Heute im TV: Dieser schockierende Thriller mit Robert De Niro und ...
Sexueller Missbrauch von Minderjährigen ist kein Thema, das im Mainstream-Kino häufig zu finden ist. Ausnahmen bestätigten jedoch die Regel. Ein Beispiel ist Barry Levinsons zutiefst bewegendes und hochkarätig besetztes Thriller-Drama „Sleepers“.
Einem Star-Ensemble mit Robert De Niro, Brad Pitt, Dustin Hoffman und Kevin Bacon zweieinhalb Stunden lang bei der Arbeit zusehen zu dürfen, klingt nach einem vielversprechenden Seherlebnis. Und die Erwartungen werden nicht enttäuscht – auch wenn, oder gerade weil Barry Levinsons „Sleepers“ aufgrund seiner brisanten Thematik an die Nieren geht.
Wer neugierig geworden ist, kann „Sleepers“ am heutigen 11. Januar 2025 um 20.15 Uhr auf RTL Zwei sehen. Falls ist der Film als Blu-ray oder DVD* sowie für einen schmalen Taler in der Kauf- oder Leihversion als Video-on-Demand zu haben – zum Beispiel bei Amazon Prime Video. Ich kann euch nur sagen: Es lohnt sich!
"Sleepers" als VoD bei Amazon Prime Video*
Darum geht’s in "Sleepers":
Die vier Freunde Michael, Shakes, Tommy und John wachsen nicht behütet, aber dennoch weitestgehend sorgenfrei, im New Yorker Stadtviertel Hell's Kitchen auf. Doch ein aus dem Ruder geratener Lausbubenstreich führt sie direkt in das Wilkinson-Heim für jugendliche Straftäter. Hier werden die Jungen von den Wärtern unter Federführung von Aufseher Sean Nokes (Kevin Bacon) erniedrigt, geschlagen und sexuell missbraucht.
15 Jahre später kommt es in einer Bar zum zufälligen Aufeinandertreffen zwischen Nokes und den inzwischen auf die schiefe Bahn geratenen Tommy (Billy Crudup) und John (Ron Eldard). Als die beiden ihren einstigen Peiniger wiedererkennen, bringen sie ihn kurzerhand um. Die Verhaftung durch die Polizei lässt nicht lange auf sich warten. Ihr ehemaliger Leidensgenosse Michael (Brad Pitt), der sich inzwischen zum Staatsanwalt gemausert hat, schmiedet jedoch einen gewagten Plan, um seine Jugendfreunde vor dem Gefängnis zu bewahren …
Ein harter Bruch
Was als herzerwärmende Coming-of-Age-Erzählung a la „Stand by Me“ beginnt, mündet für die Hauptfiguren durch einen Moment jugendlicher Unbedachtheit zum jähen Ende ihrer Kindheit. Der inszenatorische Kontrast zwischen dem atmosphärischen Setting eines heißen Sommers im New York der 60er-Jahre und der darauf folgenden brutalen Realität im Erziehungsheim könnte kaum größer sein.
Haben sich die Freunde gerade noch die Sonne auf den Pelz brennen lassen, finden sie sich wenig später in den nasskalten Katakomben einer Zuchtanstalt wieder. Zwar werden die Misshandlungen im Film zumeist nur angedeutet, doch die Tortur der Insassen wird auch an vermeintlich weniger drastischen Maßnahmen mehr als deutlich. In einer besonders erniedrigenden Szene muss einer der Jugendlichen die Mahlzeit in der Kantine vom Boden aufessen.
Kevin Bacon als Monster in Menschengestalt
Auch wenn jede der Figuren in Hell's Kitchen ein wenig verschlagen wirkt, sogar Pater Bobby (Robert De Niro) weiß sich mit den kriminellen Strukturen zu arrangieren, sind die wahren Teufel schnell ausfindig gemacht. Allen voran der Wärter Nokes – ein echter Sadist – der nichts auslässt, um seine Schutzbefohlenen psychisch und körperlich zu brechen.
Selbst beim für ihn folgenschweren Wiedersehen mit seinen inzwischen erwachsen gewordenen „Zöglingen“ zeigt er keine Anzeichen von Reue, sondern hat nur Hohn und Spott für sie übrig. Während man Kevin Bacons Rollen als zynischer Bösewicht (wie zuletzt als korrupter Cop in der TV-Serie „City On A Hill“) ansonsten gerne mit einem Schmunzeln quittiert, gibt es hier rein gar nichts zu lachen.
Robert De Niro als Mann Gottes
Umso wohltuender ist Robert De Niros Performance als Priester, der seine Schützlinge liebevoll umsorgt. Das lange Close-up auf seinen zunehmend entsetzten Gesichtsausdruck, als Shakes (Jason Patric) – der mittlerweile als Journalist für die New York Times tätig ist – ihm die ganze Wahrheit über den Horror im Wilkinson-Heim offenbart, spricht Bände.
Für ein wenig Heiterkeit sorgt hingegen der Auftritt von Dustin Hoffman. Als dem Alkohol nicht abgeneigter und zerstreuter Rechtsanwalt Danny Snyder – der von Staatsanwalt Michael für dessen Zwecke eingespannt wird – trägt er räuspernd, nuschelnd und (vermeintlich) unbeholfen die Argumente der Verteidigung vor.
Moralisches Dilemma?
Doch wird der Racheakt in „Sleepers“ durch die vorherigen Gräueltaten legitim? Aus juristischer Perspektive natürlich nicht. Gleiches gilt für die fingierten Beweise bei der Gerichtsverhandlung. Sympathieträger, wie noch zu Anfang des Films als Jugendliche, sind die beiden Mörder sicherlich längst nicht mehr, aber der Zuschauer weiß eben auch, wo der Ursprung ihres inzwischen verdorbenen Charakters liegt.
Die Frage nach der Legitimation von Rache hat sich der Autor dieser Zeilen nach dem Kinobesuch auch gestellt. Aus heutiger Sicht ist man angesichts des inflationären Aufkommens von Rachefilm-(Reihen) mit – bisweilen weniger als Drama angelegten – Beiträgen wie „Kill Bill“ „96 Hours“ oder „The Equalizer“ beinahe gewöhnt an die Rechtfertigung von Gewalt als Akte der Vergeltung. Letztlich müssen die Zuschauer*innen selbst entscheiden, in welche Richtung ihr moralischer Kompass zeigt. „Sleepers“ ist für mich definitiv ein hochspannender Beitrag zu diesem komplexen Diskurs.
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Dies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.