Heiße Themen Schließen

Countrymusik: Ein "Yeehaw" mit gereckter Faust | ZEIT ONLINE

Countrymusik Ein Yeehaw mit gereckter Faust  ZEIT ONLINE
Country gilt vielen als weißer Beitrag zur Popkultur. Dabei wurzelt das Genre in Schwarzer Musikgeschichte. Das Countryalbum von Beyoncé könnte dieses Bild geraderücken.

Country gilt vielen als weißer Beitrag zur Popkultur. Dabei wurzelt das Genre in Schwarzer Musikgeschichte. Das Countryalbum von Beyoncé könnte dieses Bild geraderücken.

28. März 2024, 16:19 Uhr

Ihr Browser unterstützt die Wiedergabe von Audio Dateien nicht. Download der Datei als mp3: https://zon-speechbert-production.s3.eu-central-1.amazonaws.com/articles/99967359-2ba4-473b-8ef2-6cc9b5e9446d/full_747ec8ec89a42a1111f33c350f40a7d33b0d8d9224ef0a1379598c7d6c478aee0bf340eb3d4f838924e05586ae9d356d.mp3
9 Min. --:--
73 Kommentare Merken
Diese Audioversion wurde künstlich erzeugt.
Die Audioversion dieses Artikels wurde künstlich erzeugt. Wir entwickeln dieses Angebot stetig weiter und freuen uns über Ihr Feedback.
Beyonce Rodeo Houston Texas
Das Pferd reitet sie nicht erst seit gestern: Beyoncé bei einem Rodeo in ihrer Heimatstadt Houston im US-Bundesstaat Texas im Jahr 2004.

Inhalt

Auf einer Seite lesen Inhalt
  1. Seite 1 Ein "Yeehaw" mit gereckter Faust

  2. Seite 2 Selbst das Banjo war ein Import

Schwarze Künstler und Countrymusik: Das ist die Geschichte einer komplizierten Liebe. Wie viele Demütigungen mussten Schwarze Sängerinnen und Sänger, die sich in das angeblich weißes Genre wagten, schon hinnehmen? Selbst der große Ray Charles, der von seinem Klassiker Modern Sounds in Country and Western Music Millionen Tonträger verkaufte, wurde erst ein halbes Jahrhundert nach dessen Veröffentlichung in die Country Music Hall of Fame aufgenommen.

Andere Künstler kamen gar nicht so weit. Der Schwarze Countrysänger Cleve Francis etwa kehrte Mitte der Neunzigerjahre, frustriert von seiner Außenseiterrolle in Nashville, in die Kardiologie-Praxis zurück, in der er vor seiner Musikkarriere gearbeitet hatte. Der soulman Bobby Womack wurde, nachdem er 1976 seine liebsten Countrysongs aufgenommen hatte, vom Countryradio ignoriert und von seiner Plattenfirma gefeuert.

Auch James Brown stieß an unsichtbare Grenzen: Als er 1977 auf Einladung seines Freundes Porter Wagoner in Nashville vor seinem üblichen Set ein Countrymedley spielte, reagierte das Publikum eisig. "Ich fühle mich so geehrt", sagte Brown später, "wie ein weißer Mann, der in eine Schwarze Kirche geht und hundert Dollar in die Kollekte gibt".

Countrymusik sollte für Schwarze US-Amerikaner, insbesondere aber Schwarze US-Amerikanerinnen, noch lange vermintes Terrain bleiben. Doch nun  – Trommelwirbel, Banjo und Fidel – reitet der Superstar Beyoncé in die Arena ein. Als erste Schwarze Frau überhaupt besetzt sie die Spitze der US-amerikanischen Countrycharts. Texas Hold 'Em heißt der Song, der gleichzeitig auch noch die Pop-Charts anführt. Die Festung der sehr weißen, sehr männlichen "Bible and a gun"-Traditionalisten im Country wackelt dank Outlaws und queerer Countrykünstlerinnen wie The Highwomen schon länger. Ausgerechnet Beyoncé, die Galionsfigur des zeitgenössischen R’n’B, könnte nun noch die letzten Schranken einreißen.

An dieser Stelle ist ein externer Inhalt eingebunden

Zum Anschauen benötigen wir Ihre Zustimmung

Bitte aktivieren Sie JavaScript damit Sie diesen Inhalt anzeigen können.

Weiter

Das liegt natürlich (auch) an der Musik. Der stampfende, von einem Banjo getriebene Beat von Texas Hold 'Em, der eingängige Refrain und zitatwürdige Zeilen wie "It’s real-life boogie and a real-life hoedown" sind wie zugeschnitten für die Generation TikTok. Aber anders als etwa der Song Old Town Road, der vor fünf Jahren dem Schwarzen, schwulen Rapper Lil Nas X im Duett mit dem Redneck-Sänger Billy Ray Cyrus einen Crossover-Hit zwischen Trap und Country bescherte, dürfte Texas Hold 'Em auch Fans von Oldtime-Country ansprechen. Beyoncé wildert nicht auf fremdem Terrain, wie es ihr manch konservativer Kritiker unterstellt, sondern bespielt ihren texanischen hometurf. Und sie bringt ihre 319 Millionen Instagram-Follower mit. Dagegen sind selbst die härtesten Türsteher machtlos.  

Texas Hold 'Em und Beyoncés zweite, nun ebenfalls in den Countrycharts vertretene Single 16 Carriages waren Vorboten ihres nun erscheinenden Albums Cowboy Carter. Hat Beyoncé beschlossen, sich zur Anwältin aller vergessenen Helden der Schwarzen US-amerikanischen Musikgeschichte zu machen? Ihre letzten Alben zumindest legen das nahe. Renaissance von 2022 hatte sie als Hommage an die Ursprünge Schwarzer Club-Kultur konzipiert, Cowboy Carter folgt nun als Act 2 einer geplanten Album-Trilogie. Ist das die Revanche für Ray Charles, James Brown und Bobby Womack? Kann ein einzelner Popstar all die Schwarzen Countrysängerinnen und -sänger rehabilitieren, die übersehen, verleugnet, um Plattenverträge und Auftrittsmöglichkeiten gebracht wurden?

© ZEIT ONLINE

Newsletter

Natürlich intelligent

Künstliche Intelligenz ist die wichtigste Technologie unserer Zeit. Aber auch ein riesiger Hype. Wie man echte Durchbrüche von hohlen Versprechungen unterscheidet, lesen Sie in unserem neuen KI-Newsletter.

Mit Ihrer Registrierung nehmen Sie die Datenschutzerklärung zur Kenntnis.

Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt.

Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement.

Nach allem, was man bisher liest, wird Beyoncé auf dem Album (das bis zur Veröffentlichung niemand zu hören bekommt) ihre Familiengeschichte erzählen, eine Geschichte, die sie mit vielen Afroamerikanerinnen teilt. Zart klingt sie, wenn sie in der Ballade 16 Carriages zu weinenden Gitarren ihre Kindheit im tiefen Süden beschwört. Ihre Wurzeln liegen in Houston, Texas, wo man bei Barbecue-Partys neben Blues und Soul oft auch Country hört, wo man mit der Familie Rodeos besucht, wo Cowboystiefel und Stetson-Hüte Teil der Regionalidentität sind. "I am going back to the South / Where my roots ain’t watered down", sang sie bereits 2020 in Black Parade, ihrer Hymne für die Black-Lives-Matter-Bewegung.

Seit jeher tritt Beyoncé immer wieder bei Rodeos auf, ihre Modelinie Ivy Park hat Kleider in urbanisierter Western-Ästhetik im Programm. Und als sie 2016 ihr Album Lemonade veröffentlichte, hielten viele Kritiker das deutlich Country-inspirierte Stück Daddy Lessons für den stärksten Song der Platte. Die Recording Academy, die jährlich die Grammys verleiht, sollte ihn zwar nicht zu den Countrygrammys zulassen, doch verschaffte er Beyoncé immerhin – zusammen mit den Dixie Chicks – einen Auftritt in der legendären Grand Ole Opry in Nashville. Offensichtlich hat Beyoncé der Gegenwind von konservativen Country-Fans erst recht motiviert.

Ähnliche Nachrichten
Nachrichtenarchiv
  • Aragon
    Aragon
    MotoGP: Live-Ticker - Bagnaia siegt in Aragon
    12 Sep 2021
    1
  • Solange Du da bist
    Solange Du da bist
    "Solange Du da bist" bei Super RTL im Live-Stream und TV: TV-Tipp bei Super RTL - Film von Mark Waters
    28 Dez 2021
    2
  • Schnee Österreich
    Schnee Österreich
    Schnee in Österreich im Anmarsch: Hier schaut jetzt Frau Holle vorbei
    22 Stunden vor
    3
  • Bonnie Strange
    Bonnie Strange
    Bonnie Strange postet heißes Foto: Schwerstarbeit für diesen Knopf
    26 Jan 2022
    2
  • Glasfaser
    Glasfaser
    OTS: Deutsche GigaNetz GmbH / Deutsche GigaNetz gewinnt nach weiterer ...
    13 Mär 2024
    1
  • Schenk
    Schenk
    „Ausnahmekünstler“: Würdigungen für Otto Schenk
    6 Tage vor
    1