Immer mehr Fortschritte in der HIV-Therapie
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Stand: 28.11.2024, 10:50 Uhr
Berlin (ots) - Eine Infektion mit HIV führt in Ländern mit guter medizinischer Versorgung immer seltener zu der Immunschwächekrankheit AIDS ("Acquired Immunodeficiency Syndrome"). Bei rechtzeitiger Therapie können die Betroffenen wie gesunde Menschen leben und haben annähernd die gleiche Lebenserwartung wie Nichtinfizierte. Zudem müssen sie nicht befürchten, jemanden anzustecken.
"Die Auswahl an antiviralen Arzneimitteln wird immer größer, die Nebenwirkungen verringern sich und die Anwendung wird einfacher", berichtet Dr. Pablo Serrano, Geschäftsfeldleiter Innovation und Forschung beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI). Zudem bemüht sich die Forschung weiterhin um eine Impfung gegen das HI-Virus und um eine Heilung der Infektion, beispielsweise mit einer Gentherapie. Gute Nachrichten zum Welt-AIDS-Tag 2024!
In Deutschland leben rund 95.000 Menschen mit HIV, ohne dass sie an AIDS erkranken, weil sie mit effektiven Arzneimitteln behandelt werden.Das "Human Immunodeficiency Virus", also das "menschliche Immunschwäche-Virus" infiziert bestimmte Zellen des Immunsystems, die T-Helfer-Zellen, die die körpereigene Abwehr steuern. Ohne Behandlung wird die Immunabwehr über verschiedene Phasen hinweg zunehmend geschwächt, bis das letzte AIDS-Krankheitsstadium erreicht ist: Das Immunsystem kann keinerlei Keime mehr abwehren und die Bildung von Tumorzellen nicht mehr verhindern. Weltweit sind seit Beginn der Epidemie im Jahr 1983 mehr als 42 Millionen Menschen an AIDS gestorben, in Deutschland bisher 33.900.
Dank Forschungseinrichtungen und pharmazeutischer Unternehmen sind in Deutschland bereits zwei Ziele der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erreicht: 95 Prozent der Diagnostizierten erhalten eine antivirale, genauer eine sogenannte antiretrovirale Therapie - HIV gehört zu den Retroviren. Diese Arzneimittel verhindern über verschiedene Wege eine Vermehrung des Virus und zwar so effektiv, dass bei 95 Prozent von ihnen die Viruslast, also die Anzahl der Viren im Blut unter der Nachweisgrenze liegt. "Das bedeutet, die Anzahl der T-Helfer-Zellen steigt wieder an und das Immunsystem normalisiert sich", erklärt BPI-Experte Serrano. Das Virus kann damit eigentlich nur in einem sehr unwahrscheinlichen Fall übertragen werden. Betroffene können dann in der Regel auch ohne Bedenken auf natürlichem Weg Eltern werden: Die Medikamente schützen auch vor der Übertragung auf das Kind bei Zeugung, Schwangerschaft und Geburt.
Neue Wirkstoffklassen
Das Problem bei HIV: Das Virus ist enorm wandlungsfähig. Deshalb nehmen infizierte Menschen immer eine Kombination von zwei, drei oder vier Wirkstoffen ein - auch, um zu verhindern, dass das Virus resistent, also unempfindlich gegen die Arzneimittel wird. "Deshalb ist es wichtig, dass viele verschiedene Wirkstoffe, die an verschiedenen Ansatzpunkten greifen, entwickelt werden", betont Serrano. Inzwischen gibt es acht Klassen von Wirkstoffen. Recht neu sind die sogenannten Attachment-Inhibitoren, die verhindern, dass sich das Virus überhaupt an die menschliche Zelle hängen kann. 2022 ist eine weitere neue Wirkstoffklasse von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency, kurz: EMA) zugelassen worden: die sogenannten Kapsid-Inhibitoren, die das Kapsid - eine Proteinhülle, die das virale Genom und virale Enzyme umhüllt - in seiner Funktion stört, so dass die Virusvermehrung gestört wird.
Langwirksame Depotherapie
Mit den neueren Medikamenten nehmen die Nebenwirkungen ab und auch die Einnahme wird einfacher. Mussten die Betroffenen früher noch bis zu zwölf verschiedene Tabletten pro Tag einnehmen, sind es heute meistens nur noch eine oder zwei Pillen mit den unterschiedlichen Wirkstoffen in einer fixen Kombination. Seit 2021 ist die erste lang wirksame Depottherapie verfügbar, bei der das Arzneimittel nur jeden Monat oder alle zwei Monate gespritzt wird. Der neue Kapsid-Inhibitor mit dem Wirkstoff Lenacapavir toppt das noch: Nach einer Einleitungsphase muss er nur alle 26 Wochen, also nur zweimal im Jahr gespritzt werden. Allerdings ist das Arzneimittel noch nicht auf dem Markt.
Neue Arzneimittel auch bei der PrEP (Präexpositionsprophylaxe)
Neben Tabletten stehen inzwischen Depotspritzen auch für die sogenannte Präexpositionsprophylaxe (PrEP) zur Verfügung. PrEP bedeutet, dass zunächst für die Therapie entwickelte Arzneimittel auch eingenommen werden können, um eine Ansteckung zu verhindern. Eine Depotspritze, die alle zwei Monate verabreicht wird und den Integrasehemmer Cabotegravir enthält, ist 2023 von der EMA für eine Zulassung empfohlen worden. Der Integrasehemmer verhindert, dass sich das Erbgut des Virus in der menschlichen Zelle einnisten kann. Auch der Kapsid-Inhibitor Lenacapavir hat sich in Studien für die PrEP hochwirksam gezeigt. Die Kosten für die Prophylaxe werden in Deutschland von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet.
Antikörper, Impfung, Genschere
Vielversprechend ist auch der Ansatz mit breit neutralisierenden Antikörpern, die viele unterschiedliche Varianten des wandelbaren HIV ausschalten können. Die Forschung lässt auch nicht locker, was eine Schutzimpfung gegen HIV betrifft. Forschende bemühen sich nach dem Erfolg der mRNA-basierten Corona-Impfung um einen mRNA-basierten HIV-Impfstoff. "Allerdings mutiert HIV noch wesentlich schneller als das SARS-CoV-2-Virus, so dass es eine extreme Herausforderung darstellt, einen Impfstoff gegen HIV zu entwickeln", berichtet Serrano. Forschungseinrichtungen und die Forschungsabteilungen in pharmazeutischen Unternehmen verfolgen auch weiterhin das Ziel einer Heilung. Dafür werden Gentherapien erprobt, wobei zum Beispiel mittels Genschere das Gen für den Rezeptor zerstört wird, der als Eintrittspforte für die HI-Viren in die menschliche Zelle fungiert.
Die Heilung einer HIV-Infektion ist aber noch nicht wirklich in Sicht. Doch es existieren bereits viele Hebel, um eine Infektion zu vermeiden oder zu bekämpfen: geschützter Geschlechtsverkehr, vorbeugen mit PrEP, die antiretrovirale Therapie. Und nicht zu vergessen die HIV-Tests: "Für eine erfolgreiche Behandlung ist es wichtig, dass eine Infektion rechtzeitig erkannt wird, deshalb sollten sich Menschen mit einem HIV-Risiko immer wieder testen lassen", sagt der BPI-Experte Serrano. So kann hoffentlich auch das dritte Ziel der WHO bezüglich HIV erreicht werden: Dass 95 Prozent der infizierten Menschen wissen, dass sie sich angesteckt haben.
Pressekontakt:Andreas Aumann (Pressesprecher), Tel. 030 27909-123, aaumann@bpi.deLaura Perotti (Stellvertretende Pressesprecherin),Tel. 030 27909-131, lperotti@bpi.de
Weiteres Material: www.presseportal.de Quelle: BPI Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie