Pechstein rechnet mit ARD ab: „Schlampig, tendenziös und ehrverletzend“
Als Claudia Pechstein nach den Olympischen Winterspielen am Sonntag in Deutschland ankam, wartete die Presse bereits am Flughafen. Auch die ARD war mit einem Team vor Ort. Pechstein schloss es kurzerhand aus. Der Tweet des anwesenden ARD-Journalisten Peter Gerhardt schlug daraufhin hohe Wellen - viele waren überrascht von Pechsteins Vorgehen.
ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt klärte im Anschluss, ebenfalls auf Twitter, auf: „Frau Pechstein boykottiert die ARD, weil meine Kollegen von der ARD-Dopingredaktion und ich nicht so über sie und einen Dopingverdacht berichteten, wie sie es für angemessen hielt.“
Pechstein über ARD: Publikum „glatt angelogen“Pechstein sah sich daraufhin bemüßigt, ihren Boykott zu erklären. In einem „offenen Brief“ wirft die mittlerweile 50-jährige Sportlerin dem Sender „das schlampige, fehlerhafte, tendenziöse und ehrverletzende Arbeiten Ihrer Anti-Doping-Redaktion um Hajo Seppelt“ vor. Pechstein beschuldigt den Sender, sie damals falsch zitiert und ihr keine faire Chance gegeben zu haben, auf die Vorwürfe zu reagieren.
In chronologischer Reihenfolge listet sie die Eskalationsstufen auf. Zudem beschuldigt sie den Sender, die TV-Zuschauer in Bezug auf ihre Boykott-Gründe „glatt angelogen“ zu haben. Nicht die Berichterstattung über ihre dreijährige Dopingsperre sei der Grund, sondern die ihrer Ansicht nach falschen Anschuldigungen über das spätere Blutdoping. Zudem verschweige der Sender, dass die besagten Blutbehandlungen den verdächtigen Sportlerinnen „keinen Wettbewerbsvorteil“ verschafft hätten.
„Ein besonders feines Gespür für Recht und Gerechtigkeit“Sie schließt den Brief mit den Worten: „Als Polizeihauptmeisterin habe ich schon von Berufswegen ein besonders feines Gespür für Recht und Gerechtigkeit. Deshalb stehe ich nach wie vor zu meiner Aussage: Wenn eine öffentliche Entschuldigung und Richtigstellung von Ihnen erfolgt, stehe ich ab diesem Zeitpunkt wieder für Interviews zur Verfügung.“
Es sei zudem nicht so, dass sie die komplette ARD-Sendeanstalten boykottiere. Mit dem rbb und mdr sei „im regen Austausch“. Bereits am kommenden Freitag sei sie in der Sendung Riverboat zu Gast. „Denn eines gilt nach wie vor: Wer mich fair behandelt, dem stehe ich auch gerne Rede und Antwort.“
Hier können Sie Pechsteins Schreiben in Gänze lesen:
Auf Facebook kommentierte Pechstein die Beweggründe ihres Briefs. Er soll „deutlich machen, wie stümperhaft und verblendet Hajo Seppelt, sogenannter Experte der ARD-Doping-Redaktion, arbeiten kann.“ Und wie ihm seine Chefs trotz eklatanter handwerklicher Fehler die Stange hielten. „Kein Wunder also, wenn die Glaubwürdigkeit der ARD in der breiten Öffentlichkeit immer mehr schwindet...“, schreibt sie.
„Seltsames Verständnis von Pressefreiheit“Kritik kam vom Deutschen Journalistenverband. Der warf Pechstein ein „seltsames Verständnis von Pressefreiheit“ vor. Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) teilte mit: „Grundsätzlich entscheiden Athlet*innen selbst, ob sie Interviews geben.“ Man hätte es aber „begrüßt“, wenn Pechstein die Situation „im Sinne des Team D anders gelöst hätte“.
Überraschend unaufgeregt fiel das Statement der ARD aus: Pechstein spreche „seit Jahren wegen Hajo Seppelts Berichterstattung 2012“ nicht mit dem Sender. „Wir akzeptieren das“, sagte Sportkoordinator Balkausky dem „Tagesspiegel“.
Pechstein ist fünfmalige Olympia-Siegerin im Eisschnelllauf. Bei den Olympischen Winterspielen in Peking belegte sie die Plätze 9 und 20.