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Neuer KHM-Chef Jonathan Fine: "Müssen mit jeder Regierung ...

Neuer KHMChef Jonathan Fine Müssen mit jeder Regierung
Der neue Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums tritt seinen Job in turbulenten politischen Zeiten an. Barrierefreiheit und Wissenschaft sind ihm ein Anliegen
Jonathan Fine will im Kunsthistorischen Museum die wissenschaftlichen Aufgaben verstärken. Gleichzeitig sollen die Häuser noch zugänglicher und offener fürs Publikum werden.
Foto: Helena Lea Manhartsberger

Als er 2021 als Direktor des ethnografischen Weltmuseums bestellt wurde, ahnte man noch nicht, dass es nur eine Zwischenstation im KHM-Museumsverband für ihn werden würde. Bald ging es noch eine Etage höher. Jonathan Fine, gebürtiger New Yorker mit Vergangenheit als Menschenrechtsanwalt, tritt mit diesem Jahr seinen Job als Generaldirektor an. Für den Verband, der sieben Museumsstandorte umfasst, schwebt ihm ein besseres Miteinander vor. Baulich sollen die Häuser barrierefrei werden, inhaltlich sich auch wieder stärker der wissenschaftlichen Arbeit widmen können.

In seiner ersten Saison verantwortet er vier große und mehrere kleinere Ausstellungen, das KHM-Haupthaus zeigt ab 11. März eine Zusammenschau von Arcimboldo, Bassano und Bruegel unter dem Titel Die Zeiten der Natur, ab Ende September zeigt man die wiederentdeckte flämische Barockmalerin Michaelina Wautier. Das Weltmuseum widmet sich in Wer hat die Hose an? (25. 3.) 3000 Jahre Geschichte des Beinkleids. Im Schloss Ambras feiert man bei The Art of Beauty (19. 6.) 5000 Jahre Schönheit, und im Theatermuseum dreht sich ab 23. 6. alles um den Jubilar des Jahres: Johann Strauß.

STANDARD: Ihr Antritt als KHM-Chef fällt mitten in eine politisch höchst turbulente Zeit. Wie würden Sie mit einer Rechtsregierung unter einem Kanzler Kickl umgehen?

Fine: Ich sehe es als meine Aufgabe, mit der Bundesregierung zusammenzuarbeiten. Denn wir sind ein Bundesmuseum und verwalten, bewahren und stellen die Kulturschätze der Republik aus. Wie die Politik einer neuen Regierung aussieht, wissen wir noch nicht. Das Einzige, was ich über die Zukunft weiß, ist, dass ich noch nicht weiß, wie diese aussieht.

STANDARD: Würden Sie eine von der Politik abweichende weltanschauliche Position dennoch klar äußern?

Fine: Wir haben hier eine zentrale Sammlung dieses Landes. Die herausragende Qualität des KHM-Verbandes ist, dass er tausend Jahre Welt- und europäische und Geschichte abbildet. Die müssen wir so präsentieren, dass sie offen für jede und jeden hier in Österreich und für Menschen aus dem Ausland ist. Wir wollen diese Sammlung auch stärker außerhalb von Wien in den Bundesländern zeigen, die physische Zugänglichkeit der Museen, die Barrierefreiheit, verbessern und die wissenschaftlichen Aufgaben des Hauses stärken, Nachwuchstalente fördern. Ich hoffe, dass das jede Bundesregierung mittragen wird. Persönliche politische Ansichten spielen da keine Rolle.

STANDARD: Als KHM-Direktor fallen einem aber auch repräsentative Aufgaben zu, etwa bei Staatsbesuchen. Würde es Sie in einen Gewissenskonflikt stürzen, wenn Sie Seite an Seite mit FPÖ-Vertretern agieren müssten?

Fine: Wir müssen grundsätzlich jede demokratisch gewählte Regierung, die ihren staatsrepräsentativen Aufgaben nachkommen will, unterstützen.

STANDARD: Inhaltlich könnte Ihnen niemand dreinreden. Wenn es ums Geld geht, sind Sie aber abhängig von der Politik. Diesbezüglich schaut es leider düster aus. Welchen Budgetbedarf hätten Sie?

Fine: Der KHM-Museumsverband ist bisher sehr effizient und sparsam geführt worden, das ist eine lange Tradition hier. Und ich sehe keine Notwendigkeit, daran etwas zu ändern. Wir haben eine Basissubvention, die uns bei unseren Vorhaben unterstützt. Aktuell sind das die dringend notwendigen Umbauten, um die Barrierefreiheit sicherzustellen, im Kunsthistorischen Museum auf dem Maria-Theresien-Platz und auch im Theatermuseum. Grundsätzlich wäre es mir ein Anliegen, dass wir eine über mehrere Jahre angelegte Budgetsicherheit von der neuen Regierung bekommen würden.

STANDARD: Ein weiteres Projekt ist die Schatzkammer, die Sie auf neue Beine stellen wollen. Was soll sich ändern?

Fine: Es ist eine Spitzensammlung, auf die Österreich stolz sein kann. Aber sie ist nicht ideal präsentiert, vor allem die Technik muss erneuert werden. Dafür brauchen wir Geld und werden dafür eine Finanzierung suchen müssen.

STANDARD: Ist auch an inhaltliche Änderungen gedacht? Etwa die Schattenseiten der Habsburger-Geschichte anzusprechen?

Fine: Es geht in erster Linie um technische Verbesserungen und zugänglichere Präsentation der Objekte. Wenn man das alles evaluiert, dann ist aber ganz klar, dass man sich auch die Schattenseiten anschauen wird. Die Habsburger haben in der Weltgeschichte über 500 Jahre eine führende Rolle gespielt, im Positiven wie im Negativen. Über unsere Sammlungen kann man diese Geschichte in allen Facetten vermitteln.

STANDARD: Sie haben in Ihrer Zeit beim Weltmuseum im Auftrag der Regierung Empfehlungen zum Umgang mit kolonialem Raubgut in den Museumsbeständen erarbeitet. Die ÖVP-Grünen-Regierung hat letztlich nichts damit gemacht. Werden Sie darauf drängen, hier aktiv zu werden?

Fine: Einen gesetzlichen Rahmen zum Umgang mit diesen Objekten, etwa zur Frage von etwaigen Rückgaben an Herkunftsorte, sehe ich nach wie vor als zielführend an. Das würde den Museen die Arbeit mit diesen Objekten erleichtern.

STANDARD: Die Sonderausstellungsräume sind im KHM aufgrund des historischen Baus suboptimal. Eine langgehegte Idee ist eine Adaptierung der Innenhöfe. Wie steht es darum?

Fine: Wir benötigen bessere Sonderausstellungsräume, das ist richtig. Wir haben dazu einen Evaluierungsprozess aufgesetzt. In den kommenden Wochen werden wir erste Überlegungen vorliegen haben. Aber Priorität hat fürs Erste die Barrierefreiheit.

Vom Weltmuseum ging es für Fine noch eine Etage höher in die Generaldirektion. Es sei ein Vorteil, sagt er, dass er beide Seiten kennt.
Foto: Helena Lea Manhartsberger

STANDARD: Welche inhaltlichen Änderungen wollen Sie bei den Ausstellungen vornehmen?

Fine: Zuallererst wollen wir unsere Vermittlungsangebote ausbauen, damit die Sammlung optimal präsentiert werden kann. Ansonsten werden wir uns sehr auf die Stärke der eigenen Sammlung fokussieren, sie mehr in ihrer gesamten Breite zeigen.

STANDARD: Das klingt nach Nabelschau. Als Direktor des Weltmuseums haben Sie noch sehr den Anschluss an zeitgenössische internationale Kunst gesucht. Mit dem KHM haben Sie anderes vor?

Fine: Nein, auch im zeitgenössischen Bereich wollen wir verstärkt den Brückenschlag zur internationalen Kunst suchen. Es wird nur nicht unser Schwerpunkt darauf liegen, denn unsere Stärke sind die historischen Alten Meister.

STANDARD: Das Weltmuseum hat traditionell immer sehr gelitten unter der Abhängigkeit vom KHM. Soll sich das nun ändern?

Fine: Ich war der Chef eines der anderen Häuser im KHM-Verband, bevor ich Generaldirektor wurde. Das heißt, ich kenne die Situation von mehreren Seiten. Ich möchte unsere Museen von einem Nebeneinander zu einem stärkeren Miteinander hinführen. Die innovativsten Projekte der letzten Jahre waren immer die, die das Miteinander ins Zentrum gestellt haben.

STANDARD: Wollen Sie dieses Miteinander auch mit den anderen Bundesmuseen suchen, etwa der Albertina, wo mit Ralph Gleis zeitgleich ein neuer Direktor beginnt, den Sie bereits aus Ihrer Zeit in Deutschland kennen?

Fine: Wenn wir die Sammlungen in Wien zusammendenken, dann übertreffen sie fast jede andere Museumslandschaft der Welt. Das ist einfach so. Ich glaube, unsere Stärke wird in Zukunft tatsächlich darin liegen, wie gut wir gemeinsame Projekte auf die Beine stellen werden. Zu Ralph Gleis, aber auch zu den anderen Direktorinnen und Direktoren konnte ich ein gutes Verhältnis aufbauen.

STANDARD: Als gebürtiger Amerikaner blicken Sie sicherlich auch über den Teich: Wie sehen Sie die aktuelle politische Lage in den USA?

Fine: Die Vereinigten Staaten stehen ebenfalls vor einer großen Veränderung, auch dort ist die Zukunft ungewiss. Wie sie aussieht? Ich weiß es nicht.

STANDARD: Angenommen, jemand wie Elon Musk würde sich als Großsponsor des KHM andienen: Würden Sie Ja sagen?

Fine: Wir schauen uns die Bedingungen von jedem potenziellen Sponsor genau an. Unseren Rahmen bilden dabei ethische Prinzipien und gesetzliche Vorgaben, nach denen wir handeln. (INTERVIEW: Stefan Weiss, 10.1.2025)

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