Nürnbergs Christkind Teresa Windschall: "Ich hätte viele gerne umarmt"
- Das Nürnberger Christkind hat seine Arbeit in dieser Saison ziemlich im Verborgenen verrichtet. Teresa Windschall erzählt im Interview, warum sie die Aufgabe zu Tränen gerührt hat und was sie als Outdoor-Engel gegen die Kälte unternahm.
Fußwärmer zählen zu den unsichtbaren Kniffen des Christkinds. Teresa Windschall drückt sich auf der Rückbank des Christkind-Mobils die selbstheizenden Aufkleber auf die Socken, bevor sie zu einem ihrer letzten Einsätze in diesem Jahr aussteigt. Doch für diesen frostigen Tag sind die Dinger zu schwach. Eine halbe Stunde in Höfen von Kindergärten stehen, und man friert fast fest.
Fast vier Wochen lang ist Teresa Windschall jetzt ausschließlich im Freien aufgetreten. Wie eiskalt war das bitte? "Klar denkt man sich manchmal: Ich wäre jetzt gern drinnen. Aber es ist schon auszuhalten. Ich trage drei Lagen Hosen, Skiunterhemd und Fleecepulli drunter."
Oft hat sie mitgeweintDas Nürnberger Christkind hat seine Arbeit in diesem zweiten Pandemie-Winter immerhin wieder verrichten können, aber ziemlich im Verborgenen. Öffentliche Auftritte waren, von Fernsehshows abgesehen, gestrichen. Auf Märkten sowieso – wie hätte ein Besuch in einem anderen Bundesland gewirkt, wo doch der Nürnberger Christkindlesmarkt ausfiel? Kleine Gesten wie das Verschenken von Papiersternen: lieber nicht. Blieben 80 Besuche, fast alle in den Außenanlagen von Altenheimen und Kindertagesstätten. Die Vorgängerinnen in der Zeit vor Corona hatten das doppelte Pensum in einer Adventszeit.
Im Klinikum Nürnberg-Süd besuchte das Christkind die kleinen Patienten nur am Fenster. Oberbürgermeister Marcus König spielte den Geschenke-Engel. © Giulia Iannicelli, Klinikum Nürnberg
Wie ein halbiertes Christkind fühle sie sich trotzdem nicht, sagt Teresa Windschall. "Ich kenne es ja nicht anders. Alles, was ich erlebt habe, ist für mich etwas ganz Besonderes. Und ich freue mich darauf, okay, ich hoffe, nächstes Jahr alles normal zu erleben." Praktischer Nebeneffekt: Tageweise konnte die angehende Abiturientin an der Wilhelm-Löhe-Schule an Prüfungen oder Unterricht teilnehmen. Der Terminstress macht das den Darstellerinnen sonst seit Jahrzehnten unmöglich.
Die Kindergärtnerin erinnert sich gern60 dick eingepackte Kinder warten auf den Engel, vor Aufregung wie versteinert in zwei Metern Abstand von einem mit Goldfolie umwickelten Stuhl. Was sie nicht ahnen: St. Elisabeth ist nicht irgendein Kindergarten – es ist der des Christkinds. Rita Hübner, die Leiterin, betreute die kleine Teresa erst vor gut zehn Jahren hier in der "Sonnengruppe". Ein goldiges Mädchen sei sie gewesen, erinnert sie sich, sensibel und ruhig. "Was für ein wunderschönes Christkind!", begrüßt Hübner die nunmehr 17-Jährige am Tor. Sie berührt den goldenen Ärmel, eigentlich würde sie den Ehrengast gern drücken.
Das Abstandhalten fiel ihr schwer, sagt Christkind Teresa im Rückblick. "Gerade in den Altenheimen ist der Besuch für manche Menschen so emotional, dass sie weinen – und ich weine dann mit. Manchen, die im Bett ins Freie gefahren werden, geht es sichtlich schlecht. Dann würde ich sie gern umarmen, aber das geht einfach nicht. Das ist traurig." Ihr erster Einsatz vor Senioren habe sie so mitgenommen, dass sie eine Strophe des Prologs vergaß.
Auch in der Kinderklinik schmerzte es sie, sich körperliche Nähe verkneifen zu müssen. Die Süßigkeiten legte das Christkind draußen auf die Fensterbretter. Vor einer eigenen Ansteckung hatte es, dreifach geimpft, keine Angst.
"Warst du schon mal krank? Wie geht das Fliegen? Du bist letztes Jahr auf unseren Balkon gekommen!" Die Kinder von St. Elisabeth sind jetzt in Plapperlaune. Sie haben der Himmelsbotin, die ihnen eine Geschichte vom Plätzchenbacken vorliest, vorgesungen und Geschenke überreicht. Die "Sonnengruppe" hat ein Bild gemalt, von einer Blumenwiese, weil ein Christkind als Winterwesen den Sommer sicher nicht kenne.
Wunschzettel: "Corona soll aufhören"Trotz der Kontaktbeschränkungen habe sie viel zurückbekommen, erzählt die Schülerin. Oft sei ein emotionaler Kontakt entstanden, mittels Blicken, beim gemeinsamen Singen oder ein paar persönlichen Worten im Vorübergehen. "Das sind Erinnerungen für mein Leben. Hoffnung zu schenken, gelingt einem als Mensch im Moment nur noch schwer. Als Christkind kann man das aber, da ist man ein Hoffnungszeichen. Das finde ich toll. Ich bin dadurch emotional reifer geworden und erkenne, was wirklich wichtig ist."
Auf Terminen oder in ihren Telefonsprechstunden für Kinder sei die Corona-Krise kein Thema gewesen, erzählt Teresa Windschall. "Es wird ausgespart, die Leute haben es ja auch satt." Auf den Wunschzetteln tauchte es aber auf. "Jemand hat mich auch um einen Zauber gegen Corona gebeten. Ich habe eine Karte zurückgeschrieben. Wenn sich ein Christkind etwas wünscht, muss es in Erfüllung gehen, oder? Ich hoffe einfach."
Nach Besuchen bei Polizei, Feuerwehr und VAG endet ihre erste Amtszeit an Heiligabend zu Hause. "Dass die Frage, wie ich Weihnachten feiere, immer so interessant ist?", wundert sich Teresa amüsiert. Sie freue sich auf das Beisammensein mit ihrer Familie. Der übliche Kirchgang falle diesmal aus, zum Ansteckungsschutz der Großeltern. "Bei uns gibt es Raclette, danach packen wir Geschenke aus, die Reihenfolge würfeln wir aus. Oft singen wir was oder spielen noch ein Spiel. Am 25. schauen wir immer Weihnachtsfilme an."
In der Löhe-Schule nebenan ist gerade Unterrichtsschluss. Auf den wenigen Metern vom Kindergarten zum Christkind-Bus kieksen Jugendliche, als sie ihre Mitschülerin im Goldgewand entdecken. Ein Mädchen mit Zahnspange will ein Handyfoto, danach ein Junge. Und zwei erwachsene Passanten mit Hund. Selfies funktionieren kontaktlos ohne Probleme.