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Auto1 stürzt auf niedrigsten Börsenwert aller Zeiten

Auto1 stürzt auf niedrigsten Börsenwert aller Zeiten
Nach Verkündung der Kennzahlen für das Jahr 2021 ist die Handelsplattform für gebrauchte Autos so wenig wert wie nie zuvor. Gewinne sind ohnehin in weiter Ferne – aber auch die Prognosen zur Zahl der verkauften Autos enttäuschten.

Der Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1 kann seine Investoren auch mit einem Schlussspurt im vergangenen Jahr nicht zufriedenstellen. Belastend wirkte sich am Mittwoch der Ausblick auf das laufende Jahr aus. Zwar peilt das Unternehmen auch weiter kräftiges Wachstum an. Doch bei den in Aussicht gestellten Autoverkäufen hatten sich manche Anleger offenbar deutlich stärkere Zuwächse versprochen. Vor allem in Osteuropa lastet der Krieg in der Ukraine auf der Stimmung von Autokäufern, auch wenn Auto1 in Russland kein und in der Ukraine nur sehr wenig Geschäft hat. "Das erste Quartal ist gemäß unseren Plänen gut angelaufen", sagte Vorstandschef Christian Bertermann (38) der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. "Seit der Kalenderwoche 7 sehen wir mit dem Kriegsausbruch in der Ukraine eine Reduktion der Nachfrage in Teilmärkten in Osteuropa. Das ist aber in unserer Prognose berücksichtigt."

Die Zeiten, als Auto1 mit einem Wert von mehr als elf Milliarden Euro das wertvollste deutsche Start-up war, sind lange vorbei. An der Börse fiel der Aktienkurs am Mittwoch auf den tiefsten Stand aller Zeiten. Im Laufe des Tages sackte das Papier um fast 20 Prozent auf 9,20 Euro ab, nachbörslich war die Aktie immer noch mit mehr als 12 Prozent im Minus. Allein in diesem Jahr hat der Kurs damit mehr als die Hälfte eingebüßt; seit dem Börsengang im Februar 2021 hat das Unternehmen rund drei Viertel des Werts verloren. Aktuell beträgt die Marktkapitalisierung noch rund 2,1 Milliarden Euro.

Bertermann sieht im fragmentierten Privatkundenbereich die größten Wachstumschancen. "Wir glauben weiter, dass online die dominante Form wird, sich einen Gebrauchtwagen zu kaufen", sagte er. Und dem von ihm mitgegründeten Unternehmen misst er große Chancen bei. "Wir glauben, dass ein Online-Händler auf 8 bis 10 Prozent Marktanteil insgesamt kommen kann."

In diesem Jahr peilt Bertermann den Verkauf von 650.000 bis 770.000 Autos an, davon 70.000 bis 90.000 im Privatkundensegment. Insgesamt sind das bis zu fast 30 Prozent mehr als im Vorjahr, bei Privatkunden könnte sogar mehr als eine Verdopplung erreicht werden. Bei den Wachstumsambitionen des Unternehmens spielen die Mengen für Investoren eine große Rolle - allerdings liegen die Prognosen gerade im Privatkundenbereich etwa ein Fünftel unter den von Analysten erwarteten Werten.

Auto1 schreibt auch operativ weiter Verluste

Gewinne konnte das Unternehmen auch im abgelaufenen Jahr längst nicht schreiben. Der um Sondereffekte bereinigte Verlust vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen schwoll 2021 von 15,2 auf 107,1 Millionen Euro an. Das Erreichen der operativen Gewinnschwelle hat das Unternehmen erst für das kommende Jahr angekündigt. Zum Nettoergebnis machte das Unternehmen zunächst keine Angaben.

Auch dieses Jahr erwartet das Management ähnlich hohe Verlustmargen im operativen Geschäft. Vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen sowie bereinigt um Sonderkosten dürfte sie minus 2 bis minus 3 Prozent des Umsatzes betragen, vor allem weil Auto1 viel Geld in den Ausbau des Privatkundengeschäfts steckt. Der Großhandel mit Autohändlern ist derzeit noch die weitaus größere Sparte. Der Umsatz insgesamt soll 2022 auf 5,7 bis 6,8 Milliarden Euro steigen.

2021 konnte Auto1 den Umsatz um mehr als zwei Drittel auf knapp 4,8 Milliarden Euro steigern. Die Zahl der verkauften Fahrzeuge war - wie bereits bekannt - um 30 Prozent auf 596 731 Fahrzeuge gestiegen. Auch wenn Bertermann sich mit den Zahlen aus dem vergangenen Jahr zufrieden zeigte, will er den Konzern doch auf viel breitere Basis stellen. Vor allem die technische Weiterentwicklung der Plattform gehört dazu.

Bei der Weiterentwicklung des Angebots sieht Bertermann das derzeit herrschende Umfeld hoher Preise kritisch. "Wir würden es begrüßen, wenn der Markt wieder in normales Fahrwasser kommt. Denn so mancher Kunde ist gezwungen, seine geplante Anschaffung wegen der hohen Gebrauchtwagenpreise zu verschieben", sagte er.

Als weiteres Plus sieht der Auto1-Chef die eigenen Werkstätten: "Ein großer Treiber ist unser Refurbishment, also die optimale Aufbereitung der Gebrauchtwagen für den Weiterverkauf. Es ist momentan gar nicht so einfach, in Europa Mechaniker zu finden. Auch deswegen machen wir das in eigenen Werkstätten selbst, wo wir auch die Qualität viel besser sicherstellen können."

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