzt für Demenzerkrankungen erklärt, welche Maßnahmen er zur Vorbeugung ergreift und welche Tipps er jedem ans Herz legt. Die Details.

Obwohl Demenz nicht geheilt werden kann, gibt es dennoch Maßnahmen, die das Leben der Betroffenen verbessern können. Jürgen Herzog, Chefarzt der Tagesklinik für Demenz in der Schön Klinik Schwabing in München, teilt in einem Interview die wichtigsten Faktoren mit, die Einfluss haben. Er erwähnt ein Medikament, das ihm Hoffnung macht, und erzählt, wie er selbst vorsorgt.

Herr Herzog, Sie sind Chefarzt in der Demenz-Tagesklinik. Welche Symptome fallen Ihnen zuerst auf?

Jürgen Herzog: Meist beginnt es mit kleinen Gedächtnislücken. Insbesondere kleine Alltagsdetails entfallen, vor allem wenn man sie spontan abrufen möchte. Kleine Fakten, die völlig vertraut waren, gehen verloren – Straßennamen oder der Name der Nachbarin etwa. Weiteres Frühwarnzeichen ist eine immer schlechter werdende Orientierung, vor allem in fremden Umgebungen. Und was oftmals auch auffällt, ist eine Verarmung der Sprache. Erkrankte benutzen dann eher einfachere Wörter und kürzere Sätze oder stocken mitten im Satz und können ihren Gedanken nicht mehr zu Ende bringen.

Wann muss man sich Sorgen machen?

Jürgen Herzog: Nun, vor allem dann, wenn diese Symptome besonders rasch voranschreiten, also etwa innerhalb von sechs Monaten deutlich schlechter werden. Oder wenn die Einschränkungen so stark werden, dass im Alltag mehr und mehr fremde Hilfe nötig wird. Und zu guter Letzt: natürlich auch, wenn solche Symptome ungewöhnlich früh, also etwa vor dem 60. Lebensjahr bemerkt werden.

Demenz kann man aktuell noch nicht heilen. Trotzdem ist eine frühe Diagnose wichtig - Warum?

Jürgen Herzog: Weil man so möglichst früh gegensteuern kann. Und so jetzt schon, besonders aber zukünftig Symptome mit medikamentösen und nicht-medikamentösen Maßnahmen verbessern kann.

Welche Maßnahmen gibt es?

Jürgen Herzog: Wir wissen, dass einige Faktoren eine protektive, also schützende Rolle spielen können. Dazu müssen die Demenz-Risikofaktoren möglichst minimiert werden. Zu ihnen zählen etwa Schwerhörigkeit, Übergewicht, Rauchen, Alkoholkonsum, Bewegungsmangel, soziale Isolation, aber auch Diabetes und Bluthochdruck.

Gerade deshalb sollte also eine Altersschwerhörigkeit nicht nur aus Sicht des HNO-Arztes, sondern unbedingt auch im Hinblick auf die Demenzprävention behandelt werden, hier sehen wir einen großen positiven Effekt. Dazu sollte nicht geraucht und nur wenig bis kein Alkohol getrunken werden. Aber auch regelmäßige Bewegung und eine gesunde, ausgewogene Ernährung sind förderlich.

Allerdings gibt es zur Ernährung derzeit widersprüchliche Daten. Laut einer aktuellen Studie kann die eigentlich empfohlene MIND-Diät bei gesunden älteren Menschen den Verlauf zu einer Demenz beziehungsweise zu kognitiven Problemen nicht wirklich beeinflussen. Dennoch halte ich sie für die meisten Menschen für sinnvoll. Weil wir nicht nur das Hirn im Fokus haben sollten, sondern das gesamte Herz-Kreislauf-System. Und hier wissen wir, dass die MIND-Ernährung, also eine fleischarme Ernährung mit viel Obst und Gemüse und reich an ungesättigten Fettsäuren, einen positiven Effekt hat.

Was tun Sie als Demenz-Arzt, um sich vor der Erkrankung zu schützen?

Jürgen Herzog: [lacht] Ich mache schon relativ viel. Allerdings muss ich ganz offen sagen, dass ich das für meine allgemeine Gesundheit tue. Ich versuche ganz bewusst nicht zu viel über Demenz nachzudenken. Weil man auch sagen muss: Etwa 60 Prozent der Faktoren sind genetisch bedingt. Das heißt, es schlummert in uns, ob wir es wollen oder nicht.

Aber woran ich ganz stark glaube, und das empfehle ich auch allen Patienten, ist regelmäßige Bewegung, vor allem Ausdauersport. Ich gehe zum Beispiel viel und gerne Radfahren oder Laufen. Außerdem bemühe ich mich um geistige Stimulation. Da macht es mir mein Beruf relativ leicht, weil man ständig gefordert ist, sich zu informieren und weiterzubilden. Aber ich versuche, nicht nur fachliche, sondern möglichst viele und breite Interessen zu pflegen – kulturelle Angebote wahrnehmen, Fremdsprachen lernen, viel lesen, sich viel mit jungen Menschen umgeben. Diese Interaktion, das ist ein ganz starker protektiver Faktor. Und ich versuche mich gesund und ausgewogen zu ernähren, wirklich entsprechend der zuvor genannten MIND-Ernährung.

Aber ich habe natürlich auch meine Laster. An einem netten Abend trinke ich auch gerne mal ein Gläschen Wein... oder auch zwei.

Für Angehörige ist eine Demenz-Diagnose oft ein großer Schock. Was können Sie ihnen mitgeben?

Jürgen Herzog: Ich halte es für angemessen, die Betroffenen so lange wie möglich auf Augenhöhe zu behandeln. Sie also nicht bevormunden oder ins Wort fallen. Und sie auch nicht von vornherein von bestimmten Aktivitäten ausschließen.

Zweitens: Versuchen Sie, wo es möglich ist, die größtmögliche Flexibilität für das Verhalten und für die spontanen Einfälle von Demenzpatienten aufzubringen. Meiner Erfahrung nach können sie nämlich in frühen bis mittleren Stadien noch extrem viel. Sie können es nur nicht immer punktgenau abrufen oder leisten. Deswegen ist es hilfreich, Dinge zu vertagen, zu verschieben oder es auch mal gut sein zu lassen.

Und drittens, das versuchen wir auch in Angehörigenseminaren nahezubringen: Möglichst versuchen, sich in die Perspektive, in die Lebensrealität dieser Patienten mit einer völlig veränderten Wahrnehmung des eigenen Umfelds zu versetzen. Nicht mit der klassischen verbalen Logik argumentieren, sondern dass es für die Betroffenen sinnig ist. Man kann es sich in etwa so vorstellen: Wie würde ich mich fühlen, wenn ich jetzt einschlafe und nach 30 Jahren in einer völlig veränderten Welt wieder aufwache – mit überdimensionierten Autos, extravaganter Mode und völlig neuartigen Realitäten wie Homeoffice. So in etwa fühlt es sich für Betroffene, die ja oftmals sehr stark in der Vergangenheit leben, an.

Sollte man einem Demenzkranken also gar nicht widersprechen?

Jürgen Herzog: Das würde ich nicht raten. Aber man sollte sich gut überlegen, wo und wann man widerspricht. Häufig streiten sich Angehörige mit Patienten um Belanglosigkeiten oder wiederkehrende, immer kreisende Punkte. Es ist oftmals wie in einer mittelguten Ehe: Am Ende ist es den Konflikt gar nicht wert. Zumal die Patienten den Streit auch schnell wieder vergessen und es dadurch eh gelöst wird.

Das heißt aber nicht, dass man nicht grundsätzlich Grenzen setzen sollte. Es gibt herausforderndes Verhalten, es gibt kränkende, verletzende Bemerkungen. Die kann man rückspiegeln und auch mal klar 'nein' sagen – sowohl aus Gründen der eigenen Psychohygiene als auch im vernünftigen Umgang.

Es ist besonders schmerzhaft, wenn der eigene Partner einen nicht mehr erkennt...

Jürgen Herzog: Das stimmt, das ist erstmal sehr hart. Wichtig ist hier, dass man es nicht zu persönlich nimmt. Und es ist ja nicht konstant, sondern tritt phasenweise oder episodisch auf.

Letztlich kann man auch versuchen, ein paar Tricks anzuwenden, um sich erkenntlich zu machen. Man kann zum Beispiel das gewohnte Parfüm oder Aftershave von früher benutzen oder ein gemeinsames Lied singen oder pfeifen. Also über Geruch oder Gehör kommen – das funktioniert oftmals sehr gut.

Ein Demenz-Medikament macht aktuell Hoffnung?

Jürgen Herzog: Richtig. In den USA sind zwei Alzheimer-Medikamente bereits zugelassen: Lecanemab und Donanemab. Beide wirken auf die Alzheimer-bedingten Eiweißablagerungen im Gehirn, die zum kognitiven Verfall beitragen. Lecanemab soll auch auf den europäischen Markt kommen, hoffentlich noch in diesem Jahr. Und ja, ich halte relativ viel davon, weil es das erste Mittel ist, das tatsächlich einen krankheitsmodifizierenden Effekt hat.

Natürlich ist es noch mit vielen Fragezeichen behaftet. So ist die Wirkstärke laut Studien noch nicht so, dass es wirklich eine Umkehr des Erkrankungsverlaufs darstellt. Auch die Sicherheitsaspekte sind kritisch abzuwägen und der gesamte Versorgungsaspekt – Was machen wir eigentlich mit der Substanz? Wer soll es verabreichen? Wer soll es erhalten? Wo kann das Monitoring stattfinden? – ist noch unklar.

Dennoch: Es gibt wahrscheinlich kaum ein Medikament für so eine häufige Erkrankung, das mit so vielen Schwierigkeiten versehen ist und gleichzeitig so viel Hoffnung macht. Weil es einfach das erste ist, das uns tatsächlich mal einen gewissen Zugriff auf die Erkrankung gibt.

Sie meinen mit den Sicherheitsaspekten auch mögliche Nebenwirkungen?

Jürgen Herzog: Genau. In den Zulassungsstudien sind insbesondere zwei mit einer sehr relevanten Häufigkeit aufgefallen: Hirnödeme, also Gewebsschwellungen im Gehirn, und kleine, sogenannten Mikroblutungen.

Dieses, zunächst in der Bildgebung auffallendes Phänomen nennt sich "Amyloid-related imaging abnormalities" (ARIA). Also man weiß, dass es wahrscheinlich normaler Teil dieses Abräumprozesses ist. Wenn man sich zum Beispiel ein Körperteil anschlägt, bildet sich ja auch erstmal eine Schwellung, also ein Ödem, als normaler Teil des Heilungsprozesses. Die Blutungen sind dazu sehr wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass vorübergehend eine Veränderung an den Gefäßwänden, an der Durchlässigkeit stattfindet. Das Gute ist, dass Ödeme und Mikroblutungen in den Zulassungsstudien in den meisten Fällen symptomarm verlaufen sind. Also die meisten Patienten haben diese Nebenwirkungen gar nicht bemerkt, es waren Zufallsbefunde bei den Kernspinkontrollen.

Dennoch muss man realistisch sagen: Wir wissen noch nicht, was das Medikament langfristig macht. Und ob das Gehirn in ein paar Jahren dadurch möglicherweise anfälliger wird für andere Probleme.

Es ist ausschließlich für Patienten im frühen Demenzstadium geeignet, oder?

Jürgen Herzog: Ja und das wird dann wohl auch die Gretchenfrage werden. Wollen Patienten in einer Phase, in der sie noch ganz wenige Beschwerden haben, schon mit einem Medikament behandelt werden, das auch Risiken birgt? Es ist immer eine Abwägungssache ... ich denke, man kann mit den momentan verfügbaren Substanzen einen mittelguten Effekt erwarten.

Was denken Sie: Ist Demenz bald heilbar?

Jürgen Herzog: Bald sicher nicht. Und ich glaube auch nicht wirklich daran, dass Demenz heilbar werden wird. Dafür ist es einfach eine viel zu komplexe systemische Erkrankung des gesamten Gehirns, deren Ursache tatsächlich in den Genen liegt. Ich bin aber sehr zuversichtlich, was deutlich verbesserte Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren angeht. Dass wir Demenz zu einer Erkrankung machen können, die deutlich an Schrecken verliert.

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