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ÖVP übergab der FPÖ eine Liste mit Grundsätzen

ÖVP übergab der FPÖ eine Liste mit Grundsätzen
Die Innenministeriums-Besetzung gilt weiter als Knackpunkt, es gibt aber auch weitere inhaltliche Differenzen.

Die Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP gehen heute unter schwierigen Vorzeichen weiter. Am Montagabend hatten sich die Chefverhandler nach tagelangen Querelen erstmals wieder zusammengesetzt. Die ÖVP übergab dabei der FPÖ ein zweiseitiges Papier mit „Grundlinien“, die außer Streit gestellt werden sollten, etwa eine klare europäische Positionierung. Ob der Termin Fortschritte bei den strittigen Fragen - allen voran die Besetzung des Innenministeriums - gebracht hat, blieb offen.

Nach dem rund 90 Minuten langen Treffen am Montagabend hatten die Chefverhandler den Besprechungsraum im Parlament ohne Kommentar für die wartenden Journalisten durch den Hinterausgang verlassen. Seitens der Pressesprecher wurde lediglich auf weitere Gespräche am Dienstag verwiesen. Dem Vernehmen nach soll die Stimmung bei der kurzen Sitzung besser gewesen sein als zuletzt, auch wenn von einem Durchbruch zumindest noch keine Rede war. Die ÖVP war dem Vernehmen nach zuletzt vor allem wegen inhaltlicher Differenzen äußerst skeptisch.

ÖVP übermittelte Papier mit „Grundlinien“

In dem von der ÖVP an den Verhandlungspartner übermittelten Papier mit dem Titel „Gemeinsame Grundlinien außer Streit stellen“, das auch der APA vorliegt, werden für die ÖVP zentrale Punkte erörtert. Diese Themenbereiche und Positionen seien für „jede österreichische Bundesregierung - unabhängig von Partei und Ideologie - wesentlich“, heißt es darin.

Eine „klare proeuropäische Positionierung und internationale Zusammenarbeit“ wird darin als „Grundlage der Bundesregierung“ genannt. Um mit „einer Stimme in Europa“ zu sprechen, müssen die Positionen Österreichs innerhalb der Bundesregierung „gemeinsam koordiniert“ und dann entsprechend in den EU-Gremien umgesetzt werden, heißt es darin.

Russischer Angriffskrieg müsse verurteilt werden

Als weitere „Grundlinie“ wird unter anderem eine Verurteilung des russischen Angriffskriegs genannt. Die Bundesregierung „sieht Russland als Bedrohung, besonders für Europa“. Auch müsse die Regierung auf internationale Kooperationsmöglichkeiten setzen sowie auf eine „Stärkung der Resilienz Österreichs“ gegen die Einflussnahme aus dem Ausland. Dies betreffe insbesondere Spionage, Desinformation und Einflussnahme auf demokratische Wahlen.

Auch die „Rechtsstaatlichkeit“ wird betont. Grundlage sei die Rechtsordnung, insbesondere die österreichische Verfassung und die Gesetze, aber auch die EMRK, die EU-Verträge, sowie die Rechtsprechung der Gerichtshöfe wie dem VfGH, EGMR und EuGH. Hier zielt die ÖVP wohl auf kolportierte Wünsche der FPÖ ab, wonach EU-Recht nicht in Form der Rechtsprechung des EGMR und des EuGH-Vorrang vor nationalem Recht haben soll. Auch solle die Bundesregierung „effektive Maßnahmen gegen Fake-News und Desinformation“ setzen - auch dieser Punkt war laut durchgedrungenen Verhandlungsprotokollen bis zuletzt offenbar Streitpunkt.

ÖVP fordert Bekenntnis zu Sky Shield

In Sachen Sicherheit fordert die Volkspartei auch die „neutralitätskonforme“ Verteidigung des Luftraums gegen Raketen und Drohnen. Genannt wird von der Volkspartei hier explizit die geplante europäische Einkaufsplattform „Sky Shield“, gegen die sich die FPÖ bis zuletzt vor allem mit Verweis auf Neutralitätsbedenken ausgesprochen hatte. Auch die Notwendigkeit der international „uneingeschränkten“ Zusammenarbeit der Geheimdienste wird als „oberste Priorität“ genannt.

Ein klares Bekenntnis und geeignete Maßnahmen werden auch bezüglich der Abgrenzung gegen politische und religiöse Extreme gefordert - dies gelte für Linksextremismus, Rechtsextremismus oder religiös motivierten Extremismus wie dem politischen Islam, gleichzeitig wird der Schutz von Minderheiten betont. Wohl auf Wohlwollen der FPÖ stoßen dürfte der Punkt, wonach vorübergehend keine neuen Asylanträge mehr angenommen werden sollen und der Familiennachzug ausgesetzt werden soll, um einer „Überforderung“ zu begegnen.

Streit über Ressortverteilung

In der Vorwoche war es wegen der unterschiedlichen Vorstellungen bezüglich der Ressortverteilung zu einem öffentlich ausgetragenen Zerwürfnis zwischen FPÖ und ÖVP gekommen. Nachdem die FPÖ der ÖVP am Dienstag eine Liste mit entsprechenden Vorschlägen unterbreitet hatte, kam es zu einer Unterbrechung der Verhandlungen. Die Blauen stellten Forderung nach Innen- und Finanzressort sowie EU-, Medien- und Kulturagenden auf. Die ÖVP berief ihren Parteivorstand ein, danach herrschte rund zwei Tage sogar komplette Funkstille zwischen den Verhandlungsspitzen.

Erst nach einzeln abgehaltenen Terminen mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen verständigten sich FPÖ-Chef Herbert Kickl und ÖVP-Obmann Christian Stocker am vergangenen Donnerstagnachmittag auf die Fortsetzung der Gespräche. Seitdem gab es laut offizieller Darstellung nur ein kurzes Treffen der Parteichefs im kleinen Kreis am Freitagvormittag.

Innenministerium weiter der Knackpunkt

Obwohl am Wochenende dann offiziell keine Gespräche eingetaktet waren, dürften FPÖ und ÖVP bei der Ressortaufteilung dennoch zumindest einen Teilschritt nach vorne gemacht haben. So sollen die Freiheitlichen dem Verhandlungspartner das Außenministerium angeboten haben, dem künftig auch wieder die EU-Kompetenzen zufallen sollen. Sollte die ÖVP das Angebot annehmen, dürfte der Bereich Verfassung und Deregulierung im dann blau geführten Kanzleramt bleiben, hieß es aus ÖVP-Verhandlerkreisen zur APA.

Zuletzt hatte die ÖVP zudem Bereitschaft signalisiert, auf die Finanzen zu verzichten. Für die ÖVP ist es laut APA-Informationen aber „untragbar“, dass sowohl Finanz- als auch Innenressort den Freiheitlichen zufallen. Eine kolportierte Lösung für das Innenressort, wonach dieses aufgeteilt werden könnte, dürfte nach APA-Informationen eher vom Tisch sein.

Grundsätzlich sei eine Teilung, sodass die FPÖ die Asylagenden erhält und die ÖVP für Geheimdienste und Polizei zuständig ist, rechtlich sehr wohl möglich, sagten die Verfassungsexperten Heinz Mayer und Peter Bußjäger zur APA. So könne ein „Asylminister“ die Hoheit über das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erhalten, meinte Letzterer. Gegen eine Teilung spreche aber das Effizienzprinzip. Fragen des Asyl- und Migrationsrechts seien schließlich stark mit dem sonstigen Sicherheitsrecht verbunden, auch hinsichtlich der einschreitenden Organe. Siedelt man hingegen einen ÖVP-Staatssekretär für Geheimdienste in einem FPÖ-geführten Innenministerium an, so ist dieser gegenüber dem Minister weisungsgebunden, erklärte Mayer.

Auch inhaltlich noch viele Punkte zu besprechen

Inhaltlich dürfte ebenfalls noch einiges zu besprechen sein, wenngleich die am Wochenende aufgetauchten Verhandler-Protokolle aus den Untergruppen schon etwas älter und damit nicht mehr ganz aktuell sein dürften. Dennoch deuteten die Dokumente auf teils große inhaltliche Differenzen zwischen den Koalitionsverhandlern hin. So will die FPÖ etwa eine Teilnahme am WHO-Pandemievertrag verhindern und plädiert für einen Ausstieg aus der NATO-Partnerschaft für den Frieden. Auch stellt sich die FPÖ gegen Pläne, wonach Amtsgebäude eine EU-Fahne tragen sollen.

Im Bereich Inneres will die FPÖ laut den Protokollen das Krisensicherheitsgesetz abschaffen. Gestrichen werden soll im Sinne der FPÖ auch die CO2-Bepreisung. Auch eine Anhebung des Grundwehrdienstes auf acht Monate und des Zivildiensts auf zwölf Monate sowie „Schmerzensgeld“ für die Coronavirus-Maßnahmen schweben den blauen Verhandlern vor. Viele große Brocken sollen nach wie vor die Parteispitzen selbst ausverhandeln.

Stelzer verweist auf „Ernst der Lage“

Mit Blick auf die Verhandlungen verwies am Montag Oberösterreichs ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer in Linz im Rahmen einer Pressekonferenz auf den „Ernst der Lage“. Wenn zwei miteinander verhandeln hieße dies, dass sie aufeinander zugehen müssten und „niemand mit dem Kopf durch die Wand“ gehen könne. Die ÖVP sei jedenfalls „nach wie vor daran interessiert und bemüht“ eine handlungsfähige Regierung zustande zu bringen.

Das politische Gegenüber in Person von Wels FPÖ-Bürgermeister Andreas Rabl äußerte sich in der Pressekonferenz gelassener. So lange würden die Koalitionsverhandlungen noch nicht laufen, „dass man in große Panik verfallen sollte“. Es gelte, den Verhandlungsprozess abzuwarten.

Bundespräsident für alle Szenarien gerüstet

Seitens der Bundespräsidentschaftskanzlei betonte man indes am Montag, man sei auf alle Szenarien vorbereitet, wie es auf APA-Nachfrage hieß. „Wir haben für alle Szenarien Pläne in der Lade. Das gebietet ja auch die Verfassung. Es muss immer eine handlungsfähige Regierung geben“, hieß es zuvor aus der Präsidentschaftskanzlei auch gegenüber der „Kronen Zeitung“. Alles weitere - auch der weitere Fahrplan - sei von den Parteien abhängig.

Sollten die Koalitionsverhandlungen platzen, gibt es mehrere mögliche Szenarien: Neben Neuwahlen oder erneuten schwarz-roten Verhandlungen besteht auch die Option, dass der Bundespräsident eine Expertenregierung einsetzt - diese müsste freilich von einer Mehrheit im Parlament gestützt sein.

SPÖ-Chef Andreas Babler appellierte am Montag an die „vernünftigen Kräfte in der ÖVP“, erneut über eine gemeinsame Regierung zu verhandeln. Andernfalls sei man auch bereit, „eine Regierung von Persönlichkeiten zu unterstützen, die dem Parlament zur Seite steht“, erklärte Babler in einem auf X veröffentlichten Video. Bereits am Vorabend hatten auch die Grünen von der ÖVP gefordert, die Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ zu beenden. Auch die NEOS wären bereit zu neuen Gesprächen, sagte NEOS-Mandatar Sepp Schellhorn.

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