TV-Kritik: „Kolleginnen: Das böse Kind“ – Lohnt sich die neue Krimi-Reihe im ZDF?
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VonHarald Keller
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Das ZDF startet eine neue Krimireihe mit Caroline Peters und Natalia Belitski: Eine Balance zwischen Kriminalerzählung und komplizierten Beziehungen.
Frankfurt – Muss man sich Sorgen machen um ZDF-Hauptkommissarin Irene Gaup? Ein Mädchen hat Gaups üppig gefüllte Handtasche auf einem Spielplatz in Dahlem gefunden und meldet sich artig in deren Namen, als das Landeskriminalamt anruft. Die Kolleginnen und Kollegen machen sich auf die Suche.
Das rätselhafte Verschwinden in „Kolleginnen: Das böse Kind“ (ZDF) hat einen Vorlauf von einer Woche. Also Rückblende. Eigentlich sollte es ein netter Tag werden. Ein Kollege hat Geburtstag. Irene Gaup (Caroline Peters) bringt selbstgebackenen Kuchen mit. Nicht einfach belegter Fertigtortenboden, sondern ein echtes Kunstwerk. Sollte sie mal genug haben von der Ermittlerei, steht ihr der Weg ins Konditorinnenhandwerk gewiss weit offen.
Neue Krimi-Serie im ZDF: „Kolleginnen: Das böse Kind“ - Kommissarin vom Schicksal verhöhntDer Kuchen muss aber warten, denn Gaup wird im ZDF-Krimi zu einem Leichenfundort gerufen. Der liegt weit draußen in landwirtschaftlicher Umgebung an Berlins Grenze zu Brandenburg. Dort bereits zur Stelle ist Julia Jungklausen (Natalia Belitski), frisch aus Leipzig zur Berliner Dienststelle gestoßen und durch eine drollige Laune des höhnenden Schicksals die neue Partnerin Irene Gaups. Die erste Begegnung findet am mutmaßlichen Tatort statt, von Seiten Gaups sehr herzlich, während ihr Gegenüber fast schon beleidigend kühl auftritt.
Denn Jungklausen ist zu einer Erkenntnis gelangt, die Irene Gaup noch bevorsteht: Jungklausens Yogakumpel und Lebensgefährte Hans Gaup (Götz Schubert) ist Irenes Noch-Ehemann. Und obendrein der Staatsanwalt, dem sie beide zuarbeiten müssen und der übrigens immer noch sehr an Irenes Backwaren hängt.
ZDF: Caroline Peters bietet in „Kolleginnen: Das böse Kind“ mehrIn „Kolleginnen: Das böse Kind“ gilt es, den Mord an einem 18-Jährigen zu klären. Die Ermittlungen führen auf den landwirtschaftlichen Betrieb einer Gruppe von Aussteigern, die dem Kapitalismus entsagt haben, sich selbst versorgen und draußen auf der Wiese ein Tipi stehen haben, in dem der hauseigene Schamane Keanu (Marek Harloff) wohnt. Ein Weiser, für den Irene Gaup besonderes Interesse entwickeln wird.
Diese Szenen hätten leicht in Albernheiten abrutschen können, aber Regisseurin Vanessa Jopp achtet darauf, diese Figuren nicht ins Lächerliche zu ziehen. Sie wissen sich gut gegen die allfälligen Spötteleien zu behaupten. Es schadet auch nicht, dass Bäuerin Gudrun Enzensberger (Karoline Eichhorn) früher Anwältin war. Mit einem Ruf, der die Ermittler fast schon strammstehen lässt, als sie die Zusammenhänge erkennen.
„Kolleginnen: Das böse Kind“
Samstag, 29. Januar 2022., 20.15 Uhr, ZDF
Die „Kolleginnen“ müssen sich zusammenraufen, denn sie sollen fortan in Reihe ermitteln. Autorin Anette Simon lässt zur ‚Amtseinführung‘ die Figur der Irene Gaup besonders hervortreten. Die laufende Trennung von ihrem Mann trifft sie härter, als sie sich eingestehen und das Umfeld wissen lassen will. Und dann zeigt sich, dass der aktuelle Mordfall mit dem Verschwinden einer Dreizehnjährigen vor vier Jahren zusammenhängt, das Irene Gaup noch immer monolithenschwer auf der Seele liegt. Caroline Peters, sechs Jahre lang – oder sechs lange Jahre – das Gesicht der Erfolgsserie „Mord mit Aussicht“, kann hier mehr bieten als kulleräugig durch ein fiktives Eifeldorf zu staksen.
Die zwei Hauptfiguren des ZDF-Krimis sind gründlich durchgearbeitet. Die eine engagiert und mitfühlend, die andere kühl, fast ein wenig autistisch, mit einigen Marotten ausgestattet. Es wird aber bei beiden noch einiges zu entdecken geben. Blass – wenngleich ebenfalls schauspielerisch überzeugend umgesetzt – bleiben dagegen die Nebenfiguren inklusive des von der einen zur anderen wechselnden Kerls, durch den die Personenkonstellation zum Dreieck erweitert wird.
ZDF: „Kolleginnen: Das böse Kind“ - die Besetzung der neuen Krimi-Reihe im ZweitenÜber dem komplexen Privatleben des Trios gerät die Kriminalerzählung merklich ins Hintertreffen. Da wird dann schon mal mit gröberem Besteck gearbeitet, um die Sachbearbeiterinnen auf die richtige Spur zu lotsen und die Angelegenheit einer Lösung zuzuführen. Unter Genregesichtspunkten also trotz vieler Stärken keine rundum gelungene Produktion.
Eine seltsame Bewandtnis, so viel Transparenz darf mal sein, hat es mit dem Pressematerial zu „Kolleginnen: Das böse Kind“. Da heißt die Hauptfigur „Inrene“, und man liest verkorkste Sätze wie „Zwei Frauen, die nicht nur das gelebte Leben, sondern auch ihre Lebensentwürfe unterscheiden (…).“ Hässliche Anglizismen wie „sich selbst neu erfinden“ – kommt im Dusseldeutschlexikon gleich hinter „selbstbetitelt“ – sind da fast schon nicht mehr der Rede wert. (Harald Keller)
Neben der neuen Reihe taten sich im Zweiten Deutschen Fernsehen zuletzt auch in bekannten Gefilden unterhaltsame Abgründe auf: Im ZDF-Krimi „Friesland: Unter der Oberfläche“ hielt das digitale Verbrechen einzug.