Grüne Briefe ans schwarz-rot-pinke Christkind
Umweltpolitik
Sozialorganisationen, Unternehmen und Umwelt-NGOs wünschen sich von der kommenden Koalition, dass im Regierungsprogramm nicht auf den Umwelt- und Klimaschutz vergessen wird
Benedikt Narodoslawsky
24. Dezember 2024, 12:00
Es werde keine neue Regierung unterm Christbaum geben, sagte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger kurz vor Weihnachten über die laufenden schwarz-rot-pinken Koalitionsverhandlungen. Bislang unbeantwortet blieb, ob die kommende Koalition die Wunschliste der Umweltorganisationen berücksichtigen will. Im Gegenteil: Umweltschützer erwarten von der nächsten Koalition eine schöne Bescherung. Auf der Suche nach politischen Kompromissen in Zeiten eines angespannten Budgets droht das Umweltkapitel in den Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos zerrieben zu werden.
Dabei erheben dagegen auch große Firmen ihre Stimme. 127 Unternehmen mit rund 100.000 Beschäftigten und einem Umsatz von knapp 28 Milliarden Euro tragen den "Appell der Wirtschaft" vor. Komponiert haben ihn die beiden Umwelt-NGOs Global 2000 und WWF. Zum Chor der Unterstützer zählen etwa die Handelsketten Spar, Lidl, DM und Ikea sowie Wien Energie, Burgenland Energie und der Maschinenring Österreich.
Im gemeinsamen "Appell der Wirtschaft" verlangen sie, das Klimaschutz-Budget langfristig zu sichern, und fordern darüber hinaus einen "Klima-Arbeitsmarktfonds", um mehr Fachkräfte für die Energiewende zu gewinnen. Außerdem soll die kommende Koalition die Energiesicherheit stärken, indem sie ein Programm fürs Energiesparen und zugleich für den Ausbau der Erneuerbaren beschließt. Weiters pochen die Unternehmen auf ein ehrgeiziges Klimaschutzgesetz. Mit diesem soll die Republik ihr Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden, gesetzlich verankern und einen "verbindlichen Pfad zur schrittweisen Reduktion von Treibhausgas-Emissionen festschreiben".
Nicht nur aus der Wirtschaft schallt der Ruf nach einem dicken Umweltpaket. Zu Beginn des Advents forderte ein Zusammenschluss aus den Sozialorganisationen Rotes Kreuz, Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Volkshilfe und den Umwelt-NGOs Global 2000, Südwind und WWF die Umsetzung eines "Aktionsplans für Soziale Klimapolitik". "Klimapolitik und Sozialpolitik müssen konsequent zusammengedacht werden", sagte Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas. "Mehr noch: Klimapolitik muss auch als Sozialpolitik verstanden werden." Schließlich sei die Klimakrise auch eine soziale Krise.
Rettung des Klimabonus
Der Forderungskatalog enthält mehr als 50 Punkte und berührt verschiedene politische Bereiche – von Wohnen über Mobilität bis hin zu Bildung und dem gesellschaftlichen Zusammenleben. Zu den Wünschen gehören etwa ein barrierefreier Ausbau von öffentlichem Nahverkehr mit ortsangemessener Taktung in Stadt und Land, ein Fonds zum Rückbau und zur Entsiegelung von Gewerbe- und Industriebrachen sowie Reformen im Schulsystem. Mit diesen soll die Politik unter anderem die Lehrpläne an die Anforderungen der Klima- und Biodiversitätskrise anpassen, also politischer Bildung, Klimabildung und Menschenrechtsbildung im Unterricht mehr Gewicht geben.
Für manche Umweltschützer wäre es schon ein Geschenk, wenn die nächste Regierung die Fortschritte der vergangenen Jahre nicht zunichtemachte. Etwa den Kern der ökosozialen Steuerreform, den die türkis-grüne Regierung beschlossen hat: Der Klimabonus droht im Budgetloch zu verschwinden. Wenige Tage vor Weihnachten macht sich nun die Umwelt-NGO Greenpeace gemeinsam mit der Armutskonferenz für seine Rettung stark. Schließlich würde eine reine CO2-Steuer gerade die Ärmsten überdurchschnittlich belasten, während der Klimabonus ärmeren Haushalten noch als Ausgleich hilft. Der Gegenvorschlag der beiden Organisationen: Die kommende Koalition könnte den Klimabonus künftig ans Einkommen koppeln, ihn also sozialer machen. "Die Verringerung der CO2-Emissionen darf nicht auf Kosten des unteren Einkommensdrittels gehen", mahnt Martin Schenk von der Armutskonferenz.
Paket gegen Lebensmittelverschwendung
Greenpeace selbst befürchtet nicht nur inhaltliche, sondern auch strukturelle Rückschritte. Unter Türkis-Grün ist das Klimaschutzministerium zu einem Superministerium herangewachsen und vereinte die wichtigsten Umweltagenden. Schwarz-Rot-Pink könnte es nun wie einen Weihnachtskarpfen filetieren und dem Landwirtschaftsministerium die wichtigsten Stücke zuschieben. "Klima- und Umweltschutz zu einem Beiwagerl des Landwirtschaftsministeriums zu machen war ein großer Fehler der Vergangenheit", warnt Sebastian Theissing-Matei von Greenpeace. In den Jahren 2000 bis 2019 – in denen das der Fall war – ging im Klimaschutz nämlich nichts voran, die Artenvielfalt sogar zurück, argumentiert die Umweltorganisation.
Passend zum bevorstehenden Festtagsschmaus wünscht sich der WWF ein Paket gegen Lebensmittelverschwendung. Das würde Menschen nützen und die Umwelt schützen. Mit dem, was hierzulande weggeschmissen wird, könnte man laut WWF 1,7 Millionen Menschen ernähren. Gerade die Festtage rund um den Jahreswechsel veranschaulichen das Problem, da füllen sich die Mistkübel durch "Hamsterkäufe, schlechte Bedarfsplanung, falsche Lagerung und geringe Resteverwertung", sagt Dominik Heizmann vom WWF. Die nächste Regierung solle das Problem eindämmen. Sie könnte etwa "rechtliche Hürden bei der Weitergabe an Armutsbetroffene abbauen und die Meldepflicht für Lebensmittelabfälle vom Handel auf die gesamte Lebensmittelkette ausweiten". (Benedikt Narodoslawsky, 24.12.2024)