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1956–2022: EU-Parlamentspräsident Sassoli ist tot - news

19562022 EUParlamentspräsident Sassoli ist tot  news
Der Präsident des Europaparlaments, David Sassoli, ist tot. Er sei Dienstagfrüh im Alter von 65 Jahren in einem Krankenhaus in der Gemeinde Aviano in der nordostitalienischen Region Friaul-Julisch Venetien gestorben, sagte sein Sprecher Roberto Cuillo.

Sassoli war bereits länger im Krankenhaus, wie am Montag bekanntwurde. Ein Sprecher des EU-Parlaments in Brüssel hatte gesagt, der Italiener sei im Centro di Riferimento Oncologico in Aviano untergebracht und werde dort behandelt. Der Aufenthalt sei „wegen einer schweren Komplikation aufgrund einer Funktionsstörung des Immunsystems“ erforderlich geworden.

Der Parlamentspräsident befand sich nach den Angaben des EU-Parlaments bereits seit dem 26. Dezember in Behandlung. Alle seine Termine wurden damals abgesagt. Im Oktober verpasste Sassoli bereits eine Tagung des Parlaments, weil er Fieber hatte. Zuvor war er wegen einer Lungenentzündung im Krankenhaus behandelt worden. Das Krankenhaus in Aviano machte auf Nachfrage Dienstagfrüh keine Angaben.

EU-Parlamentspräsident David Sassoli Reuters/Julien Warnand
Der „Presidente“ äußerte sich oft in seiner Muttersprache

Über sein privates Twitter-Konto hatte Sassoli noch am Montagvormittag zum Tod der italienischen Journalistin Silvia Tortora kondoliert. Am 31. Dezember lobte er die Worte des italienischen Staatsoberhauptes Sergio Mattarella aus dessen Neujahrsansprache.

Seit 2019 Präsident

Sassoli gehörte der sozialdemokratischen Partei Partito Democratico (PD) an. Er war seit Juli 2019 Präsident des 705 Sitze zählenden Europäischen Parlaments gewesen. Der Sozialdemokrat löste seinen Landsmann Antonio Tajani von der konservativen Forza Italia ab. Zuvor hatte er von 2014 bis 2019 den Posten des Vizepräsidenten in der EU-Institution inne und hatte damit noch rund drei Jahre (2014 bis 2017) als Vertreter des damaligen Europaparlamentspräsidenten Martin Schulz (SPD) gearbeitet.

Sein Aufstieg zum Präsidenten des EU-Parlaments kam für viele überraschend, da Italien 2019 mit dem heutigen Regierungschef in Rom, Mario Draghi, als Chef der Europäischen Zentralbank und Federica Mogherini als EU-Außenbeauftragter noch zwei weitere Spitzenposten besetzt hatte. Sassoli stellte klar, dass er seine Wahl auch als Zeichen der Unabhängigkeit des Parlamentes im Machtkampf mit den Regierungen der EU-Staaten sah. „Ich bin kein Mann des Rates“, sagte er nach seiner Wahl mit Blick auf die Vertretung der Mitgliedsstaaten.

Wollte nicht wieder kandidieren

Sassolis Amtszeit lief diesen Monat zur Hälfte der Legislaturperiode gemäß einer Absprache der EU-Staats- und -Regierungschefs aus. Er hatte bereits angekündigt, dass er nicht zur Wiederwahl antreten wolle. Nach Angaben des Parlaments sollten die Abgeordneten während der Plenarsitzung in Straßburg nächste Woche seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin bestimmen.

Durch den Verzicht der sozialdemokratischen S&D-Fraktion im Parlament auf einen eigenen Kandidaten wurde der Weg frei für die Wahl der Kandidatin der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Roberta Metsola. Die Malteserin ist derzeit eine der Vizepräsidentinnen der EU-Volksvertretung.

Journalist, TV-Moderator und Buchautor

Sassoli wurde am 30. Mai 1956 in Florenz in der Toskana geboren. Vor seiner politischen Karriere arbeitete er als Journalist. Der Werdegang des studierten Politikwissenschaftlers startete zunächst bei kleineren Tageszeitungen. 1985 schaffte er es in die Redaktion der römischen Zeitung „Il Giorno“ (Der Tag). Später landete er schließlich im Fernsehen und moderierte sogar die Hauptnachrichtensendung TG1 des öffentlich-rechtlichen Senders RAI1. Neben seiner Arbeit als Politiker betätigte sich Sassoli weiter schriftstellerisch als Autor von Büchern und Gastbeiträgen in verschiedenen Tageszeitungen und Zeitschriften.

Coronavirus prägte Amtszeit

Parlamentsdebatten führte der „Presidente“, der sich oft in seiner Muttersprache Italienisch äußerte, mit harter Hand, jedoch ohne verbale Ausbrüche. Seine zweieinhalbjährige Amtszeit wurde durch die Coronavirus-Pandemie geprägt. So musste er die Umstellung des Parlamentsbetriebs auf Telearbeit koordinieren. Sein Organisationstalent verschaffte ihm Respekt unter den Abgeordneten.

Als Zeichen seiner Solidarität inmitten der Krise stellte er die verwaisten Räumlichkeiten des Parlaments sowohl in Straßburg als auch in Brüssel zur Verfügung, um Mahlzeiten für bedürftige Familien zuzubereiten und ein Covid-19-Testcenter einzurichten. Sassoli galt zudem als progressiver Katholik. Nach Angaben seiner Partei war er schon als Jugendlicher bei den Pfadfindern und hatte sich in katholischen Jugendgruppen engagiert.

Von der Leyen: „Großer Europäer“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen twitterte auf Italienisch: „Ich bin sehr traurig über den Tod eines großen Europäers und Italieners. David Sassoli war ein leidenschaftlicher Journalist, ein außergewöhnlicher Präsident des Europäischen Parlaments und vor allem ein lieber Freund. Meine Gedanken sind bei seiner Familie. Ruhe in Frieden, lieber David.“

Sono profondamente rattristata dalla morte di un grande europeo e italiano.

David Sassoli è stato un giornalista appassionato, uno straordinario Presidente del Parlamento europeo e soprattutto un caro amico.

I miei pensieri vanno alla sua famiglia.

Riposa in pace, caro David

— Ursula von der Leyen (@vonderleyen) 11. Januar 2022

Ratspräsident Charles Michel würdigte Sassoli, als „aufrichtigen und leidenschaftlichen Europäer“. Seine menschliche Wärme, seine Großzügigkeit, seine Herzlichkeit und sein Lächeln würden bereits vermisst, so Michel. Er fühle sich traurig und bewegt. Auch Michel drückte Sassolis Familie und dessen Angehörigen sein Beileid aus.

Auch EU-Wettbewerbskommissar Paolo Gentiloni trauerte um Sassoli. „David Sassoli hat uns verlassen. Schreckliche Nachrichten für uns alle in Italien und Europa. Wir werden ihn als einen demokratischen und proeuropäischen Politiker in Erinnerung behalten. Du warst ein klarer, großzügiger, fröhlicher und beliebter Mann. Ruhe in Frieden.“

„Seine Herzlichkeit war eine Inspiration für alle, die ihn kannten. Mein aufrichtiges Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Lieben“, schrieb EU-Klimakommissar Frans Timmermans auf Twitter. „Mir fehlen die Worte.“ Italiens Kulturminister Dario Franceschini twitterte: „Ciao David, lebenslanger Freund.“

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