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1935–2022: Wimmelbuch-Schöpfer Ali Mitgutsch tot - news

19352022 WimmelbuchSchöpfer Ali Mitgutsch tot  news
Der deutsche Illustrator und Künstler Ali Mitgutsch ist tot. Er galt als Schöpfer des Wimmelbuchs und begleitete Generationen von Kindern, denen er damit erste Bucherlebnisse bescherte. Mitgutsch sei am Montagabend im Alter von 86 Jahren in München ge

Zuvor hatte auch der Ravensburger-Verlag unter Berufung auf Gregorzewski und Literaturagent Oliver Brauer vom Tod Mitgutschs berichtet. „Frech, witzig, liebevoll – Ali Mitgutschs Sicht auf die Welt, auf den Zauber des Alltäglichen war einzigartig, hat Generationen von Kindern und Erwachsenen begeistert und ihn zum ‚Vater der Wimmelbücher‘ gemacht“, teilte Ravensburger in einer Würdigung mit. Der Verlag verneige sich „vor seinem Freund und langjährigen Autor“.

Mitgutschs Wimmelbücher erzählen ohne Worte und farbenfroh seit Jahrzehnten wunderbare Alltagsgeschichten – aus dem Schwimmbad, vom Bauernhof, aus den Bergen oder der Stadt. „Er schaute neugierig und mit einem scharfen Auge für Details und Kuriositäten auf die Welt um ihn herum“, teilte Ravensburger mit. „Der humorvolle und oft entlarvende Blick auf Missgeschicke, Absurditäten und das Komische in Alltag und Beziehungen floss in seine ‚sich selbst erzählenden Geschichtenbücher‘ ein, wie er seine Wimmelwelten bezeichnete.“

Wimmelbild von Ali Mitgutsch Ravensburger
Am Strand: Ein typischer Mitgutsch
Unzählige Geschichten in einem Bild

Seine Bilder erzählen unzählige kleine Geschichten: Ein Spaziergänger, der auf einem Kuhfladen ausrutscht, und am Weidezaun ein Mädchen, das lauthals darüber lacht. Ein grinsender Gärtner, der ein ahnungsloses Opfer mit dem Schlauch nass spritzt. „Meine Wimmelbücher sind gemacht, um die Kinder in die Gärten der Fantasie zu führen, dass sie selber weitermachen“, sagte er.

Ali, eigentlich Aldons, Mitgutsch wurde am 21. August 1935 in München geboren. Die Liebe zum Geschichtenerzählen hatte der Münchner, der später an der Graphischen Akademie der Stadt studierte, von seiner Mutter, schrieb er in seinen Kindheitserinnerungen „Herzanzünder“. Sie konnte Mitgutsch und seinen Geschwistern zwar kein wohlhabendes Elternhaus bieten, dafür aber ihre reiche Fantasie, beschrieb er seine Jugend – mehr dazu in oe1.ORF.at.

Riesenradfahrt als prägendes Erlebnis

Der Zweite Weltkrieg, Hunger, Heimatlosigkeit und bittere Not prägten Mitgutschs Kindheit. Der geliebte große Bruder fiel in Russland an der Front. In den letzten Kriegsjahren musste die Familie wegen der vielen Bombenangriffe ihre Münchner Wohnung verlassen und Schutz auf dem Land suchen.

Ein prägendes Erlebnis: Die Fahrt auf dem Riesenrad auf dem Münchner Kirtag Auer Dult, eine seltene Freude für Ali und seine Schwester. Was der Bub aus der Gondel sah, faszinierte ihn. „Es waren Bilder mit vielen Details, es passierte so viel gleichzeitig, die Geschichten gingen nicht aus: Menschen liefen über den Platz, kamen zu Gruppen zusammen, lösten sich wieder auf, Kinder jagten hintereinander her, Karren wurden gezogen, eine Frau sammelte ihren Einkauf vom Pflaster, und ein Bub kletterte einen Laternenmast hinauf“, erinnert er sich in seinem Buch.

Wimmelbild von Ali Mitgutsch Ravensburger
Buntes Treiben am Jahrmarkt
Erstes Wimmelbuch 1968

Seine Karriere begann er als Grafiker, wie Ravensburger mitteilte. Sein erstes Kinderbuch stellte er 1959 mit „Pepes Hut“ vor. Es folgten Bücher wie „Ulus abenteuerliche Reise zum Nordlicht“ und „Nico findet einen Schatz“. Den Durchbruch als Bilderbuchmaler schaffte er 1968 mit „Rundherum in meiner Stadt“. Das erste der Wimmel-Bilderbücher wurde 1969 mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet und bisher mehr als eine Million Mal verkauft. Insgesamt gingen seine in 19 Sprachen übersetzten Bücher nach Verlagsangaben allein in Deutschland über fünf Millionen Mal über den Ladentisch.

Futter für seine Bilder bekam Mitgutsch auf Streifzügen durch die Stadt. „Dazu habe ich stets einen kleinen Block und einen Stift dabei und zeichne flink Skizzen, mit denen ich dann später arbeite“, sagte er einmal im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Sie bestechen durch farbenfrohe Fröhlichkeit und den ironischen Blick auf Kleinigkeiten und menschliche Schwächen.

Von Hieronymus Bosch bis zum „wimmelbook“

Kunsthistorisch gibt es freilich Vorläufer für Wimmelbücher – wie die berühmten Werke von Hieronymus Bosch oder Pieter Brueghel der Ältere. Sie für Kinder zu zeichnen, da gilt Mitgutsch tatsächlich als Pionier – mit mittlerweile etlichen Nachahmern. Auch wenn andere Zeichnerinnen und Zeichner mit noch mehr Liebe zu Details ans Werk gehen, gilt Mitgutsch als Klassiker des Genres. Im englischsprachigen Bereich entdeckte man dieses erst relativ spät. Als Wegbereiter gilt dort der englische Zeichner Martin Hanford mit seiner „Where’s Wally?“-Serie, die ab Mitte der 1980er Jahre veröffentlicht wurde. Und im Englischen bedient man sich auch eines deutschen Lehnwortes: Man spricht von „wimmelbooks“.

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