Stewart & Holland im “Swing Fever”
23. Februar 2024, 12:08
JONAS MOHR
Mit einem Gutenachtlied eröffnen Rod Stewart und Jools Holland ihr Album "Swing Fever". "Lullaby Of Broadway" lädt in einen holzvertäfelten Club, wo Sir Rod zu vorgerückter Stunde im weißen Anzug sitzt und Jools Holland, ganz Sideman, entspannt auf dem Tisch. So zu sehen auf dem Cover dieser fieberhaften Suche nach dem Swing.
Heute hält Stewart bei über 250 Millionen verkauften Alben und etlichen Rekorden, wie dem größten Konzert der Geschichte. Zu Silvester 1994 trat Stewart in Rio de Janeiro vor über 4 Millionen Menschen auf. Mit Jools Holland, Big Band Leader und seit 30 Jahren Gastgeber der BBC Musikshow "Later With Jools Holland" gab es bisher keine Berührungspunkte.
Fußball, Modelleisenbahnen und alte Hadern
"Wir sind uns schon über den Weg gelaufen, oder Jools?", fragt Stewart. Zum Interview erscheint er im Outfit seiner Fußballteams Celtic Glasgow gekleidet. "Aber wir waren keine besonders engen Freunde wie wir es jetzt sind. Wenn ich das so sagen darf, da haben zwei großartige Musiker zusammengefunden."
Modelleisenbahnen sind eine Leidenschaft, die Stewart und Holland teilen. Eine andere ist es, sich in Genre-Klassiker zu vertiefen. In Stewarts Diskografie wimmelt es neben Weihnachts- und Motown Aufnahmen auch von Alben aus dem Great American Songbook. Auf "Swing Fever" nehmen die beiden die Fährte von Hits wie "Ain't Misbehavin", "Sentimental Journey" oder "Walkin' My Baby Back Home" auf.
Zwei Vollprofis auf dem Swing-Tandem
Von ihrer ersten Zusammenarbeit schwärmen beide. "Im Studio lief alles perfekt und ich hatte auch noch nie so viel Spaß bei einem Video-Dreh wie bei 'Pennies in Heaven' mit Jools - und ich habe doch schon einige hinter mir", erinnert sich Rod Stewart. "Und was für eine Band! Du kannst kein gutes Swing Album machen ohne grandiose Band. Bass und Schlagzeug müssen wie eine Dampfmaschine dahinrollen. Für mich ist das Pianospiel von Jools auf einer Ebene mit Fats Waller."
Antreiber und alles andere als stiller Star des Albums ist Jools Hollands Band. Fast 20 Musikerinnen und Musiker pumpen hier den Swing in jeden Takt. "Mit meiner Big Band spiele ich gut 70 Shows im Jahr, wir spielen fast telepathisch miteinander", meint Holland. "Bei der ersten Session war ich ziemlich nervös. Als ich dann sah, wie Rod seine Hüften kreisen ließ und grinste brauchte es keine Worte mehr, ich wusste, das funktioniert."
"Kaum zuvor hat jemand sein Talent derart verschleudert wie Mr. Stewart"
In der "Rolling Stone Illustrated History of Rock and Roll" schreibt Kritiker Greil Marcus: "Kaum zuvor hat jemand sein Talent derart verschleudert wie Mr. Stewart." Die Weltkarriere des heute 79-Jährigen konnte diese Einordnung nicht bremsen. 13 Jahre spielte Stewart im Cesar’s Palace in Las Vegas. Diesen Sommer beendet er seine Residency dort. "Große Sänger, wie Rod einer ist, schaffen es, dich auf einen Song aufmerksam zu machen, den du sonst niemals gehört oder wahrgenommen hättest. Nur eine Handvoll Sänger können das, er ist einer davon", schwärmt Holland von den Qualitäten seines Partners. "Weil Rod Rod ist, schlüpft er in diese Stücke, er bewohnt sie und teilt sie mit den Menschen. Es hat etwas Magisches."
"Swing Fever" platziert eine sichere Wette, ein charismatisches Rauhbein, ein eleganter Pianist und Klassiker der Swing- und Big-Band Ära. Das Kalkül geht dann auch auf. Ein Album wie ein Besuch beim noblen Londoner Maßschneider.