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Schild und Sühne
Es ist wenig „brave“ und wenig „new“ in „Captain America: Brave New World“, aber Anleihen an Paranoia-Thriller und eine Welt, in der Harrison Ford US-Präsident ist, sind ja auch nicht Nichts. Irgendjemand muss sich ja auch um das solide Mitte

Es ist wenig „brave“ und wenig „new“ in „Captain America: Brave New World“, aber Anleihen an Paranoia-Thriller und eine Welt, in der Harrison Ford US-Präsident ist, sind ja auch nicht Nichts. Irgendjemand muss sich ja auch um das solide Mittelfeld kümmern, danke, Captain America!

Von Pia Reiser

Beim 35. Marvel-Film ist man sich nicht mehr ganz sicher, ob man manches noch unter „Referenz“ verzeichnen kann, oder ob das Ganze nicht einfach ein Restlessen ist, wo diesmal quasi das Randstück der „Eternals“ (in Form von Celestial Island) und ein Schuss vom alten Hulk-Wein (in Form von Schauspieler:innen, die damalige Rollen nochmal spielen) zusammengekommen sind.

Mit jedem neuen Film wird es ja auch schwieriger, dass Drehbücher der Aufgabe gerecht werden, die immer längeren und wirrer laufenden Fäden des Marvel Cinematic Universe für zwei Stunden zusammenzuhalten. Gelingt in diesem Fall irgendwie, meine ich, oder um zur Restlessen-Metapher zurückzukehren: Es schmeckt OK. Nach den doch zahlreichen, massiv greislichen MCU-Filmen der letzten Jahre ist das ja schon ein Lob.

Captain America in einem dunklen Raum

Das Gute an „Captain America: Brave New World“ ist, dass nicht alle Regler von Anfang an voll auf Anschlag sind. Keine die Welt bedrohende Übermacht, kein tödliches Fingerschnipsen, kein Multiversum, ja sogar der Showdown ist vergleichsweise zahm. Über weite Strecken greift der Film weniger auf klassische Superhelden- oder Action-Erzählstrategien zurück, sondern auf Thriller-Bausteine mit einem leichten Anstrich der wunderbaren Paranoia-Thriller aus den 1970er Jahren.

Anthony Mackie, der von Chris Evans die Captain-America-Pflichten übernommen hat, wird nach einem Einsatz in Mexiko, wo er die Bösen vermöbelt, Pfarrer und Nonnen rettet und gestohlenes Adamantium (immer dieses Mexiko!) zurück in die USA bringt, vom Präsidenten ins Weiße Haus eingeladen. Es fällt gerade ein bisschen schwer, wenn in einem Film ein frisch gewählter US-Präsident vorkommt, aber es hat keinen Sinn, hier nach Trump-Analogien zu suchen. Der Film wurde geschrieben und gedreht, bevor Donald Trump die Wahl gewonnen hat. Und dass in jeder Bully-Figur (oder der Farbe Orange) momentan immer gleich Trump verortet wird, tut dem Hysterie-Level der (Online-) Welt auch nicht gerade gut.

Ganz unorange und unhysterisch also zurück zu Harrison Ford, der sich wohl gedacht hat, zwei Franchises sind nicht genug, er spielt hier Thaddeus Ross und übernimmt die Rolle vom verstorbenen William Hurt. So sehr ich es eigentlich mag, wenn die echte Welt ins Genrekino eingebettet wird, so ist es vielleicht aktuell auch ganz schön, das Kino manchmal als Notausgang zu benutzen. „I would not taint any movie with the reality of the world we’re living in right now“, so Harrison Ford bei der Premiere des Films in Los Angeles auf die Frage nach eventuellen Parallelen zur aktuellen politischen Situation on den USA.

Harrison Ford und Sam Wilson

Ford ist als Han Solo und Indiana Jones eine nicht wegzudenkende Figur des Hollywood-Kinos, ich mag ihn ja aber als Anzugträger am liebsten. So einen spielt er auch hier, und es sind vermutlich auch die gebündelten Erinnerungen an seine Filme, die die meisten Kinogänger:innen mit ins Kino bringen werden, die die Erzählgewerke des Films hier ordentlich schmieren und das Ganze eleganter ablaufen lassen, als das ohne Ford wohl der Fall gewesen wäre. Er bringt nicht nur Würde mit, sondern irgendwie auch das Versprechen, dass alles gut ist. Um nochmal zur Restlessen-Metapher zurückzukehren: Er ist die Sriracha-Sauce in dem Szenario. Vielleicht ein bisschen dominierend, aber immer verlässlich.

Als Sam Wilson aka Captain America, begleitet von seinem Beiwagerl Joaquin Torres und Isaiah Bradley, der früher mal den Captain-America-Schild getragen hat, im Weißen Haus auftaucht, fallen Schüsse. Der Versuch eines Attentats, mind control, ein Präsident, der offenbar auch etwas verheimlicht köcheln sich zu einem für Superheldenfilme erstaunlich schlüssigen und irgendwie auch low-key Plot zusammen. Es ist ein wenig ein Paradoxon, aber ich finde, Superheldenfilme sind immer am besten, wenn es gerade nicht um das geht, was die Superhelden zu Superhelden macht. Ein großer Teil von „Captain America: Brave New World“ könnte, mit Abstrichen, auch als Politthriller ohne irgendwelche Superkräfte erzählt werden. Von Geheimnissen von Politikern, die Idee von „Mind Control“ bis zur Eskalation der Beziehungen zwischen zwei Staaten erzählt der Film durchaus auf Middlebrow-Thriller-Niveau. Bei der seltsamen neuen Insel im Indischen Ozean - die Menschen nennes es Celestial Island, es handelt sich um den versteinerten Körper von Tiamut aus „Eternals“ und dem vielseitigen Wundermetall Tiamut sinkt mein Wohlwollen in Sachen „Captain America“.

Teambesprechung

Regisseur Julius Onah bei den Dreharbeiten

„Captain America: Brave New World“ startet am 13. Februar 2025 in den österreichischen Kinos.

Wo aber inzwischen nicht mehr nur die Luft raus ist, sondern das Gefäß schon zu Staub zerfallen ist, ist die Action im MCU. Die einzige Sequenz in 17 Jahren MCU, die mir in Erinnerung geblieben ist, ist die Flughafenszene in „Captain America: Civil War“. Für diesen Film haben die Regie führenden Russo-Brüder David Leitch und Chad Stahleski als „Second Unit Directors“ dazugeholt. Die beiden früheren Stuntmänner stecken hinter Filmen wie „John Wick“ und „Atomic Blonde“ und selbst wenn man diese Filme nicht mag, so führen sie einem sehr vor Augen, dass Actionszenen auch anders aussehen können. In einem Interview mit IndieWire beschreibt Keanu Reeves es vermutlich am besten, wenn er sagt, sie würden storytelling in die Action miteinbringen.

Eine Action-Szene in einem MCU-Film heißt immer auch: Ab vor den Green Screen! Eine ewig gleiche Ästhetik, ein ewig gleiches Sounddesign und die immer gleichen Kämpfe. Wenn Sam Wilson einmal von einem Bösewicht überrascht wird und er seine Captain-America-Ausrüstung nicht dabei hat, ist das einer der interessantesten Momente im neuen Film, vielleicht auch weil Wilson hier wie eine Mischung aus John McClane und MacGyver agiert. Durch die schwierige Aufgabe, den Film auch für ein Publikum nachvollziehbar zu machen, die nicht täglich auf Reddit über das Superserum, Red Hulk, Vibranium und Adamantium diskutieren, muss ansonsten Anthony Mackie viel herumstehen und Dinge erklären. Oder ankündigen, was er als nächstes tut.

Captain America breitet seine Flügel aus

Eine Post-Credit-Szene gibt es natürlich auch, sie ist aber weitaus weniger aufregend als eine Szene mitten im Film, in der ein alter Bekannter im MCU auftaucht, um kurz mit Sam Wilson zu quatschen. Wenn ganz am Ende dann „Captain America will return“ auf der Leinwand steht, dann liest sich das nicht wirklich wie eine Jubelmeldung, aber auch nicht wie eine Drohung, mehr wie eine anstehende Hausübung, die dann aber eh Spaß macht. Die große Hoffnung in Sachen Superheldenfilm dieses Jahr heißt Superman, aber da müssen wir uns noch ein wenig gedulden.

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