Wimmelbuch-Erfinder Ali Mitgutsch gestorben
Wenn man die berühmten Wimmelbücher von Ali Mitgutsch anschaut, dann möchte man glauben, dass seine Kindheit eine wundervolle Welt war, in der es nur Schönes zu entdecken gab. Das Gegenteil davon ist der Fall.
Mitgutsch wurde 1935 in München geboren und als kleiner Junge ins Allgäu evakuiert, als Bomben auf die Stadt fielen. Und als er dann endlich zurückkam, lag seine Heimatstadt in Trümmern. Es war eine Kindheit voller Sorgen und Entbehrungen.
Aber Ali Mitgutsch hat nie nur von dieser einen Seite seiner Kindheit erzählt. Viel lieber berichtete er davon, dass seine Mutter eine wunderbare Geschichten-Erzählerin war, und dass sein Vater das Haus mit seinem Gesang erfüllte. Davon, dass das Nachkriegs-München ein besonders aufregender Ort für Kinder war.
"Ich hatte nie so ein beschränktes Leben. Ich habe ja doch von klein an gelesen und hab Unmengen gelesen. Und hab auf die Art Unmengen Neues gehört, in mich hinein gezogen." Ali MitgutschMitgutsch schuf mit Wimmelbüchern ein neues Genre
In Neues, Unentdecktes hineingezogen hat Mitgutsch seitdem ganze Generationen von Kindern. Mitgutschs Wimmelbücher erzählen ohne Worte und farbenfroh seit Jahrzehnten wunderbare Alltags-Geschichten - aus dem Schwimmbad, vom Bauernhof, aus den Bergen oder aus der Stadt.
Seine Karriere begann er als Grafiker. 1968 erschien sein erstes Wimmelbuch "Rundherum in meiner Stadt" im Ravensburger Verlag. 1969 erhielt er dafür den Deutschen Jugendbuchpreis. Seitdem sind mehr als 70 Bücher, Poster und Puzzles mit seinen Figuren und Zeichnungen erschienen.
Mit den Wimmelbüchern hat Migutsch ein neues Genre geschaffen. Allein in Deutschland gingen über fünf Millionen Exemplare der ohne Worte auskommenden Kinderbücher über die Ladentische, international kamen mehr als drei Millionen verkaufte Exemplare dazu. In Interviews zu seinem 80. Geburtstag sagte Ali Mitgutsch: "Jedes einzelne Wimmelbild ist ein Teil von mir. Meine Wimmelbücher sind gemacht, um die Kinder in die Gärten der Fantasie zu führen, dass sie selbst weitermachen."
Blick von ganz oben machte Mitgutsch bekanntEs ist der Blick von ganz oben, oder besser: vom obersten Fahrhäuschen eines Riesenrads, der Ali Mitgutsch bekannt machte. Diese Perspektive lernte er als kleiner Junge kennen, als er das erste Mal das Riesenrad auf der Auer Dult in München bestieg. Von dort oben, das erzählte Mitgutsch immer wieder, sah er so vieles, was ihm vorher verborgen war.
Sein Wimmelbuch "Rundherum in meiner Stadt", zeigt diesen Blick, diese Übersicht, mit der er bald nicht mehr als begeistertes Kind, sondern als erwachsener Illustrator alle Geschichten eines Ortes einfangen konnte. Dabei war Mitgutsch nie ein Mann, der auf die Welt und seine Mitmenschen herabschaute. Im Gegenteil: Freundschaftlich, nachsichtig, so wirkte sein Blick. Im persönlichen Gespräch, aber auch in den vielen Bildern, die er zu Papier brachte. Da zeichnete niemand, der es besser wusste als sein Publikum. Wer da zeichnete, schien die Welt, den Alltag auf dem Rummelplatz, im Schwimmbad oder die Abenteuer auf einem Piratenschiff, genauso aufregend und liebenswert zu finden wie die kleinen Betrachter seiner Bilder.
Später schuf Mitgutsch "Traumkästen"Ab 2007 konzentrierte sich Mitgutsch auf das Schaffen seiner "Traumkästen", kleine gerahmte Bühnen. Seit 2017 war er im Ruhestand und zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück.
Ali Mitgutsch starb am Montagabend im Alter von 86 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung, wie sein Sohn dem Bayerischen Rundfunk mitteilte.